Das vorläufige Ende der Mindestlohn-Debatte
Deutschland führt zum 1. Januar 2015 den Mindestlohn ein. Beim Bund hofft man auf deutlich mehr Erwerbstätige und sinkende Sozialleistungen. Kritiker fürchten, das Gesetz verkenne wirtschaftliche Realitäten. Ab dem 1. Januar 2015 erhalten Arbeitnehmer in Deutschland branchenübergreifend einen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde. Laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekommen 3,7 […]
Deutschland führt zum 1. Januar 2015 den Mindestlohn ein. Beim Bund hofft man auf deutlich mehr Erwerbstätige und sinkende Sozialleistungen. Kritiker fürchten, das Gesetz verkenne wirtschaftliche Realitäten.
Ab dem 1. Januar 2015 erhalten Arbeitnehmer in Deutschland branchenübergreifend einen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde. Laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekommen 3,7 Millionen Beschäftigte durch die neue Regelung einen höheren Lohn. Bei einer maximal zulässigen Arbeitszeit von 348 Stunden im Monat lassen sich so mindestens 2.958 Euro monatlich verdienen.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist Deutschland das 22. der 28 EU-Länder mit einem gesetzlichen Mindestlohn. Keinen Mindestlohn gibt es in Italien, Österreich, Zypern und den skandinavischen Ländern Dänemark, Finnland und Schweden. Viele Länder der ehemaligen Sowjetunion haben mit weniger als 450 Euro brutto im Monat sehr niedrige Mindestlöhne festgelegt. Frankreich (1.445 Euro) und Großbritannien (1.301 Euro) führen die Liste an.
Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland wird eine langjährige Diskussion zumindest vorläufig abgeschlossen, die im Juni 2007 begann. Damals beschlossen CDU/CSU und SPD eine Ausweitung des sogenannten Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf weitere Branchen neben dem Baugewerbe. Das seit 1996 bestehende Entsendegesetz hält fest, dass deutsche Tarifverträge und -löhne auch für Arbeitnehmer gelten, die von ausländischen Unternehmen nach Deutschland geschickt werden.
Soziale Gerechtigkeit gefordert
Dadurch sollen hiesige Unternehmen und Arbeitnehmer konkurrenzfähig bleiben und nicht von internationalen Arbeitgebern mit niedrigeren Löhnen verdrängt werden. Diese Regelung wurde spätestens ab Mai 2011 wirtschaftlich notwendig, da seither osteuropäische Arbeiter – mit Ausnahme von bulgarischen und rumänischen Arbeitern – uneingeschränkt in Deutschland arbeiten dürfen. Der gesetzlich festgelegte Wettbewerbsschutz führte allerdings auch zu einer verstärkten innerdeutschen Debatte über den Umgang mit Mindestlöhnen und mit sozialer Gerechtigkeit.
Über die Sinnhaftigkeit einer Ausweitung des Entsendegesetzes auf weitere Branchen bestand zwar innerhalb der Regierung weitestgehend Einigkeit. Jedoch fehlten in vielen Gewerben, darunter Agrarwirtschaft und Gastronomie, Tarifverträge, auf denen das Gesetz fußt. Wie die Bundesregierung auf ihrer Webseite mitteilt, arbeitet nur die Hälfte der hierzulande Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben.
Schutz für einfache Tätigkeiten mit Niedriglöhnen
Daher stimmte man für den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn einem erweiterten Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und einer Reform der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) zu, wodurch auch nicht tariflich organisierte Branchen einbezogen werden können.
Mit der neuen Lohnuntergrenze sollen insbesondere Arbeitnehmer in Gewerben mit einfachen Tätigkeiten und Niedriglöhnen geschützt werden. Das Bundesarbeitsministerium verspricht sich eine deutlich geringere Zahl an Beschäftigten, die trotz Vollzeitjobs von Sozialleistungen abhängig sind. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält diese Vermutungen jedoch für zu optimistisch und geht von mehr „Aufstockern“ aus.
Pflichtpraktika sind nicht einbegriffen
Ausgenommen vom allgemeinen Mindestlohn sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ohne Berufsabschluss. Dies soll verhindern, dass Minderjährige und schwache Schulabgänger das Jobben einer qualifizierenden Ausbildung vorziehen, was einen noch deutlicheren Fachkräftemangel bewirken würde. Auch Auszubildende haben keinen Anspruch auf die Lohnuntergrenze.
Praktika sind generell nicht vom Mindestlohn betroffen, wenn sie Pflichtbestandteil des Studiums oder der schulischen Ausbildung sind. Die Länge des Praktikums ist dabei unerheblich. Freiwillige Praktika, die der beruflichen Orientierung dienen, sind für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten an keinen gesetzlich festgelegten Lohn gebunden. Ursprünglich waren lediglich sechs Wochen vorgesehen. Die Ausnahme gilt aber nicht, wenn ein Praktikum mehrmals bei demselben Arbeitgeber geleistet wird. „Damit ist die Generation Praktikum beendet“, sagt Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Die Generation Y soll ernst genommen werden.
