Das Roulette der Liebe?
Hier im Westen haben wir uns daran gewöhnt, freie Wahl bei der Partnersuche zu haben. Eine Wahl, die überfordern kann. In einigen Ländern Afrikas oder Südostasiens entscheiden die Eltern in Liebesdingen. Doch wo spielt der Zufall eine größere Rolle?
Auch wenn man es sich hierzulande schwer vorstellen mag, weltweit sind 50 Prozent aller Ehen arrangiert. Vor allem ein Land steht dabei ganz vorne: Indien. In dem Land mit mehr als einer Milliarde Einwohnern hat die Familie bei 90 Prozent aller Eheschließungen ein erhebliches Mitspracherecht.
Was das konkret heißt? Als Single-Inderin muss man damit rechnen, dass der eigene Vater persönliche Bilder und den Lebenslauf verlangt, um alles an potenzielle Interessenten weiterzugeben.
Doch selbst wenn der gesellschaftliche Druck in Ländern wie Indien hoch ist, besonders im traditionell geprägten ländlichen Raum: Arrangierte Ehen sind nicht mit einer Zwangsheirat zu verwechseln. So kann eine arrangierte Ehe auch der (kulturell geprägte) Wunsch des oder der Vermittelten selbst sein. In jüdisch-orthodoxen Kreisen ist es durchaus üblich, weil akzeptiert, dass die Eltern und professionelle Partnervermittler die Datingplanung übernehmen. Dem religiösen Verständnis nach entscheidet hier am Ende Gott und nicht der Zufall.
Warum Swipen bei Tinder kein Zufall ist
Ganz anders scheint es beim Online-Dating mit Tinder, Lovoo oder Parship zu sein. Aber was regiert hier den Liebesmarkt?
Wir swipen nach rechts und matchen mit etwas Glück mit Personen, die dann hoffentlich den eigenen Vorstellungen entsprechen. Zugegeben, so richtig zufällig ist diese Wahl am Ende nicht. Schließlich machen wir in der verschönerten Online-Dating-Welt bewusst öffentliche Angaben zur eigenen Person, die uns in ein positives Licht rücken, während im Hintergrund Algorithmen am Werk sind, die jeden Klick oder Swipe auswerten.
Datingplattformen geben nicht im Detail preis, wie ihre Algorithmen funktionieren. Allerdings wird vermutet, dass sie Stereotypen oder Ungleichgewichte verstärken. Weiße Menschen werden zum Beispiel mehr geliked und somit häufiger angezeigt. Auch Attraktivitätslevel wie der sogenannte ELO-Score können ermittelt werden. Eine Person mit vielen Likes und hoher Aktivität, bekommt ähnliche Kandidaten angezeigt. Obwohl Tinder angibt, den ELO-Score nicht mehr zu verwenden, unterscheidet sich Online-Dating letztlich nur wenig von personalisierten Werbeanzeigen.
Der Freundeskreis als Top 1-Partnerbörse
21 Prozent der Deutschen lernen Umfragen zufolge ihren Partner bzw. ihre Partnerin per Online-Dating kennen. Auf Platz 1 steht allerdings weiterhin der Freundeskreis. 28 Prozent finden hier ihren Schatz. Im realen Leben ist die Partnerwahl also eher kein reiner Zufall.
Vorteilhaft dabei ist, dass beim Gegenüber aus dem vertrauten sozialen Umfeld ähnliche Interessen und Eigenschaften wahrscheinlich sind und somit langfristige Partnerschaften möglich. Ja, es gibt diese Storys von Menschen, die sich in der Bahn oder im Flugzeug kennengelernt haben. Statistisch gesehen treffen immerhin ein Prozent der Menschen ihre große Liebe im Urlaub. Jedoch kommen solche weitreichenden Zufallsbegegnungen vergleichsweise selten vor.
Menschen wählen vor allem Personen als Partner bzw. Partnerin, mit denen sie Eigenheiten teilen. Ob soziales Umfeld, Religion oder Bildungshintergrund, auch so etwas Banales wie die räumliche Nähe sind nicht zu unterschätzen.
Ein bisschen Zufall bleibt dennoch
Ohne Zufall geht es dann aber doch nicht. Ob der Liebe noch ein Zauber innewohnt, wenn sie nicht einer so zufälligen wie romantischen Begegnung entspringt? Als glückliche Fügung gesehen wird schließlich gerade ein unerwartetes Treffen. Noch dramatischer stellt es sich dar, wenn Menschen sich für ihren Partner bzw. ihre Partnerin selbst gegen alle (inneren) Widerstände entscheiden, auch wenn die Wahl dann nicht unbedingt mit ihren ursprünglichen Idealvorstellungen eines Traumpartners bzw.- partnerin übereinstimmt.
Die Finger mit im Spiel hat der Zufall wohl selbst dann, wenn Menschen wundersamerweise zusammenfinden, die sich am Anfang nicht einmal besonders sympathisch waren. Eine andere Person nicht nur mit ihren Stärken und ihrer Attraktivität, sondern auch mit den Schwächen anzunehmen, das ist wohl die wahre, die große Liebe. Das Warum dahinter muss man sich dann auch nicht unbedingt rational erklären.