Wie ein Asylsuchender aus Malawi versucht, einen Studienplatz in Deutschland zu bekommen
Manche müssen nicht darum kämpfen, Zugang zu Bildung zu erhalten. Sie haben einfach ein Recht darauf. Für einen Asylsuchenden ist es schwieriger, seine Bildungslaufbahn fortzusetzen. In diesem Beitrag erzähle ich, wie es mir dabei ergeht.
Was wolltest du werden, als du klein warst? Hat nicht jedes Kind eine Leidenschaft für irgendeinen Beruf, den es später unbedingt einmal ausüben will? Das Recht auf Bildung gehört zu den Grundbedürfnissen eines jeden Kindes. Ich erinnere mich, wie ich als Kind mit meinen Freunden spielte. Es waren die glücklichsten Tage meines Lebens, und ich denke ständig an sie zurück. Heute weiß ich aber, dass es nicht die unbeschwerten Tage waren, für die ich sie hielt. Wie würdest du dich fühlen, wenn du plötzlich bemerkst, dass das, was du immer für Freiheit gehalten hattest, gar keine war? Dass du ein Kind warst, das tut, was Kinder eben tun, aber dass du nicht die Freiheiten hattest, die andere Kinder haben? Du darfst nicht hingehen, wo du willst; du darfst keine eigenen Entscheidungen treffen. Dir fällt auf, dass es Träume gibt, die du nicht verwirklichen kannst – zum Beispiel in dem Land, das dir Asyl gewährt hat, einen höheren Bildungsabschluss zu machen. Und wenn du in diesem jungen Alter schon den Traum von einer beruflichen Laufbahn begräbst, der eigentlich dein Leben verändern sollte, woher willst du dann noch Hoffnung und Motivation nehmen?
April 2021
Freundschaft ist das Allerbeste. Sie kann so viel Gutes möglich machen. Ich erzähle euch jetzt von meinem Freund Daniel. Er kommt aus Deutschland. Im Jahr 2019 kam Daniel mit Freunden ins Lager Dzaleka auf Besuch. Wir lernten uns kennen und erzählten uns voneinander – wer wir sind, woher wir kommen und was wir vom Leben wollen.
Zu jener Zeit war mein Ziel, meine Studien in Sozialarbeit irgendwie zu beenden und dann anzufangen, als Sozialarbeiter das Leben meiner Familie und meiner Gemeinschaft greifbar zu verbessern. Ich bin auch Poet und leite ein kreatives Team im Camp. Zusammen mit Daniel haben wir einige Projekte aufgelegt – zum Beispiel die erste Fotoausstellung in Malawi, die ausschließlich Fotos zeigt, die von Geflüchteten angefertigt wurden. Das war in Lilongwe, der Hauptstadt Malawis.
Im April 2021 schickte Daniel mir einen Link mit Informationen zum Hilde-Domin-Programm des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD). Ich dachte: Das ist genau die Chance, die ich brauche! Gemeinsam verfassten wir eine Bewerbung und stellten alle notwendigen Unterlagen zusammen.
Mai 2021
Ich schicke die Bewerbung ab. Ich bin voller Hoffnung; meine Eltern beten für meinen Erfolg. Fast jeden Tag checke ich meine E-Mails, ob sie sich schon gemeldet haben, obwohl ich weiß, dass die Ergebnisse erst im Juli kommen sollen. Ich bin wie besessen und will diese Chance unbedingt bekommen. Ich kann meine Zukunft förmlich vor mir sehen. Plötzlich träume ich wieder in Farbe. Mein Ziel ist jetzt, einen Studienabschluss zu machen.
Ich will Sozialarbeiter werden. Ich hatte mich online an der Regis University eingeschrieben, auch ein Zertifikat erworben. Aber einen regulären Abschluss zu machen oder gar ein Stipendium zu erhalten, um dieses Ziel zu verfolgen, ist für mich hier in Malawi nahezu unmöglich. Warum? Als Asylsuchender aus der Demokratischen Republik Kongo ist es schwierig, an einer malawischen Universität zu studieren. Es gibt zwar Universitätsprogramme für Geflüchtete in Malawi. Aber mein Fall ist ein anderer. Ich bin immer noch „nur“ ein Asylsuchender. Mir wird erst dann Zugang zu diesen Programmen gewährt, wenn ich von der Regierung als Geflüchteter anerkannt bin. Meine Freunde kamen in den Genuss des Programms des World University Service of Canada (WUSC). Das Hilde-Domin-Stipendium steht denjenigen offen, die keinen Zugang zu diesen anderen Programmen haben. Das bedeutet, dass ich als Kandidat in Frage komme.
