Roboter zum Selbermachen
Die Daten für den Bau des humanoiden Roboters InMoov sind kostenlos im Internet erhältlich. Eine große Online-Community verbessert ihn ständig. Auch Studenten aus Zwickau haben den Open-Source-Roboter nachgebaut – nicht ganz problemlos.
Ein Roboter zum Ausdrucken? Für zuhause, schnell und günstig? Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Aber es gibt ihn, den Do it yourself-Roboter: InMoov ist der erste lebensgroße Roboter, dessen Einzelteile mit einem 3D-Gerät gedruckt werden können – und zwar von allen. Denn InMoov ist ein Open-Source-Projekt. Das bedeutet, dass jeder daran mitarbeiten und den Roboter verbessern kann. Vor allem in der sogenannten Maker-Szene, die möglichst einfache Lösungen für technische Probleme sucht, sorgt InMoov seit 2012 für Aufsehen. Aber auch für Hochschulen und Labore bietet das Konzept spannende Möglichkeiten.
René Tuchscherer, Ausbilder am VW-Bildungsinstitut in Zwickau, las Mitte 2015 zum ersten Mal von dem Open-Source-Roboter. Kurz darauf begann er im Institut, anhand der Anleitung einen Roboterarm zu bauen. „Mein Chef wurde darauf aufmerksam und wollte gerne den ganzen Roboter sehen“, erinnert sich Tuchscherer. Das war die Geburtsstunde des Projekts.
Maschine versus Mensch – muss nicht sein
Seit mehr als einem Jahr steht InMoov inzwischen den Fachinformatik-Auszubildenden am Bildungsinstitut als „Spielwiese“ zur Verfügung. Derzeit arbeiten die Azubis an der Sprachein- und -ausgabe, damit die Maschine bald selbstständig Unterhaltungen führen kann.
Der Zwickauer InMoov soll aber noch viel mehr können: Tuchscherer träumt von einem Roboter, der im Foyer des Bildungsinstitutes Gäste empfängt. Er soll die Gesichter der Hereinkommenden wiedererkennen und sie individuell begrüßen. Potenziellen Datenschutzproblemen gilt es natürlich vorzubeugen: Bevor ein Gesicht abspeichert wird, muss der Betroffene der Aufnahme erstmal zustimmen.
Außerdem soll der Roboter sämtliche Lehrpläne kennen und auf technische Fragen nicht nur schneller, sondern auch verlässlicher als Menschen antworten können. Ähnlich wie Siri, Cortana und Co. kann InMoov bereits Rechenaufgaben lösen. Sein Vorteil erstreckt sich darüber hinaus auf das Erkennen und Einordnen vom Mimik und Gestik – und die entsprechende Reaktion darauf.
Die Informatik-Azubis arbeiten daran, dass das Programm lernt, den menschlichen Haltungsapparat in verschiedenen Situationen passend nachzuahmen, um sich möglichst natürlich zu bewegen. „Momentan kann er schon Stimmen von bis zu sechs Personen zuordnen“, sagt Tuchscherer. „Mit Kopf- und Augenbewegungen und einem Drehen des Torsos verfolgt er dann das Gespräch. Das ist ziemlich gruselig für Personen, die ihn zum ersten Mal erleben.“
Rückschläge und Fortschritte
Weil die Daten, die online für InMoov zu finden waren, nur für einen Torso gedacht waren, mussten vier damit beauftragte Maschinenbau-Studenten sich selbst um den Rest kümmern – der Roboter sollte in der Lage sein, sich im Bildungsinstitut alleine fortzubewegen. Die Studenten bauten deshalb ein Fahrgestell mit Rädern, die in alle Richtungen fahren können.
„Es war nicht einfach, die Räder zu montieren“, erklärt sich der 22 Jahre alte Student Lukas Sieb. „Und die 3D-Druckqualität war nicht immer gut genug. Theoretisch hätten die Einzelteile perfekt zusammenpassen müssen, aber tatsächlich war das nicht so.“ Oft mangelte es einzelnen Teilen an Stabilität. „Wir haben dann so lange mit der Fülldichte des 3D-Druckers herumexperimentiert, bis es gepasst hat“, erinnert sich Sieb.
Dann fiel plötzlich ein Arm ab. „Da war dann unsere Arbeit von drei, vier Tagen dahin“, erzählt Siebs Kommilitone Markus Störzel. Das Zusammenbauen sei zwar beim zweiten Mal schneller gelungen – aber die Druckzeiten ließen sich nicht beschleunigen. „Das Drucken hat sehr lange gedauert, bei einigen Teilen sogar bis zu zwei Tage.“
Zurück in die Zukunft
Auch Raphael Roch hat an dem Projekt mitgearbeitet. „Ich glaube, dass auf dem Gebiet in nicht allzu ferner Zukunft noch wahnsinnig viel Neues auf uns zukommt. Da muss man sich nur mal die aktuellen Entwicklungen im autonomen Fahren anschauen.“ InMoov, sagt der 23 Jahre alte Student, habe Funktionen, von denen manch ein Visionär vor 40 Jahren vielleicht geträumt habe, die aber erst seit kurzem möglich seien. Das schaffe auch für die Industrie ganz neue Möglichkeiten.
Noch aber stehen Mensch und Maschine zur Sicherheit deutlich getrennt voneinander. „Mit intelligenten Robotern, die beispielsweise auch sehen können, wo jemand steht, wäre das kein Problem mehr. Dann könnte man Platz viel effektiver nutzen.“
Das sehen auch Industrievertreter so. Im Auftrag von VW soll das Zwickauer Bildungsinstitut einen weiteren InMoov bauen. Der Konzern spielt mit dem Gedanken, Gäste seiner gläsernen Manufaktur in Dresden von humanoiden Robotern empfangen zu lassen. Um dort zum Einsatz zu kommen, muss sich der Zwickauer InMoov allerdings erst gegen einen neu eingekauften Konkurrenten durchsetzen.