X Icon Facebook Icon

DebatteMit Rechtsextremen reden?

Von Anton Hartmann / 20. Dezember 2024
picture alliance / Westend61 | Gary Waters

Es gibt immer mehr Rechtsextreme in Deutschland. Sie bedrohen unsere Demokratie. Politik, Medien und Gesellschaft müssen sich entscheiden, wie sie damit umgehen.

Alle Jahre wieder kommen zum Ende des Jahres Millionen Familien zusammen, um Weihnachten zu feiern. Wenn aber Politik zur Sprache gebracht wird, ist es mit der Besinnlichkeit manchmal schnell vorbei. Besonders dann, wenn man auf die AfD, eine Partei, die vom Verfassungsschutz in drei Bundesländern als gesichert rechtsextrem und bundesweit als Verdachtsfall eingestuft wird, zu sprechen kommt.

Die Partei wurde 2013 als Anti-Euro-Partei gegründet. Ihre Zustimmungswerte steigen aber vor allem seit 2015, als viele Syrer:innen nach Deutschland flüchteten. Die AfD kann seither bei einem Teil der deutschen Bevölkerung besonders mit fremdenfeindlichen Aussagen punkten. Auch ein Großteil des Personals hat seit der Gründung die Partei verlassen, radikalere Kräfte kamen nach. Der Verfassungsschutz beobachtete die Partei und ihre Akteure und stufte sie schließlich als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Neben der AfD gibt es in Deutschland auch noch viele weitere rechtsextreme Gruppierungen. Diese sind allerdings zu klein, um die Demokratie von innen heraus stürzen zu können, was sie aber in den Augen vieler Bürger:innen nicht weniger verfassungsfeindlich macht. Das Ziel der deutschen Inlandsgeheimdienste besteht darin, die Stabilität der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Land zu gewährleisten. Dabei geht es nicht nur um einzelne Gesetze, sondern vor allem um grundlegende Werte und Prinzipien. Dazu zählen laut Bundesverfassungsschutzgesetz unter anderem die im Grundgesetz verankerten Menschenrechte, das Recht des Volkes auf freie und faire Wahlen, die Unabhängigkeit der Justiz sowie der Schutz vor Gewalt- und Willkürherrschaft.

Nach Schätzungen des Verfassungsschutzes aus dem Jahre 2023 gelten in Deutschland derzeit etwa 40.000 Menschen als rechtsextrem, wovon rund 14.500 als gewaltorientiert eingestuft werden. Das sind fast 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein Grund für den starken Anstieg rechtsextremer Stimmen liegt darin, dass der Verfassungsschutz erstmals auch Angehörige der AfD berücksichtigt. Nach Einschätzung des Bundesamtes sind etwa 10.200 Mitglieder der Partei sowie ihrer Jugendorganisation Junge Alternative extremistischen Strömungen zuzurechnen. Der Verfassungsschutz stellt im selben Bericht eine erhebliche Zunahme rechtsextremer Straftaten fest – rund 35.500 im Jahr 2023. Diese Ergebnisse passen auch zu den derzeitigen Wahlumfragen. Laut „Sonntagsfrage“ erreicht die AfD fast 20 Prozent der Stimmen. Damit wäre sie aktuell bei den Bundestagswahlen die zweitstärkste Kraft. 52 Prozent der AfD-Wähler:innen gaben an, ihre Entscheidung aus Überzeugung getroffen zu haben, während 42 Prozent angaben, aus Enttäuschung über andere Parteien gewählt zu haben. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass mehr als die Hälfte der AfD-Wählerschaft selbst rechtsextrem ist. Die meisten würden sich nicht als solche einordnen – selbst dann nicht, wenn sie rechtsextreme Positionen vertreten.

In Belgien existiert eine mediale Brandmauer

Ein Mann, der aus der Partei besonders heraussticht, ist Björn Höcke. Erst kürzlich war er Spitzenkandidat für die AfD bei den Landtagswahlen in Thüringen. An dem TV-Duell zwischen Mario Voigt (CDU) und Björn Höcke (AfD) bei WELT TV gab es viel Kritik von Zivilgesellschaft und Politik: Höcke habe den Abend genutzt, um Falschaussagen zu verbreiten, hieß es. Die unredigierte Live-Situation werde für Populismus genutzt, denn für Live-Faktenchecks fehlten die Mittel, so die Kritiker. Ein TV-Duell zwischen Höcke und Voigt wäre in Südbelgien so nicht möglich gewesen. Unsere Nachbar:innen haben in der wallonischen Region Belgiens das Konzept des „Cordon Sanitaire Mediathique“ entworfen, einer medialen Brandmauer. Gemäß diesem Prinzip dürfen von verfassungsfeindliche Gruppen, wie etwa rechtsextreme Organisationen, keine direkten Interviews erscheinen. Sie werden stattdessen im Kontext zitiert oder inhaltlich zusammengefasst. Diese Maßnahme entstand als Reaktion auf den wachsenden Einfluss des rechtsextremen Vlaams Blok (deutsch: Flämische Interessen) in Flandern, einer Partei, die später wegen Verstößen gegen antirassistische Gesetze verboten wurde. Das Konzept des Cordon Sanitaire wurde durch eine freiwillige Übereinkunft der Medienhäuser in den 90er-Jahren ins Leben gerufen. Im Jahr 1999 bestätigte der Belgische Staatsrat nach rechtlichen Auseinandersetzungen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk das Recht hat, undemokratischen Parteien den Zugang zu verwehren. Auch die meisten kommerziellen Sender und Printmedien in Wallonien folgen weiterhin diesen Prinzipien. Das bedeutet jedoch nicht, dass wallonische Journalist:innen nie mit Rechtsextremen sprechen. Sie zitieren sie aber nur dann, wenn die Aussagen im Kontext eingeordnet und antidemokratische Inhalte klar als solche gekennzeichnet werden. So werden beispielsweise Reden rechtsradikaler Politiker:innen nicht live übertragen, sondern von Reporter:innen zusammenfassend dargestellt. Durch dieses Konzept lässt man keine ungeprüften Aussagen zu und behält die Kontrolle über die Berichterstattung. Einen Rechtsruck, wie er sonst auch in vielen anderen europäischen Ländern zu beobachten ist, konnte damit bis jetzt verhindert werden, sind die verantwortlichen Pressevertreter:innen überzeugt.

Die Partei verbieten

Ein demokratisches Mittel, rechtsextreme Meinungen zu untersagen, gibt es auch in Deutschland: ein Parteiverbotsverfahren nach Art. 21, Absatz 2 des Grundgesetzes. Im Falle der AfD, die Rechtsextreme in ihren Reihen duldet, könnte das immer wieder diskutierte Parteiverbot nun tatsächlich bald auf den Weg gebracht werden. Wenn die Partei in der Form nicht mehr existieren würde, könnten, so die Hoffnung insbesondere politischer Widersacher:innen, auch die rechtsextremen Meinungen schwinden. Sicher ist das aber natürlich nicht.



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Ähnlicher Beitrag
Neues Thema
Meist kommentierter Artikel
Nach oben