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Alles ganz normal

Von Nadine Tannreuther / 14. Oktober 2018
Foto: Yasar Honneth

Für viele sind Transvestiten sexuelle Grenzgänger. Für Manuela Mock steht dagegen die Lust an der Verkleidung im Vordergrund. Und der sind fast keine Grenzen gesetzt.

Bei Transnormal im Gutleuteviertel, im Herzen Frankfurts (Main), findet ein besonderes männliches Publikum seit fast 20 Jahren eine wahrhaft einzigartige Auswahl an Kleidern, Blusen, Röcken, Schuhen, Perücken, Dessous, Strümpfen und Strumpfhosen. Um Frauenkörpern ähnlicher zu werden gibt es dazu stramm sitzende Taillenmiedern, geschnürte Korsagen, Silikonbrüste und passendes Make-up.

Gemütlich mit Couch, Bar, Ankleidezimmer und Schminktisch ist der kleine Laden voller Unikate, so wie die Besitzerin Manuela Mock selbst eines darstellt. Sie ist um die 50, trägt blond toupierte Haare und ist ein echtes Frankfurter Urgestein. Berühmtheiten wie Schauspielerin Ingrid Steeger oder Eva Jacob von den Jacob Sisters und Wim Wenders grüßen in Form von Fotos von den Wänden, dazu trällert Musik der 20er Jahre.

Wer hinein will, muss klingeln. Hier ist man von der Außenwelt abgeschirmt, Gäste sind geschützt und nur wer möchte, setzt sich in Stöckelschuhen oder Ballerinas vor die Tür – ganz nach Geschmack.

Sagwas: Der Laden trägt den Beinamen: Damenboutique für Herren. Was genau ist damit gemeint?

Manuela Mock: Zu mir kommen Männer, die eine Zeit lang gerne Frauen sein möchten. Einfach so. Hier bei Transnormal ist das ganz normal. Sie kommen zu Besuch als Gast, als Kunde und gehen dann als Kundin, als Gästin wieder. Ich mache sie zur Frau.

Wie muss man sich das vorstellen: Was kann Mann hier erleben?

Die weibliche Seite. Anziehen können sich meine Gäste alleine, sie sind alle erwachsen. Ich lege ihnen Sachen bereit, erkläre, wie man diese anzieht und dann bekommen sie Corsagen, Silikonprothesen und schöne, bequeme Schuhe. Wer es bisschen höher mag, der darf auch Herumstöckeln. Manche können laufen, manche nicht und hier lernt man es. Hier lernt die weibliche Seite des Mannes Laufen. Hier kriegt sie Beine gemacht.

Wie bist Du in Kontakt zu Transvestiten gekommen?

Mit 15 Jahren bin ich nach Frankfurt gekommen und war auf mich allein gestellt. Eines lauen Sommerabends ging ich mit einer Clique von Rockern in die Disco. In dem Schuppen war es heiß und voll, sodass ich in Ohnmacht sank und die Jungs mich raustragen mussten. Sie trugen mich zur Erholung in einen nahe gelegenen, schicken kleinen Laden. Es war ein Travestie-Cabaret. Damals wusste ich nicht, dass es sich um Männer handelt, die als Frauen verkleidet waren. Ich dachte, dass sind alles tolle Sängerinnen und Tänzerinnen. Ich war derart begeistert! Als ich dann auch noch erfuhr, dass dies alles Männer sind, war es um mich geschehen.

Und woher stammt die Idee zum Laden?

Ich habe die Schule abgebrochen und angefangen, im Travestie-Cabaret zu arbeiten. Ich arbeitete an der Bar, im Service an den Tischen und als Sängerin auf der Bühne mit meiner kleinen Stimme, mehr jedoch im Chanson. Seitdem habe ich mit Transvestiten zu tun, aber auch mit Ihren Problemen. Um dem Ganzen einen Rahmen und ein schönes Zuhause zu geben, habe ich diesen Laden aufgemacht, wo sie ihre Ruhe haben. Und wer die Ruhe nicht will, der kann auch rausgehen, der kann Party machen oder wir gehen zusammen shoppen oder essen.

Für viele hat das Spiel mit der Verkleidung als anderes Geschlecht auch eine sexuelle Komponente. Wie zeigt sich das hier?

Als ich hier das erste Mal aufgemacht habe, das war ein Samstag, da klingelte es auch direkt. Es kam jemand und hat gesagt, er wäre gerne ein Dienstmädchen. Daraufhin sagte ich: Da sind Sie hier vollkommen verkehrt! Dann habe ich ihn überreden können, einfach ein alltägliches Outfit anzuziehen und das hat ihm auch sehr gut gefallen. Die Sexualität ist hier zunächst ausgelagert, weil in erster Linie der Mensch interessant ist. Der Grund, warum jemand hierher kommt, ist die Verwandlung vom Mann zur Frau. Wenn Sexualität statt findet, dann in den Gedanken der jeweiligen Personen. Was die tun oder lassen, wo sie hingehen, das weiß ich nicht, darüber unterhalte ich mich kaum mit den Leuten. Ich finde es natürlich interessant, wenn die Kunden erzählen, was sie machen. Dann frage ich schonmal, wo sie sich Kleidung angefertigt haben lassen, was sie damit vorhaben, wo sie sie tragen oder warum. Lustige Geschichten lasse ich mir immer gerne erzählen.

Wird das Thema Sexualität im Laden auch in Zukunft ausgeklammert?

Geplant ist, dass ich nun auch Fetischisten empfange. Zu speziellen feinen Partys, z.B. eine Schuhparty, Bondage-Show oder Zauberer. Ich habe vor, die erotische Seite ins Transnormal zu integrieren, mit Humor, leckeren Häppchen, Wein und Schampus. Mit Interviewpartnern auf der Bühne, Transvestiten, die das beruflich machen, Sexarbeiter und so weiter… Erotik gemischt mit Kleinkunst und Musik. Um der normalen Bürgerschicht zu zeigen, dass alle Menschen sind, egal, was sie machen.

(c) aller Fotos: Nadine Tannreuther

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