Passt noch immer in die Zeit
Postkarten? Sind als Kommunikationsmittel doch total überholt, oder? Schließlich verändert sich unsere Kommunikation ständig. Ich will darauf trotzdem nicht verzichten.
Meine beste Freundin schickt mir jedes Jahr eine Postkarte aus dem Urlaub. Als wir elf Jahre alt waren, hat sie damit angefangen. Ihre erste Karte kam von Rügen. Ich habe sie bis heute behalten. Jede ihrer Postkarten habe ich aufgehoben. Ein paar sind im Keller meiner Eltern, die aktuellste aus Lanzarote steht bei mir auf dem Schreibtisch. Auf der Postkarte sind Strand, Palmen und ein Sonnenuntergang zu sehen. Es sieht aus wie ein Paradies. Ein Paradies, wo man sich im kalten Winter gerne mal hinträumt. Ich freue mich jedes Mal über ihre Postkarte und genieße die Tradition, die wir vor über zehn Jahren begonnen haben. Auch ich schreibe ihr Karten. Für mich ist es ein Zeichen, dass man an den anderen denkt. Es ist eine kleine Aufmerksamkeit, über die ich mich immer noch genauso freue wie damals als Kind.
Mindestens eine solche Postkarte bekomme ich jedes Jahr, Briefe hingegen empfange ich nur selten. Und wenn, dann sind das Briefe von der Krankenversicherung oder vom Arzt. Einen handgeschriebenen Brief von einer Bekannten oder von einer Freundin habe ich tatsächlich noch nie bekommen.
Laut der Bundesnetzagentur liegt das auch an der Digitalisierung. Dadurch werden in Deutschland immer weniger Briefe versendet. Meine Krankenversicherung nutzt mittlerweile auch eine App, über die sie mit mir kommuniziert, und meine Freund:innen erreiche ich über WhatsApp. Briefe sind da überflüssig geworden. Das zeigt mehr als deutlich: Kommunikation ist im ständigen, manchmal radikalen Wandel. Von der Steinzeit, in der unsere Vorfahren mit Hilfe von Bildern in Höhlen untereinander in Verbindung standen, bis in die heutige Zeit, in der das Internet unsere Kommunikation revolutioniert hat.
Viele wollen in diesem Wandel etwas Schlechtes erkennen. Dabei hat das Internet dafür gesorgt, dass wir uns mit fast jedem Menschen überall auf der Welt austauschen können. Vor allem Social Media hat dazu beigetragen, dass die Benutzer:innen durch Kommentare und Bewertungen direkt und zeitnah miteinander interagieren können! Konsument:innen können Inhalte mit anderen teilen und dadurch selber Sender:innen unterschiedlichster Botschaften werden.
Instagram und die perfekte Welt
Wenn meine Freundin mir eine Postkarte schickt, dann ist eindeutig, wer Sender:in und wer Empfänger:in ist. Genau diese eine Postkarte wird auf den Weg gebracht, weil sie ausschließlich mich erreichen soll. Das Internet ändert das. Wenn meine Freundin auf Instagram einen Urlaubspost teilt, dann kann ich zur Senderin werden, indem ich ihren Urlaubspost zum Beispiel in meiner Instagram-Story teile. Durch solche Aktionen bekommen wir live mit, was unsere Freund:innen und deren Bekannte so machen.
Social Media-Plattformen wie Instagram sind aber nicht nur dazu da, um den Austausch mit anderen zu suchen. Instagram lädt dazu ein, sich selber darzustellen. Die Welt – oder zumindestens der eigene Bekanntenkreis – soll mitbekommen, wenn man gerade besonders gut aussieht oder etwas Leckeres gekocht hat. Nur selten wird die ungeschönte Wahrheit einer nicht immer entgegenkommenden Realität gezeigt. Im Gegenteil: Es wird das kommuniziert, was besonders anziehend, besonders aufregend oder besonders erstrebenswert ist. So wird die vermeintlich perfekte Seite des eigenen Lebens zum Gesprächsthema.
Ein Brief braucht Zeit
Alte Kommunikationsmethoden wie Briefe und Postkarten haben im Gegensatz zu sozialen Medien einen Vorteil. In ihnen manifestiert sich die Gewissheit, dass sich die schreibende Person Zeit genommen hat. Sie hat sich hingesetzt, hat überlegt, was sie mitteilen möchte, hat eine Karte oder Briefpapier, eine Briefmarke und einen Briefumschlag gekauft, ist zur Post oder zum Briefkasten gegangen und hat ihre Zeilen abgeschickt. Dabei hätte die Person in 2024 längst eine Alternative gehabt: Nämlich einfach schnell eine kurze Nachricht in WhatsApp verfassen oder einen Instagram-Post absetzen. Das ist modern, alles andere doch veraltet und völlig überholt, oder? Heutzutage aber, wo es so viele Möglichkeiten gibt, um zu kommunizieren, ist die aufwendigere, langsame Kommunikation echtes Zeichen der Wertschätzung.
Einen Brief zu verfassen, bietet auch für die schreibende Person eine Besonderheit. Denn ein Brief verlangt, die eigenen Gedanken und Gefühle bewusst auszuformulieren. Während des Schreibens überdenkt man automatisch seine Emotionen. Denn Formulierungen zu löschen beziehungsweise zu streichen, ist hier eher unerwünscht, weil unschön.
Wenn meine beste Freundin mir also eine Postkarte schickt, dann ist das für mich etwas Besonderes. Vielleicht würden meine Urgroßeltern und Großeltern darüber lachen. Für sie war es schließlich ganz normal, Briefe und Postkarten zu allen möglichen Anlässen zu bekommen. Was die wohl zu Social Media sagen würden? Vielleicht wären sie überfordert, vielleicht aber auch begeistert, wie schnell und einfach man auf diese Weise in Kontakt bleiben kann. Zumindest, wenn man es will.
Finde es auch total schön, Postkarten und Briefe zu schreiben oder geschickt zu bekommen. Diese kleinen Aufmerksamkeiten versüßen den Alltag total – und das ist nun mal nicht so „normal“, wie eine WhatsApp zu bekommen. 🙂