Freud und Leid bei der Berufswahl
Erfolg im Beruf gibt es nicht umsonst: Du musst dir auch Gedanken darüber machen, was du willst und wie du hinkommst. In diesem Beitrag erzähle ich euch, wie ich meinen Traumberuf gefunden habe.
Wir alle haben unzählige Erinnerungen. Die wichtigsten Erinnerungen in unserem Leben beziehen sich aber wohl bei uns allen nicht nur auf Erlebnisse mit unseren Familien, sondern auch auf das, was wir in der Schule oder im Beruf erlebt haben.
Machst du dir jemals Gedanken darüber, wie dein Leben so verläuft? Wie war es bis hierhin? Welche Träume hattest du, als du klein warst? So viele von uns wollten früher einmal Ärzt_innen oder Pilot_innen werden. Aber ich glaube, wenn wir alle unsere Berufswünsche aus der Kindheit in die Tat umsetzen würden, hätten viele der weniger beliebten Berufszweige ein Problem. Reinigungsdienste zum Beispiel.
Für ein Kind ist es das Einfachste in der Welt, einen Beruf zu wählen. Man nimmt einfach einen Beruf, von dem man schon einmal gehört hat, oder den Beruf der Eltern, oder einen, den man aus dem Fernsehen kennt. Das Ärgerliche ist: Je weiter man in der Schule kommt, umso komplexer wird die Entscheidungsfindung. Mit diesem Beitrag will ich uns alle daran erinnern, wie das damals in der Schule war. Ich erzähle euch, wie meine Bildungslaufbahn verlaufen ist und wie ich in meinem gegenwärtigen Beruf gelandet bin.
Auf der Sekundarschule
Was vermisst ihr in eurer Bildungslaufbahn am meisten? Dort, wo ich herkomme, ist „High School“ die Bezeichnung für teure, schicke Privatschulen. Öffentliche weiterführende Schulen heißen „Secondary School“ – Sekundarschule. Ich ging auf eine solche Sekundarschule in einem ländlichen Gebiet. Ich weiß noch, wie das damals in meinem achten Schuljahr war. Das ist bei uns das letzte Jahr der Primarschule, und in Malawi bereiten wir uns da auf die Sekundarschule vor. Davon gab es bei uns genau eine. Und nur die Abschlussnoten im letzten Primarschuljahr entscheiden darüber, ob du die Sekundarschule besuchen darfst oder nicht.
Ich hatte immer davon geträumt, einer von diesen Star-Schülern zu werden, wie man in sie den High- School-Movies sah, die bei uns im Fernsehen liefen. Als Sekundarschüler würde ich mich ganz anders in die Community in Dzaleka einbringen können. Das hat mich motiviert, in der Schule alles zu geben. Und was soll ich sagen? Es hat geklappt! Ich bekam einen Platz auf der Sekundarschule und wurde einer der bekanntesten Poeten und Performer der Schule.
Die zwei Monate zwischen der Bewerbung und dem Beginn des Schuljahrs fühlten sich aber wie ein ganzes Jahr an. Ich konnte es gar nicht erwarten, endlich die Schuluniform aus weißem Hemd und schwarzer Hose tragen zu dürfen. Eine Sache, die ich aber im Leben gelernt habe, ist, dass die Zeit gar nicht voranschreiben will, wenn man zu sehnlich auf etwas wartet. Es dauert eben so lange, wie es dauert. An meinem ersten Schultag wurde ich von zwei Mitschülern angesprochen, etwas älter als ich selbst. Sie stellten sich als Schulpräfekten vor und sagten, ich solle mein Hemd in die Hose stecken. Ich tat, was mir gesagt wurde. Später erfuhr ich, dass Schulpräfekten Schüler_innen sind, die für verschiedene Bereiche zuständig sind. Den Entertainment-Präfekt mochte ich am liebsten. Er war verantwortlich für außerschulische Aktivitäten, zum Beispiel Talentshows und soziale Projekttage. Drei Jahre später, nachdem meine Auftritte einigen Erfolg an der Schule gehabt hatten, wurde ich selbst Entertainment-Präfekt. Ich weiß noch, wie ich meine erste Talentshow organisierte. Die Logistik und die Performances waren erstklassig. Und ich erinnere mich, wie ich selbst die Bühne betrat, mit meinem beliebtesten Gedicht, das den Titel „Kiss Me Again“ trug. Das Publikum sollte es mitsprechen. Danach kannte mich an der Schule wirklich jeder.
Die Wahl des Berufs
Ich kam 2011 in Malawi an. Damals war ich 14 Jahre alt. An der Schule stieg ich in die achte Klasse ein. Das Bildungssystem in Malawi unterscheidet sich von dem in der Demokratischen Republik Kongo, aus der ich geflohen war. In der DR Kongo sucht man sich einen Beruf aus, die Behörden genehmigen die Wahl, und dann beginnt die berufliche Ausbildung. „Troisième humanité“ nennt sich dieses Stadium. In Malawi ist es anders. Man kann sich für die landesweiten Schulabschlussprüfungen zwar sechs Fächer aussuchen, aber keins von ihnen bereitet dich auf einen bestimmten Beruf vor.
Als ich noch in der Sekundarschule war, wollte ich Jura studieren. Daraus wurde aber nichts. In Malawi werden Geflüchtete nicht zu staatlichen Universitäten zugelassen. Also wurde ich Sozialarbeiter. Es war die einzige Wahl, die ich hatte. Durch das Online-Programm von Jesuit Worldwide Learning konnte ich die Zulassung an der Regis University in Denver im US-Bundesstaat Colorado erwerben. Dort habe ich in einem Fernstudium Soziale Arbeit studiert. Als Fernstudent lernt man zwar, unabhängig zu arbeiten, aber die direkte soziale Interaktion fehlt. Dadurch ist man gezwungen, sich vieles selbst zu erarbeiten und viele Probleme selbst zu lösen. Vieles musste ich auch erklären. Zum Beispiel habe ich einige Fristen verpasst, weil ich kein stabiles Internet hatte und nur schwer auf Online-Bibliotheken zugreifen konnte.
Bei der Berufswahl kann viel passieren. Das Gute ist, dass ich mich – obwohl ich damals in der Sekundarschule unbedingt Jurist werden wollte – in die humanitäre Arbeit verliebt habe und es überhaupt nicht mehr bedaure, dass ich nicht Jura studieren konnte.
(The English translation of this article can be found here./ Die englische Versions des Artikels gibt es hier.)