Deutsche Energiewende auf dem Prüfstand
Mithilfe des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) soll die Energieversorgung in Deutschland zunehmend aus nachhaltigen Quellen bestritten werden. Doch das Gesetz steht in der Kritik, weil es die Stromverbraucher belastet. Die EU-Kommission wirft Deutschland zudem einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vor. Von Lea Deuber Ob Windräder, Solarpanels oder Geothermie: In Deutschland ist in den vergangenen Jahren massiv in […]
Mithilfe des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) soll die Energieversorgung in Deutschland zunehmend aus nachhaltigen Quellen bestritten werden. Doch das Gesetz steht in der Kritik, weil es die Stromverbraucher belastet. Die EU-Kommission wirft Deutschland zudem einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vor.
Von Lea Deuber
Ob Windräder, Solarpanels oder Geothermie: In Deutschland ist in den vergangenen Jahren massiv in erneuerbare Energien investiert worden. Mittlerweile ist der Ökostrom-Anteil von sechs auf 25 Prozent gestiegen. 2022 soll der Atomausstieg gemeistert und der CO2-Ausstoß stark reduziert sein. Doch auch wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien rasant umgesetzt wird, gibt es viel Kritik am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das die Einspeisung von Ökostrom ins Stromnetz regelt.
Um die Energiewende in Schwung zu bringen und Investoren anzulocken, garantiert der Staat den Herstellern erneuerbarer Energien seit 2000 feste Vergütungszahlungen über einen Zeitraum von 20 Jahren. Die Anbieter produzieren den Strom, er wird ins Netz eingespeist und auf dem Strommarkt verkauft. „Das Problem ist, dass der gültige Marktwert unter den Kosten für die Produktion des Ökostroms liegt“, sagt Marc Oliver Bettzüge, geschäftsführender Direktor und Vorsitzender der Geschäftsleitung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI). Laut Bettzüge entsteht so ein Fehlbetrag von rund 23 Milliarden Euro im Jahr.
Je niedriger der Strompreis, desto höher die Umlage
Dieser Fehlbetrag wird nicht von der Bundesregierung ausgeglichen, sondern durch den Stromkunden. Das kostet den Verbraucher bei Strompreisen zwischen 20 und 28 Cent etwa 6,24 Cent pro Kilowattstunde. Für viele Menschen, insbesondere einkommensschwache Haushalte, sind die steigenden Stromkosten eine Belastung. Je weniger die Anbieter erneuerbarer Energien für ihren Strom am Markt bekommen, desto höher ist die vom Bürger finanzierte sogenannte EEG-Umlage. Derzeit ist der Strompreis an der Börse besonders niedrig, weil die Nachfrage nach Strom in Europa infolge der Finanzkrise gesunken ist. Zudem sind seit 2006 europaweit mehrere neue Kraftwerke ans Netz gegangen und die US-Amerikaner fluten den europäischen Markt mit billiger Steinkohle.
Es wird erwartet, dass die Verbraucher zukünftig noch mehr zahlen müssen. Die Gelder der Stromkunden sind nicht immer gut investiert, so Bettzüge. „Wenn Solarstromanlagen installiert werden sollen, bauen die Investoren dort, wo sie finanzielle Vorteile erhalten“, sagt er. Da das EEG ein nationales Fördersystem ist, entstehen viele Solaranlagen in Deutschland, die anderswo in Europa mit denselben Investitionskosten einen weit höheren Ertrag erwirtschaften könnten. „Die Standortsynergien werden nicht ausreichend genutzt“, kritisiert Bettzüge. Er geht davon aus, dass durch eine europaweite Lösung bis 2020 eine Summe im dreistelligen Milliardenbereich gespart werden könnte. „Dabei geht es nicht darum, weniger erneuerbare Energie zu produzieren, sondern darum, Investitionen effektiv zu nutzen“, sagt er.
EU-Kommission hält das EEG für verfassungswidrig
Auch die EU-Kommission stört sich am deutschen EEG. Problematisch seien vor allem die Ausnahmeregelungen für die Industrie. „Im Gegensatz zu Privatleuten erhalten stromintensive Unternehmen Rabatte, damit sie wettbewerbsfähig bleiben“, erklärt Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. 2100 deutsche Betriebe sollen von den Vergünstigungen profitieren, die rund 5,1 Milliarden Euro kosten. Im Dezember hat die EU-Kommission ein Beihilfeverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Sie hält die Vergünstigungen für deutsche Unternehmen für verfassungswidrig, da sie gegen den fairen Wettbewerb in Europa verstoßen, heißt es.
Der Ausgang des Prüfverfahrens ist noch unklar. Die Bundesregierung hat Ende Februar beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Eröffnung des EU-Beihilfeverfahrens zum EEG eingereicht. Dennoch: Zulässig wären die Entlastungsregelungen des EEG nur, wenn man die Umlage nicht als ein staatliches Mittel versteht.
In Deutschland hat es eine ähnliche Diskussion bereits in den 1990er Jahren geben. Damals ging es um den so genannten Kohlepfennig. Ziel der Abgabe war von 1974 bis 1995 die Finanzierung des Steinkohleabbaus, der ohne die Förderung nicht international konkurrenzfähig gewesen wäre. Beim Kohlepfennig sammelte der Staat Geld ein und verteilte die Einnahmen an die Unternehmen. Auf die Klage eines Stromverbrauchers hin erklärte das Bundesverfassungsgericht die Umlage auf die Bürger für verfassungswidrig. Die Subventionen mussten fortan durch den Bundeshaushalt bezahlt werden. Beim EEG ist das Verteilungssystem aber anders als beim Kohlepfennig. Die Unternehmen müssen einen Mindestpreis für den Strom zahlen und geben die höheren Kosten an ihre Kunden weiter.
Weitere Maßnahmen fördern
Unabhängig vom Prüfverfahren läuft die Richtlinie 2020 aus. „Was danach passiert, ist offen“, sagt Kemfert. Die Folgen einer Abschaffung des EEG – ob durch ein Gerichtsurteil oder das Auslaufen der Richtlinie – sind schwer einzuschätzen. Sicher ist: In der Branche der erneuerbaren Energie arbeiten rund 370.000 Menschen deutschlandweit. Es gibt viele Unternehmen, die in den innovativen Wirtschaftsbereichen wie Energieeffizienz oder Speicherung von Energie tätig sind. „Man würde einen wichtigen Wirtschaftszweig abwürgen“, sagt Kemfert. „Es geht ja nicht um eine dauerhafte Subventionierung, sondern darum, die Energiewende auf einen guten Weg zu bringen“, sagt die Expertin. Sie empfiehlt, fortan weiterreichende Maßnahmen wie den Netzausbau, den Einsatz intelligenter Verteilnetze sowie mittelfristige Speicherungsmöglichkeiten zu fördern.
Über die Autorin: Lea Deuber besucht die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft und studiert Wirtschaftswissenschaften in Hagen und Asienwissenschaften in Bonn. Als freie Journalistin ist sie für verschiedene deutsche Print- und Onlinemedien tätig. Sie ist 22 Jahre alt und lebt in Köln.