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Der Stoff, aus dem Veränderung gemacht ist?

Von Anna Steinmeier / 9. Februar 2022
picture alliance / moodboard | Liz Gregg

Der Arbeitstag vorbei, die Füße hochgelegt und mit einem Klick auf die Fernbedienung alles hinter sich lassen. Filme sind für diese Flucht ein wunderbares Vehikel. Man kann mit ihnen aber nicht nur die Realität meiden und sich der Unterhaltung hingeben, sondern auch eine einzigartige Inspiration in ihnen finden.

In den achtziger Jahren boomte ein Hobby: das Tanzen. Nach dem Erfolg von Filmen wie „Dirty Dancing“, „Flashdance“ oder „Footloose“ wurden Tanzschulen überrannt. Streifen wie „Karate Kid“ und „Lassi“ führten etliche Menschen in die Karate Dojos und auf den Hund. Wenn es um Hobbys und Haustiere geht, haben Filme einen großen Einfluss auf gesellschaftliche Trends. Aber können 90 Minuten Film unsere Gesellschaft nachhaltig verändern?

Same same or different?

Die Frage, wie Filme uns ganz individuell und die Gesellschaft im Allgemeinen beeinflussen, hängt eng mit der Frage zusammen, warum wir uns Filme überhaupt anschauen. Die einfachste Erklärung lautet: Filme bieten uns einen anderen Blick auf die Welt. Sie erzählen von fremden Lebenswelten und Erfahrungen jenseits der eigenen Wirklichkeit. Sicherlich, Theatervorstellungen sind dazu auch in der Lage. Aber das Medium Film wirkt unmittelbar, erreicht ein größeres Publikum und ist in der Produktionsweise weit weniger eingeschränkt.

Wir können in verschiedene Rollen und Situationen schlüpfen – wer ist im wahren Leben schon eine Spionin oder Präsidentin? Selbst die fantasievollsten Charaktere haben etwas, was uns vertraut ist. Etwas, das verbindet. E.T. konnte mit seinem Finger nach Hause telefonieren, doch geflogen ist er auf einem gewöhnlichen Fahrrad. Es ist diese Mischung aus Gewissheit und Außergewöhnlichem, mit der die Filme unsere Fantasie beflügeln.

Auch wenn Filme im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Boden der Tatsachen bleiben, erlauben sie uns Einblicke, die unsere Normalität oder das, was wir dafür halten, übersteigen. Wir sehen, wie eine alleinerziehende Mutter sich mit drei Jobs über Wasser hält oder ein Millionär sein Geld verprasst. Die eigene Sichtweise erweitert sich um immer neue Perspektiven. Wir begleiten Menschen in abenteuerlichen und alltäglichen Momenten, die wir durch ihre Augen wahrnehmen dürfen. Gleichzeitig finden wir Bestätigung darin, erkennen uns selbst durch anderer Leute Darstellung wieder. Wo sonst erlaubt Andersartigkeit einen so intimen Moment der Nahbarkeit?

Nicht Sichtbares zeigen

Filme nehmen vielfach auch uns bekannte Situationen unter die Lupe. Scheinbar glücklichen Orcas in allseits beliebten Freizeitparks begegnen nur wenige Zuschauer mit der angebrachten Skepsis. Sie freuen sich über den unterhaltsamen Zeitvertreib für die ganze Familie. Dumm nur, dass der Film „Blackfish“ enthüllte, was außerhalb der Manege mit den Tieren passiert, welche Misshandlungen sie erdulden müssen. Mit der Folge, dass nach 2013 immer weniger Menschen die Parks besuchten.

In dem US-amerikanischen Klassiker „Guess Who’s Coming to Dinner“ aus dem Jahr 1967 stellt eine junge Frau ihren weißen Eltern ihren schwarzen Verlobten vor. Die Komödie erschien in einer Zeit, in der die Rassenproblematik zu den heikelsten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen gehörte und Ehen zwischen Schwarzen und Weißen in mehreren Bundestaaten verboten waren. Das Stück, das der Bürgerrechtsbewegung zugerechnet wird, erhielt zum Teil grandiose Kritiken, Hauptdarstellerin Katharine Hepburn sogar einen Oscar.

Dass Filme die Gesellschaft auf diese Weise allerdings nur im Positiven beeinflussen könnten, greift natürlich zu kurz. Die negative Darstellung afroamerikanischer Männer wurde vor allem durch „(The) Birth of a Nation“ geprägt. Der 1915 erschienene Historienfilm aus den USA ist ein besonders bedrückendes Beispiel dafür, welche Bedeutung ein einziges mediales Werk für die Erschaffung von Stereotypen haben kann in einer ohnehin dramatischen Epoche.

Welten erschaffen und verändern

So sehr Filme uns eine andere, bessere Realität zeigen mögen, es bleibt eine kurierte, zugespitzte Version einer verdichteten Realität, die so nicht wirklich existiert. Aber darum geht es längst nicht mehr. Es sind die Diskussionen darüber, wie unsere Welt sein könnte, sein sollte oder sein müsste, die bewegen. Gesellschaftliche Debatten können sich auf diese künstlerischen Vorstellungen stürzen, denn nur was man sich vorstellen kann, kann man auch umsetzen. Nicht umsonst wird der Begriff des Storytelling im gesellschaftlichen Diskurs immer wichtiger.

Damit ein Film etwas anstoßen kann, muss er auf fruchtbaren Boden fallen, auf eine Gesellschaft treffen, die bereit ist, Veränderungen zuzulassen. Es kann helfen, das behandelte Thema detailliert aus bislang unbekannter Position anzugehen, um es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Und auch dann gilt: Filme allein können vielleicht nicht die Welt neu erschaffen, aber sie können ein erster oder verstärkender Impuls für Wandel sein.

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