Der kleine Tatratiger
Von vielen mit Slowenien und Tschechien in einen Topf geworfen, hat sich die Slowakei seit Wende und EU-Beitritt selbstbewusst entwickelt – vom Sorgenkind zu einem der ersten Euro-Ostländer. Auf ihrem Facebook-Profilbild lacht Katarína Balcová mit schwarz-rot-goldener WM-Bemalung auf den Wangen in die Kamera. Die Slowakin studiert derzeit Politikwissenschaft in München – sie nutzt die flexiblen […]
Von vielen mit Slowenien und Tschechien in einen Topf geworfen, hat sich die Slowakei seit Wende und EU-Beitritt selbstbewusst entwickelt – vom Sorgenkind zu einem der ersten Euro-Ostländer.
Auf ihrem Facebook-Profilbild lacht Katarína Balcová mit schwarz-rot-goldener WM-Bemalung auf den Wangen in die Kamera. Die Slowakin studiert derzeit Politikwissenschaft in München – sie nutzt die flexiblen Möglichkeiten, die Bürger der Europäischen Union genießen. „Die EU ermöglicht mir großartige Erfahrungen: Gerade lerne ich so viel darüber, wie Menschen in anderen EU-Ländern studieren und denken. Das zeigt mir ganz neue Perspektiven auf.“
Ähnlich wie Balcová sieht jeder zweite im aktuellen Eurobarometer befragte Slowake die EU vor allem positiv und vertraut ihren Institutionen. Zum Vergleich: 2013 dachte nicht einmal jeder dritte Deutsche so. „Die Affinität der Slowaken zur Europäischen Union gehört nachhaltig zu den höchsten auf dem Kontinent“, bekräftigt Igor Slobodník, Botschafter der Slowakischen Republik in Berlin.
Auf der Suche nach Selbstbewusstsein
Der tschechoslowakische, kommunistische Staat stand zwischen Zweitem Weltkrieg und Fall des Eisernen Vorhangs unter sowjetischem Einfluss. Erst 1993 gründete sich die souveräne Slowakische Republik.
Fünf Jahre lang war sie europäisches Sorgenkind: „Die erste Regierung hatte eine semiautoritäre Prägung. Was die EU und die NATO anging, steuerte sich die Slowakei ins Abseits“, sagt Kai-Olaf Lang, der als Bereichsleiter EU-Integration bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin zur Osterweiterung forscht.
Erst ein Regierungswechsel nach den Wahlen 1998 habe das kleine Land inmitten Europas auf einen demokratischen, prowestlichen Kurs gebracht. Damals wurden konkrete EU-Beitrittsverhandlungen möglich, die letztlich zur Aufnahme 2004 führten.
Nach der relativ frischen Eigenständigkeit brauchten die Slowaken eine neue Definition von Identität und Selbstbewusstsein. Den EU-Beitritt begriffen sie auch in diesem Zusammenhang als Chance. Botschafter Slobodník blickt zurück: „Vor zehn Jahren haben wir über uns selbst vielleicht immer noch gedacht: Wir haben nicht das Zeug dazu, um als selbstständiger Staat in der ersten Liga der entwickelten Staaten spielen zu können.“
Der Tatratiger und die Wirtschaftskrise
Es kam anders: Die Wirtschaft wuchs, Investitionen stiegen, Fördergelder flossen, politisch und rechtlich etablierten sich europäische Standards. Heute brauchen auch die Slowaken in Schengen-Staaten keinen Reisepass mehr. 2009 übernahm die Slowakei als zweiter osteuropäischer Staat die Gemeinschaftswährung. „Die Slowakei hat den EU-Beitritt gut genutzt – die Mitgliedschaft hat die für Transformationsländer typischen Entwicklungen positiv verstärkt“, meint Lang von der SWP. „Nicht umsonst hat sie sich den Spitznamen Tatratiger für ihr jahrelang hohes Wirtschaftswachstum verdient.“
Und doch bleiben viele Herausforderungen. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International rangiert die Slowakei auf Platz 61. Bestechlichkeit, Vetternwirtschaft, Druck auf die Justiz sowie zu wenig politische Kontrolle und Gewaltenteilung bleiben Probleme – im Privaten, den Betrieben und der Politik. Die positive Wirtschaftsentwicklung erlebte einen herben Dämpfer durch die Krise, welche die Slowakei 2009 traf.
Regional und sozial hätten sich die Lebensqualitätsunterschiede in den vergangenen zehn Jahren verschärft, berichtet Lang. Auf der einen Seite stehe der wirtschaftlich starke Südwesten des Landes rund um die Hauptstadt Bratislava; und auf der anderen Seite sei der ländliche arme Osten. Auch die gesellschaftliche Eingliederung ethnischer Minderheiten wie der Roma, die laut Botschafter Slobodník bis zu acht Prozent der Bevölkerung ausmachen, sei schwierig.
Braindrain oder Rückkehr?
Auch unter den eher EU-optimistischen Slowaken gibt es mittlerweile Skepsis: Besonders große Sorgen machen sie sich laut Eurobarometer um die steigenden Preise; aber auch die Angst vor Arbeitslosigkeit ist gewachsen.
Laut EU-Statistikamt Eurostat haben in der Slowakischen Republik überdurchschnittlich viele erwerbsfähige Personen keine Arbeit. Birgt eine hohe Arbeitslosenquote die Gefahr, dass die Jungen und Gebildeten die EU-Freizügigkeit nutzen und ihre Heimat dauerhaft verlassen?
„Braindrain ist sicherlich ein Problem in der Slowakei“, meint SWP-Forscher Lang. Allerdings gebe es natürlich auch Slowaken, die die gute Ausbildung im EU-Ausland nutzten, um dann ihrem Land zu helfen. Katarína Balcová beispielsweise will langfristig nach Hause zurückkehren. „Die Slowakei wird von meinen Erfahrungen profitieren. Und von dem Bild, das ich versuche im Ausland zu vermitteln: Dass wir ein warmherziges, offenes Volk sind“, sagt Balcová. „Wir sind keine angsteinflößenden Osteuropäer, sondern einfach Europäer.“
Ich glaub n Blick auf die Landkarte zeigt einem schnell, dass Slowenien weder Tschechien noch die Slowakei ist. Wenn die/der Autor sich mal besser informiert, würden auch andere Leute kein Problem damit haben.
Was die Autorin meint, ist die Gefahr der sprachlichen Verwechslung, nicht der geografischen. Slowakei und Slowenien klingt für viel zu ähnlich, als dass sie sich bewusst sind, dass es sich um zwei verschiedene Staaten handelt.