ContraPersonaler non grata
Roboter sollen helfen, Bewerber auszuwählen. Das kann punktuell klappen. Insgesamt ist und bleibt das Job Matching jedoch eine persönliche Angelegenheit, die Menschen unter sich klären sollten.
Komplett automatisierte Jobinterviews waren bis vor kurzem noch unvorstellbar. Doch gegenwärtig erfährt der Bereich Human Resources einen kräftigen Umschwung. Bei Großkonzernen wie Unilever oder Goldman Sachs setzen Personaler bereits auf Profiler mit Künstlicher Intelligenz, die Bewerbungsvideos nach bestimmten Gesichtspunkten analysieren und im Anschluss einen „Insight Score“ erstellen. Je höher dieser Score ist, desto besser passe der Bewerber zum Unternehmen, glaubt man.
Auch kleine und mittelständische Firmen erkennen das Potenzial der Digitalisierung im Bewerbungsprozess. Chatbots treten in sozialen Netzwerken in Kontakt mit dem Bewerber, Algorithmen analysieren Lebensläufe, Bewerbungsschreiben und Stimmen am Telefon. Selbst mit der automatisierten Erstellung von umfangreichen Profilen aufgrund hinterlassener Spuren im Internet liebäugeln viele Arbeitgeber bereits.
All diese Technologien werden derzeit heiß diskutiert, sodass nicht wenige Personaler um ihre Jobs bangen. Doch komplett durch Algorithmen ersetzen, wie derzeit spekuliert wird, lässt sich der Recruiting-Prozess nicht. Matching-Technologien, Insight Scores und Datenprofile können den Personalern als nützliche Werkzeuge bei der Vorauswahl des richtigen Mitarbeiters dienen – häufig geforderte Kompetenzen wie Eloquenz oder Charakterstärke machen sich allerdings nur in persönlichen Gesprächen bemerkbar. Der Roboter ist kein besserer Recruiter.
Tücken der Technik
Zunächst muss die verwendete Software erst einmal so programmiert werden, dass die zu sammelnden Bewerberinformationen relevant für die Stelle sind. Schon kleinste Fehler in der Programmierung können für unnötiges Datenmaterial sorgen, was einen zusätzlichen Arbeitsaufwand für den Personaler bedeuten würde.
Noch mehr Tücken tun sich auf, wenn es um soziale Interaktionen mit Chatbots geht. Ein Experiment mit Microsofts Chatroboter „Tay“ im März 2016 zeigte, dass das Anlernen von Künstlicher Intelligenz schnell aus dem Ruder laufen kann: Ursprünglich sollte „Tay“ durch Interaktionen mit Twitter-Nutzern eigenständig kommunizieren und eine Gesprächskultur aufbauen. Nach weniger als 24 Stunden wurde aus dem naiven Roboter jedoch eine pöbelnde, rassistische und sexistische Künstliche Intelligenz – gespeist durch das Feedback einiger Internet-Trolle.
Das fehlgeschlagene Experiment mit „Tay“ zeigt, dass die manuelle Kontrolle und Steuerung digitaler Prozesse unerlässlich ist – das lässt sich auf den Recruitment-Prozess übertragen. Denn auch Chatroboter, die auf Bewerbungen spezialisiert sind, haben das Potenzial, „ausgetrickst“ zu werden. Schon kleinste formale Änderungen lassen die Chancen steigen, im Bewerbungsprozess eine Runde weiter zu kommen. Anleitungen, wie man eine Bewerbung möglichst „roboterfreundlich“ verfasst, findet man im Internet ohne großen Aufwand. Ob sich Unternehmen tatsächlich diese Art von Mitarbeitern – möglichst genormt, möglichst wenig individuell – wünschen, darf bezweifelt werden.
Bedenken dieser Art sind auch der Grund für ein entsprechendes Gesetz in Deutschland. Nach gegenwärtiger Auslegung darf der Auswahlprozess nicht ausschließlich von Robotern abgewickelt werden. So sollte es in Zukunft bleiben, denn Maschinen sind noch weit davon entfernt, unfehlbar zu sein, wenn es um die Adaption menschlicher Attribute geht. Computerchips ersetzen zwar mehr und mehr die Leistungen des Geistes, aber soziale Intelligenz, menschliches Werteempfinden und Moral – um nur einige Attribute zu nennen – lassen sich derzeit unmöglich in einen Algorithmus übersetzen.
Bauchgefühl über Algorithmus
Auf der Webseite des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung können Menschen herausfinden, ob der eigene Job in Zukunft durch die Digitalisierung gefährdet ist. Für den Personalberater zeigt die Seite eine niedrige Gefahr an, da „nur maximal 30% der Tätigkeiten durch Roboter erledigt werden können“. Selbst wenn das die großen Unternehmen anders sehen mögen, wird die Human-Resources-Branche auf lange Sicht nicht komplett ohne Menschen auskommen, die über ihre zukünftigen Mitarbeiter entscheiden. Der zwischenmenschliche Kontakt, die sprichwörtliche Chemie und das Bauchgefühl spielen dafür eine zu große Rolle. Im ersten Bewerberkontakt, aber auch wenn es nacer um Teamarbeit geht.
Wie jeder andere Mensch in der Arbeitswelt müssen auch Personaler den Anschluss an die rasante technische Entwicklung finden – aber gleichzeitig aufpassen, sich nicht davon einnehmen zu lassen. Künstliche Intelligenz ist ein Gebiet, das Chancen verspricht, jedoch nur in Verbindung mit der sozialen Intelligenz komplett aufblühen kann. Deshalb heißt es schon wie bei den vergangenen drei industriellen Revolutionen auch bei der vierten: einen kühlen Kopf bewahren und sich nicht von dem technischen Fortschritt blenden lassen.
Lies weiter bei…