Warum es in Deutschland zu viele Krankenhäuser gibt
Die bloße Anzahl an Krankenhäusern garantiert noch keine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für Patientinnen und Patienten. Das oberste Ziel sollte nicht die Prämisse sein „viel hilft viel“.
Stünden uns unbegrenzt finanzielle Mittel und erfahrenes Personal zur Verfügung, so wäre dieser Kommentar hinfällig und jedes Krankenhaus könnte erhalten bleiben. Doch das geht nicht.
1. Es braucht dringend einen Paradigmenwechsel
Als Gesundheitsökonom vertrete ich die These, dass Deutschland immer noch eine Überkapazität an Krankenhäusern hat und wir für die Zukunft eine umfassende Reform der stationären medizinischen Versorgung brauchen.
Zwischen den Jahren 2000 und 2017 sank die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland von 2.242 auf 1.942 Kliniken. Die flächendeckende Gesundheitsversorgung hat sich indes gar nicht verschlechtert. Wie kann das sein?
Wird ein Krankenhaus geschlossen, stehen insbesondere die kommunale Politik und die Gesundheitsökonomie im Kreuzfeuer der Kritik. Diese „unsägliche Ökonomisierung der Gesundheit“, wie es oft heißt, sei „unmoralisch“ und die regionale stationäre Gesundheitsversorgung werde gefährdet. Krankenkassen argumentieren, dass jede vierte Klinik überflüssig sei und die Zeichen der Zeit klar auf Spezialisierung und Zentralisierung wiesen. Demgegenüber befürchtet die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), dass ein solche Entwicklung auf Kosten einer wohnortnahen Versorgung ginge und Investitionen in Milliardenhöhe für den Ausbau zentraler Klinikkapazitäten notwendig mache.
Begrenzte finanzielle Ressourcen, komplexer werdende Krankheitsbilder, verbesserte Medizintechnik und steigende Ansprüche auf der Patientenseite machen eine Spezialisierung, Kompetenzbündelung und Vernetzung zwingend erforderlich. Dazu braucht es jedoch ein gesellschaftliches Umdenken. Die oberste Zielsetzung im Gesundheitswesen sollte zukünftig ausschließlich die bestmögliche Versorgungsqualität sein. Bisher lautet die Prämisse: Viel hilft viel. Kliniken erhalten, Arbeitsplätze erhalten, historisch gewachsene Strukturen erhalten.
2. Die Schließung oder Transformation von Klinikstandorten erfordert mutigen Entscheidungswillen und eine offene Kommunikation
Einige kleine kommunale Krankenhäuser verzeichnen seit Jahren Verluste. Dazu kommt, dass sie in vielen Leistungsbereichen vergleichsweise geringe Fallzahlen aufweisen. Die daraus resultierende mangelnde medizinische Erfahrung hat nicht selten ein höheres Sterberisiko für Kranke zur Folge. Auch notwendige Finanzspritzen der öffentlichen Hand zur Sanierung maroder Bausubstanz oder zur Erneuerung veralteter Medizintechnik fallen aus (Stichwort: Investitionsstau). Und selbst wenn Mittel fließen, muss das aus systemischer, gesundheitsökonomischer Sicht noch lange nicht bedeuten, dass eine solche Entscheidung sinnvoll ist, da der Einsatz dieser Mittel an anderer Stelle in der stationärer Versorgung vielleicht einen wesentlich höheren Effekt hätte und nicht nur dem bloßen Erhalt des Status Quo diente.
Häufig fehlt ein ehrlicher Dialog mit Patientinnen und Patienten, Bürgerinnen und Bürgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Nicht immer muss gleich das ganze Krankenhaus geschlossen werden. So könnte die Lösung in viele Richtungen gehen: eine Verkleinerung, eine Umwandlung in ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), eine Ausweitung der Altersmedizin bei Schließung der Geburtsmedizin (Stichwort demografischer Wandel), eine Spezialisierung oder der Einbettung in ein Klinikverbund.
3. Die Vision einer zukunftsfähigen Krankenhauslandschaft
In
meiner Vorstellung von der Zukunft gibt es ein bundesweites Netz
großer und versorgungsstrategisch sinnvoll gelegener Kliniken, die
eine Maximal- und Schwerpunktversorgung bieten. Jedes dieser
Krankenhäuser ist mit der neuesten Medizintechnik ausgestattet,
viele Prozesse sind digitalisiert und es existiert eine exzellente
Vernetzung und Kommunikation mit Einweisern des ambulanten Sektors
und mit Rehabilitationseinrichtungen. Pflegekräfte werden, wo nötig,
durch die Möglichkeiten der Robotik unterstützt. Ein gut ausgebaute
Netz von Rettungsdiensten gewährleistet, dass im Notfall
Patientinnen und Patienten auch aus ländlichen Regionen schnell in
ein solches Krankenhaus transportiert werden können. Die
Finanzierung klinischer Leistungen orientiert sich nicht an Mengen,
sondern an der eindeutig definierten Versorgungsqualität. Das heißt,
die Vergütung durch die Kostenträger orientiert sich an einer hohen
Patientenzufriedenheit, niedriger ungeplanter Wiederaufnahmeraten,
Sterblichkeitsraten und Komplikationsraten und nicht etwa an der
bloßen Anzahl eingesetzter Hüftendoprothesen.
Mit dem
entsprechenden gesellschaftlichen Willen muss dieses Ziel keine ferne
Vision bleiben. Aber angesichts starrer Strukturen und falscher
Prioritätensetzung in unserem Gesundheitswesen erscheint eine
derartige Transformation tatsächlich einer Revolution zu gleichen.