Anonym hasst’s sich leichter
Die Zahl und Präsenz rechtsextremer Gruppen in den sozialen Medien nimmt rasant zu. Besonders Jugendliche lassen sich leicht in Parallel-Realitäten hineinziehen. Nazistische Ideologien werden im Netz zu vermeintlichen Wahrheiten.
Im Juli dieses Jahres wurde eine geheime rechtsextreme Facebook-Gruppe enttarnt, die zwischen Juli und November 2015 mehrere Straftaten im Internet begangen hatte. Die Tatverdächtigen verbreiteten mutmaßlich fremdenfeindliche und rassistische Inhalte. Bei insgesamt 60 Großrazzien in 13 Bundesländern wurden Computer, Handys und Propagandamaterial sichergestellt. Eine Gruppe wie diese ist leider kein Einzelfall. Im Gegenteil – es werden immer mehr.
Laut Jugendschutz.net gab es im Jahr 2007 nicht weniger als 690 bekannte Social-Media Angebote mit rechtsextremen Inhalten. Im Jahr 2014 waren es schon 4.755. Was genau als rechtsextremistisch eingestuft werden kann, wird kontrovers diskutiert. Die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzt, beschreibt Rechtsextremismus als „eine Kombination von verschiedenen, inhumanen Einstellungen, beispielsweise Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus, von Sexismus (Diskriminierung aufgrund des Geschlechts), Autoritarismus (Befürwortung einer Diktatur) und Chauvinismus (der Glaube an die Überlegenheit der eigenen Gruppe)“. Es handele sich bei Rechtsextremismus um eine Gesinnung, die die Freiheit und die Gleichwertigkeit aller Menschen grundsätzlich ablehne.
Anonyme Gruppen ködern internetaffine Jugendliche
Rechtsextreme Gruppen organisieren sich in Parteien, Vereinen, sogenannten Kameradschaften und losen Verbünden. Sie selbst bezeichnen sich unter anderem als „Nationaler Widerstand“, „Freiheitliche“ oder „Nonkonforme Patrioten“. Einige kommunizieren über geheime Gruppen in den sozialen Medien, zu denen nur User Zugang haben, die diese gegründet haben oder die von den Gründern eingeladen worden sind.
Die in diesen Gruppen geposteten Beiträge sind nur für ihre Mitglieder einsehbar. Genutzt werden die Internetdienste zur Selbstdarstellung, Werbung, Vernetzung, zur politischen Einflussnahme und auch zur Planung von und Verabredung für die Begehung von Straftaten. Vor allem junge, internetaffine User werden mit diesen Angeboten geködert.
Einmal von den multimedialen Angeboten und den werbeähnlichen Slogans affiziert, rückt der virtuelle Freundeskreis schnell nach rechts. Schnell werden aus den Sorgen darüber, ob man später mal einen Job bekommt, Angst vor Überfremdung und schließlich Fremdenhass.
Gefangen in der Filter-Bubble
Die Jugendlichen beginnen, immer mehr rechtsgerichtete Medien zu konsumieren, bis sie sich in einer sogenannten Filter-Bubble befinden. Das ist eine Informationsblase, die entsteht, weil die Webseiten das Mediennutzungsverhalten, zum Beispiel die Suchhistorie und das Klickverhalten, analysieren. Über Algorithmen versuchen sie dann vorherzusagen, welche Information den User in Zukunft interessieren könnte.
Die Folge des festgefahrenen Glaubens an eine rechte Gemeinschaft ist eine Isolation des User gegenüber Informationen, die einem gegenteiligen Standpunkt entsprechen. Der Nutzer beginnt, alles zu glauben, was ihm in seiner neuen Informations-Gemeinschaft unterbreitet wird. Und das ist viel: In den geheimen rechten Gruppen wird Stellung zu aktuellen Themen bezogen, es werden Videos, Texte und andere Beiträge zu den Themen Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie, Antisemitismus, Antiziganismus und Hass auf LGBT*IQ (Lesbians, Gays, Bisexuals, Transgender, Intersex und Queers) geteilt. Auch Verschwörungstheorien und Falschmeldungen sind weit verbreitet. Es wird für rassistische Demonstrationen geworben und zu Straftaten aufgerufen.
Nicht machtlos gegen rechtsextreme Gruppen
Nicht immer bleiben diese Gruppenaktivitäten ungeahndet. Bundesregierung, Bundesländer sowie Bezirksregierungen lassen Beiträge rechtsextremer Gruppen entfernen und verpflichten die Provider, die URLs zu blockieren. Jugendschutz.net beispielsweise ist eine länderübergreifende Stelle, die jugendgefährdende Inhalte, darunter rechtsextreme Inhalte, schnellstmöglich aus dem Netz nehmen lässt.
Auch eine Vielzahl an zivilgesellschaftlichen Initiativen setzt sich gegen den Rechtsextremismus im Netz ein. Seit 2000 gibt es das Onlineportal Netz gegen Nazis, eine Kooperation der Zeit und der Amadeu-Antonio-Stiftung, das über rechtsextreme Aktivitäten im Internet informiert. Auch gibt es mittlerweile Projekte wie no-nazi.net, die darauf abzielen, Jugendliche zu beraten, die in sozialen Medien mit Neonazis in Kontakt sind.
Oft sind die rechtsextremen User nicht mehr für ihre Straftaten belangbar, weil sie sich auf den Plattformen unter einem Pseudonym angemeldet haben oder mit versteckter IP-Adresse unterwegs waren. In diesen Fällen ist nicht mehr zurückverfolgbar, an welchem Rechner die Person aktiv war.
Viele Datenschutzaktivisten waren gegen die Einführung der Klarnamen-Pflicht auf Facebook, die vorsieht, dass alle User gesperrt werden, die sich nicht unter ihrem bürgerlichen Namen anmelden. Um die Menschen, die hinter rechten Hasskommentaren stecken, zu identifizieren, kann die Klarnamen-Regelung jedoch ein gutes Mittel sein.