„Arbeit muss einen erfüllen“
Interviewreihe zum Thema Arbeit, Teil 3: Jan Mücher studiert seit 2015 in Göttingen Psychologie auf Bachelor. Angst vor der Arbeitslosigkeit hat er keine. Denn der 19-Jährige hat einen Plan.
Sagwas.net: Andere Leute würden in deiner Studienwahl eine Art brotlose Kunst sehen. Warum du nicht?
Jan Mücher: Mich hat immer schon interessiert, warum sich Menschen wie verhalten und die Welt erleben. Psychologie ist die Wissenschaft, die versucht, auf die Frage nach dem Erleben Antworten zu finden und Aussagen für das daraus resultierende Verhalten zu treffen. Außerdem kann man mit Psychologie alles machen. Man muss kein klassischer Therapeut werden. Andere Einsatzmöglichkeiten bieten sich in der Wirtschaft oder Kommunikationsbranche, im klinischen Bereich und der Forschung. Nachfrage gibt es genug. Und obwohl das Studium sehr theorielastig ist, hat man einen starken Praxisbezug.
Was schien dir wichtiger: Mit Menschen zu tun zu haben oder zwischen vielfältigen Arbeitsfeldern aussuchen zu können?
Beides hat eine Rolle gespielt. Aber letzteres hat sicher den Ausschlag gegeben, denn ich kam direkt aus der Schule mit 18 in die Uni und wollte mich noch nicht für mein Leben festlegen.
Arbeit verstehen viele aus der Not heraus in erster Linie als Erwerbsarbeit. Du auch?
Arbeit ist für mich zweidimensional. Sicherlich geht es um den materialistischen Aspekt, die Existenzsicherung: Man arbeitet, um möglichst sorgenfrei, ja angenehm leben zu können. Arbeit muss einen auf Dauer aber auch postmateriell erfüllen. Das heißt, man sollte seine angelegten Fähigkeiten durch die Arbeit einsetzen oder gar perfektionieren können.
Das klingt für viele Arbeitnehmer nach einem eher unerreichbaren Traum.
Ich mache auch viel eher nebenher. Engagiere mich im Tierschutz, bin politisch aktiv. Ich glaube, jeder sehnt sich nach dem Gefühl, die Welt ein kleines Stückchen besser machen zu können. Und dafür braucht es dann eine entsprechende Arbeit oder zumindest genug Freizeit.
Menschen, die in Tätigkeitsbereichen aktiv sind, die wenig nachgefragt sind und damit finanziell wenig lukrativ, stecken in einem Dilemma. Was würdest du denen raten?
Das ist schwierig. Ich kann eigentlich nur für mich sprechen: Ich hätte mich in so einem Fall trotzdem für das entschieden, wovon ich mir am ehesten Zufriedenheit verspreche. Ich glaube, dass man seine Interessen, seine Leidenschaft, wenn diese wirklich ehrlich ist, nicht verbergen kann und damit dann hervorstechen kann und so auch Erfolg hat. Aber vorher steht die Aufopferung. Das mag naiv klingen. Doch ich glaube, dass man auf diese Weise auch über die Runden kommt.
Also liegt die Verantwortung bei jedem Einzelnen, ist Erfolg weniger Glückssache als vielmehr harte Arbeit?
Ich glaube, dass man etwas nur schaffen kann, wenn man es auch tatsächlich will.
Was ist mit den Unglücklichen, die all ihr Können investiert haben und dennoch nicht belohnt werden?
Das ist schlimm. (Überlegt) Denn ich bin überzeugt, dass sich Leistung lohnen sollte. Hier muss es staatliche Fördermaßnahmen geben. Damit gewisse gesellschaftliche Bereiche und Wissenschaften überleben können. Das gehört zu der Aufgabe einer guten Gesellschaft dazu, ein möglichst breites Angebot an verschiedenen Disziplinen zu erhalten, auch wenn die Nachfrage zeitweise sinkt.
Kommen wir zurück zu deiner persönlichen Position. In welche Richtung tendierst du: Freiberufler- oder Angestelltendasein?
Ich würde eher selbstständig arbeiten. Ich opfere mich gern für Überzeugungen auf, aber es müssen meine eigenen sein. In einem Angestelltenverhältnis müsste ich hinter Sachen stehen, die ich vielleicht nicht verteten kann und das würde sich nicht positiv auf meinen Arbeitseifer auswirken. Das heißt nicht, dass ich ein Angestelltenverhältnis, in dem ich frei arbeiten kann, ablehnen würde. Aber ich bezweifle, dass ich ein solches in der Zukunft so schnell finden werde.
Aber konkrete und auch kostspielige Wünsche lassen sich so vielleicht eher nicht verwirklichen.
Momentan arbeite oder spare ich auf nichts Konkretes hin. Ich lasse vieles auf mich zukommen und bin sowieso überrascht zu sehen, wie viele Türen sich immer wieder geöffnet haben. Mein grobes Ziel ist, später eine Familie zu haben und gerne auch ein Eigenheim. Aber ich will nicht durch Welt gehen und alles, was außerhalb dessen ist, aus dem Blickfeld lassen, sondern offen für Alternativen sein. Ich will in jedem Fall versuchen, Abweichungen von meinem Plan nicht zu schwer zu nehmen und optimistisch zu bleiben.