Juli 2021
Der Monat, auf den ich so lange gewartet habe, ist endlich da. Und es ist der Moment, in dem ich in Tränen der Enttäuschung ausbreche. Ich gelte nicht als qualifiziert für das Stipendium. Meine Bewerbung konnte nicht bearbeitet werden, da sie unvollständig war. Was hat gefehlt? Ich habe keinen Reisepass, und mir fehlen einige Sprachzertifikate. Mein Freund Daniel war ebenfalls enttäuscht. Er fragte mehrmals beim DAAD nach. Ihm wurde gesagt, dass mein Fall zur Kenntnis genommen wurde und ich es in der nächsten Runde noch einmal versuchen sollte.
Januar 2022
Es ist die Zeit im Jahr, zu der alle viel in der Landwirtschaft zu tun haben. Das heißt: Alle außer mir. Ich habe nichts anderes im Kopf, als an meiner Bewerbung zu arbeiten. Dieses Mal habe ich ein Sprachzertifikat erworben, nachdem ich online einen TOEFL-Test gemacht hatte. Als Asylsuchender kann ich jedoch kein Reisedokument bekommen, solange mein Stipendium nicht offiziell bestätigt ist. Also schicke ich wieder meine Unterlagen ohne Reisepass, nur dass diesmal die Verantwortlichen über meine Situation informiert sind. Ich bin sehr aufgeregt, als ich die Bewerbung noch einmal abschicke. Daniel auch. Es fällt eine Last von meinen Schultern, die ich so lange mit mir herumgetragen habe. Natürlich war der ganze Prozess überwältigend, denn ich habe Tag und Nacht an der Bewerbung gearbeitet, um die Frist nicht zu verpassen. Es war schon eine Leistung, die Bewerbung überhaupt noch einmal abgeschickt zu haben.
Juli 2022
Eins habe ich gelernt: Um als internationaler Studierender in Deutschland eine Universitätszulassung zu bekommen, muss man einen Sekundarschulabschluss vorweisen und mindestens ein Jahr lang an einer regulären Hochschule im Herkunftsland (oder in meinem Fall: Asylland) studiert haben. Ich besitze das malawische Schulabschlusszeugnis MSCE. Die erste Anforderung erfülle ich also. Trotzdem bekam ich auch diesmal eine Absage. Die Begründung: Mein Online-Diplom konnte in Deutschland nicht als Nachweis eines Hochschulbesuchs anerkannt werden. Digitale Bildung scheint dort nicht als gleichwertig zu gelten.
Also habe ich das Stipendium zum zweiten Mal verpasst. Der einzige Weg für mich, in Deutschland studieren zu können, führt über die Universität von Malawi. Wie aber stehen meine Chancen, als Asylsuchender zur Universität von Malawi zugelassen zu werden? Wenn ich den Status eines Geflüchteten bekomme, den ich in Malawi beantragt habe, werde ich auf jeden Fall dort studieren können. Aber auch nur dann.
Februar 2023
Ich hänge im Nirgendwo zwischen einem Studium in Malawi und dem Hilde-Domin-Stipendium des DAAD. Meine Möglichkeiten sind begrenzt, und ich fühle mich hilflos. Viele Freundinnen und Freunde unterstützen mich und tragen meinen Fall der Universitätsleitung vor, um eine Ausnahme zu erwirken. Wenn ich zur Universität von Malawi zugelassen werde, steigen meine Chancen auf das Stipendium. Mit 26 Jahren wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass meine Träume wahr werden. Andere träumen in dem Alter vielleicht davon, ein Haus oder ein Auto zu kaufen oder um die Welt zu reisen. Ich träume davon, einen Universitätsabschluss zu machen.
(Übersetzung von Bianca Walther, hier das englische Original dieses Beitrags)