Spielen lernen
Spiel und Arbeit gehören nicht zusammen. Oder doch? Eine neue Wissenschaft will zeigen, wie die Verbindung aus beiden Bereichen Vorteile für alle bietet, die sich trauen, ihr Inneres Kind nach außen zu tragen.
Dass Spielen viel mehr sein kann, als nur Fußball spielen, Bauklötze stapeln und Puppen frisieren, ist bekannt. Dass Spielen für die Persönlichkeitsentwicklung und Kompetenzförderung von Kindern unentbehrlich ist, ist ebenfalls nichts Neues. Und dass nicht nur Kinder spielen, sondern auch Erwachsene den Spieltrieb verspüren und ihm in Vereinen, an Fasching, während Feierlichkeiten oder zu ganz anderen Gelegenheiten nachgehen, überrascht auch niemanden mehr.
Neben Jugendlichen machen mittlerweile Erwachsene einen signifikant großen Teil des Kund*innenstamms in der Spielindustrie im Bereich der Videogames aus. Viele Unternehmen haben sich auf Spiele für Volljährige spezialisiert. „Menschen hören nicht auf zu spielen, weil sie alt werden. Sie werden alt, weil sie aufhören zu spielen.“ So fasste es der Schriftsteller Oliver Wendell Holmes zusammen.
Aber dass es seit den 1990er Jahren sogar eine Wissenschaft vom Spiel gibt, das dürfte vielen unbekannt sein. Ludologie: zusammengesetzt aus dem lateinischen Wort „ludus“, das Spiel, und dem griechischen Begriff „logos“, die Lehre. Im Amerikanischen wird Ludologie eingegrenzt und nur für das digitale Spielen, das „Gaming“, verwendet. Andernorts ist die Definition weiter gefasst.
Nicht nur Spiel, sondern Wettstreit
Die Ludologie steckt als eigenständige Wissenschaft mit ihren dreißig Jahren tatsächlich noch in den Kinderschuhen, kann aber schon an diversen Universitäten, wie an der SRH Berlin University of Applied Sciences, studiert werden. Sie ist transdisziplinär ausgerichtet. Mehrere Fachbereiche aus dem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Raum wurden vernetzt, um gemeinsam Feldforschung zu betreiben.
Obwohl die Wissenschaft vom Spielen noch taufrisch ist, hat sie bereits unter Wissenschaftler*innen für Streit gesorgt. Neben der Ludologie gibt es die Narratologie, eine Disziplin, die sich mit dem Erzählen beschäftigt. Beide Bereiche sind nun aneinandergeraten.
Für Ludolog*innen ist das Spiel eine Gesamtheit aus Regelwerk und Spielwelt beziehungsweise System und Gameplay, was sich auf das Geschehen während des Spielens konzentriert.
Für Narratolog*innen, die zur Literaturwissenschaft gehören, sind Spiele eine Form des Erzählens: eine Art Theater oder Film, den man beeinflussen, mit dem man interagieren kann. Aus diesen beiden Perspektiven ist ein Wettstreit über die Deutungshoheit von „Spiel“ entstanden. Momentan liegt die Definition der Ludologie vorne.
Ludologie will die Funktion des Spielens erforschen, sie auf andere, “fremde“ Bereiche übertragen und neue Anwendungen für sie finden. Überall, wo Menschen sind, sollen die Prinzipien des Spiels angewandt beziehungsweise übertragen werden können. Eine Erkenntnis der Wissenschaft des Spiels: Entstehende Freude und Spaß können Handlungen effizienter und Menschen gesünder machen. Der Psychoanalytiker Sigmund Freud merkte an: „Wer das Seelenleben des Menschen kennt, der weiß, dass ihm kaum etwas anderes so schwer wird, wie der Verzicht auf einmal gekannte Lust.“ Ludolog*innen arbeiten daran, den Spielecharakter für alle Menschen in allen Lebenslagen zu etablieren und so die Freude daran zu teilen.
Spielerisch wirtschaften
Das Institut für Ludologie an der SRH Berlin etablierte das Forschungsprojekt „LudoLeist“, dessen Ziel es ist, Konzepte und Methoden zu entwickeln, die spielerische Handlungs- und Wirkungsweisen in Unternehmen einbringen. Und was sollen Unternehmer*innen von Spielen und Spielentwickler*innen lernen können?
Konkrete Ergebnisse gibt es hierzu noch keine – gut Ding will Weile haben. Eine spielerische Methode, die sich seit den 2000er Jahren stetig verbreitet, ist die „Gamification“, im Deutschen auch Gamifizierung genannt. Ihr zufolge werden typische Elemente und Prozesse digitalen Spielens in eine neue Umgebung, oftmals auf die Lern- oder Arbeitswelt, übertragen. Motivation und Interesse sollen durch in Aussicht gestellte Belohnungen und gesteigertes Spaßempfinden gestärkt werden. So wie bei der App Duolingo, mit der Sprachen spielerisch erlernt werden können. Sie bedient sich bekannter Methoden wie dem Memory Spiel oder dem Sammeln von Experience Points (XP). Auch die Deutsche Bahn nutzt Spielmethoden, indem sie ein “ICE Race“ erfand, bei dem Spieler*innen einen digitalen ICE lenken und durch Sammeln von Icons nicht nur digitale Gewinne einheimsen können.
In diesem Sinne: Spielt doch einfach mal Verstecken an eurem Arbeitsplatz! Es macht Spaß, es verbindet, es ist ein Nervenkitzel und man hat vielleicht sogar Ruhe vor Chef oder Chefin. Und wem das nicht ausreicht, der oder die kann auch mal auf einem der nach und nach aufkommenden Erwachsenenspielplätze sein inneres Kind herauslassen. Klettern, Springen, Hüpfen, Fangen spielen mit Lasertag oder Paintball, Bällebaden… Dem Spielspaß sind keine Grenzen gesetzt! Einzige Voraussetzung: Alle haben Freude daran.
Einige Startups im IT-Bereich hatten früher Kicker in der Teeküche. Wie sinnvoll das ist, muss jeder für sich entscheiden. Ist ja auch laut.