Ein deutscher Hafen für Schwarzgeld
Steueroasen werden meist mit den „Panama Papers“ und weit entfernten Ländern in Verbindung gebracht. Aber auch in Deutschland können Unternehmen leicht Steuern hinterziehen.
Mit dem Satz „Die Kavallerie in Fort Yuma muss nicht immer ausreiten, manchmal reicht es, wenn die Indianer wissen, dass sie da ist“ kündigte Sozialdemokrat Peer Steinbrück bereits vor acht Jahren einen harten Kurs gegen Schwarzgeld und Steuerhinterziehung an. Der Erfolg ist allerdings überschaubar, unter anderem, weil es immer noch viele Steueroasen gibt. Die Cayman-Inseln, Barbados oder Panama sind längst nicht die einzigen.
Die Flucht in die Oasen
Steueroasen, auch Offshore-Finanzplätze oder Schattenfinanzzentren genannt, knöpfen den dort ansässigen Unternehmen nur wenig oder gar keine Steuern ab. Unternehmen sowie sogenannte Superreiche mit einem Vermögen jenseits der 10-Millionen-Euro-Grenze können ihre Steuerlast in den Oasen erheblich gegenüber dem Land verringern, in dem sie eigentlich ihre Steuern zahlen müssten. Normalerweise ist das das Land, in dem sie ihre Gewinne und Einkommen erzielen.
Das Problem: Staaten können ohne Steuereinnahmen nicht funktionieren. Durch Steuern finanzieren sie öffentliche Güter wie Bildung, Gesundheit oder Infrastruktur. Mit den rund 21 Billionen Euro Vermögen, die in den verschiedensten Steueroasen auf der Welt lagern, entgehen den Staaten der EU schätzungsweise 800 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Der Solidaritätsfonds, der EU-Staaten im Fall einer Katastrophe unterstützt, ist aktuell mit einer Milliarde Euro gefüllt.
Laut OECD sind Steueroasen durch niedrige Steuern gekennzeichnet, ein geringes Maß an Finanzmarktregulierung, ein gut funktionierendes Bankgeheimnis, einen hohen Bildungsstandard der Bevölkerung, wenig Korruption, Rechtssicherheit und politische Stabilität. Die Staaten, die als Steueroasen gelten – meistens kleine Länder – haben verschiedene Gründe, auf Steuereinnahmen zu verzichten. Länder wie die Cayman-Inseln sind dank eines niedrig entwickelten Finanzsystems nicht auf Steuern angewiesen, aber profitieren von den Arbeitsplätzen, die die Unternehmen vor Ort anbieten. Andere Staaten wollen ihre Wettbewerbsposition verbessern, indem sie finanzstarke Unternehmen anziehen. Die leisten im besten Falle zwar nur einen geringen, aber dennoch nennenswerten Steuerbeitrag. Irland bietet beispielsweise Apple günstige Steuerkonditionen, obwohl das Unternehmen seine Gewinne außerhalb Irlands macht.
Steueroase Deutschland?
Das funktioniert in Deutschland nicht. Unternehmen und Personen, die steuerpflichtig in Deutschland sind, müssen ihr Geld in Deutschland versteuern. Das gilt auch dann, wenn sie es in Länder mit niedrigeren Steuersätzen verschieben. Ausnahmen gibt es zwar, aber die sind nicht für die bekannten Offshore-Länder vorgesehen. Deshalb klappt die Steuerflucht nur durch Anonymität und sogenannte Scheinfirmen. Ein Unternehmen, das von niedrigen Steuern profitieren will, gründet eine Scheinfirma – auch Briefkastenfirma genannt – und verschiebt ihre Gewinne an diese. Da ihre Herkunft verschleiert ist, kann sie jeder Kontrolle entgehen. Das fördert auch Geldwäsche und damit beispielsweise Terrorfinanzierung.
Der gesamte europäische Finanzmarkt gilt als streng reguliert und das Bankgeheimnis lässt sich juristisch brechen. Trotzdem sieht das Netzwerk Steuergerechtigkeit, eine Nichtregierungsorganisation, die sich für Steuertransparenz einsetzt, Deutschland auf Platz 8 der schlimmsten Steueroasen – noch vor Panama auf Platz 13. Kritisiert werden vor allem Intransparenz, mangelnde Geldwäschebekämpfung und ein hoher Zustrom an Schwarzgeld – rund 100 Milliarden Euro jährlich.
Ein Grund dafür liegt ausgerechnet in den stabilen Verhältnissen, die der Finanzplatz Deutschland bietet. Superreiche wickeln ihre illegalen Geldtransfers am liebsten über Finanzplätze ab, die zwar besser reguliert sind als klassische Steueroasen, aber gleichzeitig am weltweiten Finanzsystem in großem Umfang teilnehmen. Dank des hohen Bargeldumlaufs in Deutschland fallen illegale Finanzströme wenn nur zufällig auf. „Das Geldwäschegesetz funktioniert in Deutschland nicht ausreichend – und das ist eine Einladung an kriminelle Strukturen“, sagt Thomas Kutschary, NRW-Justizminister.
Halbherziger Kampf gegen Steuerhinterziehung
Politiker fechten den Kampf gegen Steuerhinterziehung nur halbherzig. Zwar haben im vergangenen Jahr 40 Länder ein Abkommen über den Austausch von Kontodaten beschlossen. Ein Teil der Länder erhebt diese Daten aber erst gar nicht.
Bund und Länder haben immer noch keine einheitliche Steuersoftware – eine Einladung, es mit der Steuerhinterziehung zu versuchen, denn an den Schnittstellen gehen Informationen verloren. Manche Städte beteiligen sich an der Steuervermeidung – zum Beispiel Monheim in Nordrhein-Westfalen. Ihren Haushalt hat die Stadt am Rhein saniert, indem sie den Steuersatz auf den niedrigsten in ganz Deutschland gesenkt hat. Rund 300 Unternehmen haben sich seitdem in Monheim angesiedelt, um ganz legal Steuern zu vermeiden.
Wer vermögend ist, nimmt automatisch an der „Steueroase Deutschland“ teil. Kapitaleinkommen werden in Deutschland pauschal mit 25 Prozent besteuert, während Arbeitseinkommen mit bis zu 45 Prozent besteuert werden. Das stellt Reiche besser als Arbeitnehmer und andere Verdiener. Weil es keine Vermögenssteuer gibt, ist die Besteuerung von Vermögen hierzulande eine der weltweit geringsten. Das könnte sich bald ändern: Mehrere Parteien, darunter der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, wollen diesen „Riss in der Gesellschaft“ kitten.