Kritiker vermissen regionale Differenzierung
An einem ersten Gesetzentwurf wurde kritisiert, dass auch Langzeitarbeitslose Anspruch auf die 8,50 Euro haben sollten. Arbeitnehmerverbände fürchteten, die Regelung würde den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt erschweren. Nun gilt der Mindestlohn für Langzeitarbeitslose erst ab dem siebten Monat ihrer Beschäftigung.
Nicht umgesetzt wurden die Forderungen nach einer regionalen Differenzierung. „Damit werden auf einen Schlag beispielsweise die Regionen München oder Stuttgart mit dem Erzgebirge oder der Oberlausitz gleichgesetzt, ohne auch nur ansatzweise auf unterschiedliche Lebenshaltungskosten, Produktivität oder das örtliche Preisgefüge Rücksicht zu nehmen“, bemängelte Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow bereits im März 2014.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung vertritt die Ansicht, dass der Mindestlohn in Ost und West unterschiedlich wirken wird. „Deshalb haben wir für einen vorsichtigen Einstieg mit einer Lohnuntergrenze von um die sieben Euro plädiert“, sagt Kai-Uwe Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter am DIW. „Nach ausreichender Beobachtung hätte man den Betrag bei Bedarf dann sukzessive erhöhen können.“ So profitieren vor allem Gruppen mit extrem unterschiedlichen Löhnen. Weitere Prognosen zu den Konsequenzen des Mindestlohns seien aber jetzt noch nicht möglich, so Müller. In zwei Jahren soll die Höhe des Mindestlohns erstmals von der Mindestlohnkommission überprüft werden.
—–
Was sich 2015 noch ändert:
Elterngeld Plus: Eltern, die nach der Geburt ihres Kindes schneller wieder in ihren Beruf einsteigen wollen, erhalten eine stärkere finanzielle Förderung.
Meldegesetz: Ab Mai müssen Mieter beim Ein- oder Umzug eine Meldebescheinigung vorweisen können, die der Vermieter erteilt. Dadurch sollen Scheinanmeldungen und Verstecke für Kriminelle erschwert werden.
Elektronische Gesundheitskarte: Zum Jahreswechsel ist der Besitz einer Chip-Karte mit Foto für Krankenversicherte Pflicht.
Brief-Porto: Ab dem 1. Januar 2015 kostet ein Standardbrief 62 statt 60 Cent.
Fahrzeug-Abmeldung: Das eigene Auto kann ab nächstem Jahr auf der Internetseite des Kraftfahrbundesamtes abgemeldet werden.
Notrufsystem: Im Oktober müssen neue Fahrzeuge ein sogenanntes E-Call-System besitzen, das bei einem Unfall automatisch Rettungskräfte alarmiert.
Energieeinsparverordnung: Heizanlagen (Öl, Gas oder Kessel), die vor 1985 eingebaut wurden, dürfen nicht mehr betrieben werden.
Die Mindestlohndebatte sollte jetzt erst richtig anfangen. Der Mindestlohn soll eine untere Grenze darstellen und eine untere Grenze muss für ALLE gelten, also auch für Minderjährige, Auszubildende und Langzeitarbeitslose. Schon diese drei Ausnahmen führen dazu, dass der Mindestlohn umgangen werden kann. Volljährige Zeitungsausträger werden durch Minderjährige ersetzt, Langzeitarbeitslose werden in die Rotation geschickt, bedeutet, dass sie alle 6 Monate ihren Job verlieren werden und durch neue Langzeitarbeitslose ersetzt werden und wenn während der Ausbildung ein Mindestlohn gelten würde, müsste sich keiner Sorgen machen, ob die Jugendlichen lieber für einen Hungerlohn von 8,50 Euro die Stunde arbeiten gehen.
Ja, auch über die Höhe muss diskutiert werden. Es ist ein wenig utopisch zu denken, dass eine Wochenarbeitzzeit von 87 Stunden lange durchgehalten werden kann, damit dann die maximale Summe erreicht wird. Wenn wir von einer normalen 40-Stunden Woche ausgehen, dann sieht das ganze schon anders aus, dann sind am Ende knapp 1.100 Euro übrig. Damit sind die Grundkosten gedeckt, aber eine Teilnahme am sozialen Leben ist damit nur schwer möglich und auch eine private Altersversorgung kann damit nicht aufgebaut werden. Der Mindestlohn diskriminiert also nicht nur bestimmte Gruppen, er ist auch viel zu niedrig angesetzt.
Ich finde es ja nicht witzig, das ich als Volontärin nun das selbe Gehlat bekomme wie die Praktikanten. Was soll das?!
Wie viel Geld Konsumenten für den Lebensunterhalt aufbringen müssen, schwankt je nach Region, in der sie leben. Doch auch Entwicklungen in der Wirtschaft, die sich stark an Angebot und Nachfrage ausrichten, sorgen dafür, dass das Preisniveau steigt.
Der Berufsverband der Rechtsjournalisten e.V. hat unter http://www.arbeitsrechte.de/mindestlohnerhoehung/ alles Wissenswerte zum Thema Mindestlohn und Mindestlohnerhöhung zusammengefast.