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„Es gibt nichts Gutes ohne Risiko“

Von John Kazadi, Christa Roth / 9. August 2023
picture alliance / PantherMedia | Andrey Popov

Wir alle brauchen sie: Menschen, die uns lieb sind. Verwandte und Freund_innen, die für uns da sind, sich um uns kümmern und die im Gegenzug auch auf uns zählen können. Sagwas-Autor John erwägt dennoch, sein soziales Umfeld zu verlassen, um woanders sein Glück zu suchen.

Wir alle müssen mehr Fragen stellen. Wir alle müssen achtsamer werden. Achtsam einander gegenüber. Darum haben wir unseren Autor, John Kazadi, gebeten, mit sagwas über Persönliches zu sprechen.

sagwas: Du hast dich für das Hilde-Domin-Programm des DAAD beworben, das Stipendien an Geflüchtete vergibt, die im Ausland studieren wollen. Dafür brauchst du aber noch einen Abschluss von einer Universität in dem Land, wo du jetzt lebst. Wie stehen die Chancen, dass du in Deutschland weiter studieren kannst? Und wäre es vielleicht einfacher, es in einem anderen Land zu versuchen?

John Kazadi: Ich habe mich für das Hilde-Domin-Programm beworben, aber ich kann ein (leider sehr wichtiges) Kriterium nach wie vor nicht erfüllen: Um für ein Stipendium in Frage zu kommen, muss ich mindestens ein Jahr an der Universität von Malawi studiert haben. Ich besitze ein Diplom von der Regis University, nachdem ich zwei Jahre dort studiert habe, aber das wird nicht anerkannt, weil es ein Online-Studiengang war.Trotzdem möchte ich nach wie vor unbedingt in Deutschland weiter studieren. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist, mich an der Universität von Malawi einzuschreiben, um das Kriterium für ein Auslandsstudium zu erfüllen. Im Moment bewerbe ich mich auf eine Zulassung als Spätstudierender für das Studienjahr 2023/24 und hoffe, dass ich genommen werde. Ich habe immer noch die Option, mich in einem anderen Land zu bewerben, aber ein nachgewiesenes Studium an einer anerkannten Institution wird bei jeder Bewerbung in jedem Land ein Vorteil sein.

Du bist ein junger Mann und der Sohn einer starken Frau. Beziehungen werden im Lauf eines Lebens immer wichtiger. Aber wenn man in einem Lager für Geflüchtete lebt, kann es ziemlich schwer sein, Liebe zu finden, persönliche Verbindungen einzugehen oder miteinander intim zu sein, oder?

Meine Beziehung mit den Liebsten meines Lebens zu erhalten, ist meine oberste Priorität. Ich lebe seit über zehn Jahren mit meiner Familie zusammen im Lager; dadurch sind wir natürlich eine große Stütze füreinander. Wenn man Beziehungen aufrechterhalten will, bedeutet das, den Menschen, die man liebt, auch Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen. Das kann in einem Lager für Geflüchtete schwierig werden, denn neue Prioritäten kommen dazu – woher bekomme ich etwas zu Essen oder Kleidung? Das führt dazu, dass man Kompromisse machen muss, sei es in den Beziehungen zur Familie oder in Liebesbeziehungen. Die digitale Kommunikation hat es einfacher gemacht, mit Freund_innen und der Familie in Verbindung zu bleiben und auch in der Ferne die Intimität aufrechtzuerhalten.

Wie helfen deine Gedichte dir im Leben weiter? Fehlt es dir manchmal an Motivation, Inspiration oder Kreativität? Wenn ja, wie gehst du damit um?

Das Schreiben ist für mich sowohl Therapie als auch Rückzugsort. Es fällt mir leichter, meine Gedanken und Gefühle in einem Gedicht auszudrücken als sie einem Menschen mitzuteilen. Für einen Dichter ist es manchmal schwierig, Inspiration oder Motivation zu finden. Wenn das passiert, mache ich gern Sport oder lese, um mich inspirieren zu lassen. Manchmal bin ich auch zu müde, um Sport zu treiben. Dann ruhe ich mich einfach aus und gehe schlafen (lacht).

Du arbeitest als Künstler/Dichter und unterstützt gleichzeitig deine Gemeinschaft durch deine soziale Arbeit. Spielt Politik auch eine Rolle in deinem Leben bzw. interessiert sie dich?

Als Dichter und in der sozialen Arbeit diene ich meiner Gemeinschaft, egal, wie die lokale oder internationale Politik aussieht. Als Mensch, der jungen Menschen helfen will, egal, welchen Hintergrund sie haben, interessiert mich weder die lokale noch die internationale Politik, obwohl sie unser Leben natürlich jeden Tag beeinflusst. Die Umsiedlung von Geflüchteten in Malawi, die in Städten und auf dem Land leben, ist zum Beispiel rein den politischen Interessen der Machthabenden geschuldet. Den wenigen Geflüchteten, die sich schon eingelebt hatten, hat dies das ganze Leben zerstört.

Bist du bereit, deine Familie und deine Freund_innen auf längere Zeit zu verlassen, wenn es so weit ist, um woanders in der Welt dein Glück zu suchen?

Als Mensch bin ich bereit, alles zu tun, was mein Leben besser macht. Ich glaube wirklich, dass echte Freund_innen und Verwandte einem nur das Beste wünschen, auch wenn es ihnen Opfer abverlangt. Das schmerzlichste Opfer ist die Trennung. Ich bin mir aber sicher, dass alles Gute, was man erreichen kann, mit Risiken behaftet ist. Das können Herausforderungen sein, die sich ergeben, wenn man ein Ziel verfolgt. Je eher man also gewillt ist ist, Risiken einzugehen, umso größer ist die Chance, dass etwas Großes dabei herauskommt. Als Individuum habe ich tiefe Bindungen an meine Freund_innen und Verwandte. Aber wenn es an der Zeit ist, zu gehen und anderswo mein Glück zu suchen, dann habe ich keine Wahl, als das zu tun, was mich glücklich machen und damit auch gut für meine Freund_innen und Verwandte sein wird.

Fans and friends

They are not ivories

They are canines

Between them is a venom

It stands in the right column

They are not friends

They are fans

Sucking your blood

They won’t leave

Until they paint you mud

They are not after your wealth

They worry about your health

Very few, but means a lot

They stand with you, firm as a knot

They don’t wait to wipe your tears

They hold you, and fight your fears

by John Kazadi

(Übersetzung von Bianca Walther, hier das englische Original dieses Beitrags)

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