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Der Preis der Eurorettung: Karlsruhe vs. Luxemburg

Von Jacqueline Möller / 24. Mai 2016
picture alliance | CHROMORANGE / Christian Ohde

Der Euro als gemeinsame Währung der EU-Mitgliedsstaaten ist spätestens seit der Finanzkrise umstritten. Wie weit darf die Europäische Zentralbank gehen, um den Euro zu erhalten? Am 21. Juni entscheidet das Bundesverfassungsgericht darüber.

Vor vier Jahren kündigte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi an, die EZB würde im Rahmen ihres Mandates alles Notwendige tun, um den Euro als gemeinsame Währung zu erhalten. Das hatte Auswirkungen auf die Finanzmärkte: Mit „whatever it takes“ schien Draghi die bis dahin massiv angestiegenen Zinssätze für die Euro-Krisenländer zu beruhigen, den Euro als Währung zu stabilisieren und die Börsenkurse in die Höhe zu treiben.

Kurz danach beschloss der EZB-Rat das sogenannte OMT-Programm („Outright Monetary Transactions“). Die EZB möchte damit Krisenstaaten unter die Arme greifen, indem sie deren kurzfristige Anleihen über den Sekundärmarkt aufkauft – und davon beliebig viele. Der Ankauf dieser Anleihen geschieht nicht unmittelbar vom betroffenen Währungsland, sondern am offenen Kapitalmarkt, also der Börse. Ziel des Programms sollte es sein, „eine ordnungsgemäße Transmission und die Einheitlichkeit der Geldpolitik“1 sicherzustellen.

Rechtmäßiger Eingriff der EZB?

Eigentlich haben die Währungshüter kraft Gesetz nur eine geldpolitische Rolle – mit OMT übernehmen sie inzwischen jedoch auch eine fiskalpolitische (Anm. der Red.: Fiskalpolitik stellt i.d.R. ein Instrument von Staaten dar, mit dem sie ihre Wirtschaft beeinflussen können), heißt es. Diese ist jedoch eigentlich den einzelnen Mitgliedsstaaten vorbehalten. Deshalb wird nun diskutiert, ob die Zentralbank sich noch innerhalb der Grenzen des europäischen Regelwerks bewegt oder ob es sich um eine „schwere bedeutsame Verschiebung zu Lasten der Mitgliedsstaaten“, einen sogenannten Ultra-Vires-Akt, handelt.

Sollte Letzteres der Fall sein, würde man sich in Frankfurt sich nicht einmalig, sondern auf strukturelle Art und Weise Kompetenzen anmaßen und damit deutsches Recht verletzen. Seit zwei Jahren rangelt das Bundesverfassungsgericht deshalb mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg darum, ob ein solcher Verstoß vorliegt oder nicht.

Das Programm sei nicht mit dem währungspolitischen Mandat der EZB vereinbar, so die Bedenken der deutschen Richter. Außerdem verstoße die europäische Behörde, sagen sie, gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung. Dieses soll unterbinden, dass Staatsanleihen direkt von Währungsländern aufgekauft werden können, sodass die EZB nicht als „lender of last resort“ für in Not geratene Mitgliedsstaaten fungiert.

Auch der deutsche Bundesbank-Chef und EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann teilt die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts. Sekundärmarktkäufe sollten nicht darauf abzielen, „die Solvenzrisikoprämien einzelner Länder durch den Ankauf ihrer Staatsschuld zu senken“. Denn das drohe die „disziplinierende Rolle“ des Marktzinses auszuhebeln und die „finanzpolitische Eigenverantwortung“ zu unterlaufen.

Europäischer Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht uneinig

Der EuGH erklärte das OMT-Programm entgegen den Bedenken des Bundesverfassungsgerichts im Juni vergangenen Jahres für rechtmäßig. Die EZB handele innerhalb ihres europarechtlichen Mandats. Damit erteilte der EuGH der EZB einen Freibrief für massenhafte Anleihekäufe.

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet seinerseits am 21. Juni über OMT. Hält das Gericht an seiner ursprünglichen Auffassung fest, bedeutet das allerdings kein unmittelbares Verbot des OMT-Programms. Das BVerfG kann der EZB keine direkten Anweisungen geben. Wohl aber könnte es die deutsche Bundesregierung dazu verpflichten, sich auf europäischer Ebene für die Umsetzung seines Urteils einzusetzen. Alternativ könnte die deutsche Bundesbank die Ausführung der Weisungen des EZB-Rats verweigern.

Folgt das deutsche Gericht hingegen der Begründung des EuGH, würde es sich den Weg versperren, die Maßnahmen der EZB aufgrund anders verstandener, unionsrechtlicher Maßstäbe überprüfen zu können. Eine missliche Situation, so oder so.

1 Pressemitteilung der EZB v. 6. September 2012, Technische Merkmale der Outright Geschäfte, https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Presse/EZB_Pressemitteilungen/2012/2012_09_06_merkmale_outright_geschaefte.pdf?__blob=publicationFile

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