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Europa sucht ein neues Gesicht

Von kamilachilewski / 8. Mai 2014

Bei der Europawahl im Mai stellen die Parteien des EU-Parlaments zum ersten Mal Spitzenkandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten auf. Als Favoriten gelten Jean-Claude Juncker und Martin Schulz. Sie unterscheiden sich inhaltlich zwar kaum, haben aber verschiedene Politikstile. Am 8. Mai stehen sie sich im TV-Duell gegenüber. Von Till Daldrup Wo sonst Reportagen oder Krimis […]

Bei der Europawahl im Mai stellen die Parteien des EU-Parlaments zum ersten Mal Spitzenkandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten auf. Als Favoriten gelten Jean-Claude Juncker und Martin Schulz. Sie unterscheiden sich inhaltlich zwar kaum, haben aber verschiedene Politikstile. Am 8. Mai stehen sie sich im TV-Duell gegenüber.

Von Till Daldrup

Wo sonst Reportagen oder Krimis zu sehen sind, soll am 8. Mai über Europapolitik diskutiert werden. Zur allerbesten Sendezeit wird das TV-Duell zwischen den Spitzenkandidaten der zwei großen europäischen Parteien live aus dem Hauptstadtstudio des ZDF übertragen. Auf der Seite der Europäischen Volkspartei (EVP) steht Jean-Claude Juncker, der ehemalige Ministerpräsident von Luxemburg, und auf der anderen Seite Martin Schulz, derzeitiger Präsident des Europäischen Parlaments, der für die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) ins Rennen geht.

Zum ersten Mal Spitzenkandidaten

Im Mittelpunkt des 90-minütigen Duells steht die Europawahl, die Ende Mai stattfindet. Dass es überhaupt zu diesem TV-Duell kommt, ist einer Neuerung bei der Europawahl zu verdanken. Zum ersten Mal stellen die Parteien des Europäischen Parlaments Spitzenkandidaten für die Wahl zum EU-Kommissionspräsidenten auf. Obwohl mehrere Parteien einen Spitzenkandidaten aufgestellt haben, werden nur Juncker und Schulz Chancen auf das Amt eingeräumt.

Zwar stehen die Namen Juncker oder Schulz nicht auf dem Stimmzettel, aber mit der Zuspitzung der Europawahl auf diese zwei Hauptakteure soll die EU für die Wähler transparenter und zugänglicher werden – und der Wahlkampf spannender. Grundlage für diese Änderung ist der Vertrag von Lissabon von 2009. Dieser sieht vor, dass sich der Europäische Rat am Ergebnis der Europawahl orientiert und den Spitzenkandidaten der stärksten Koalition als Kommissionspräsidenten nominiert.

Die Personalisierung des Wahlkampfes hat viele Vorteile. Das zumindest sagt Ulrich Brückner, Dozent für Politik an der Berliner Niederlassung der Stanford University. „Bisher hatten die Bürger es bei der Europawahl mit einem abstrakten Gebilde zu tun, nun bekommt die EU ein Gesicht.” Das mache es auch für die Medien leichter, die Inhalte der Parteien zu vermitteln, wie das TV-Duell zeige. „Langfristig soll das auch dazu führen, dass sich mehr Menschen an der Wahl beteiligen”, sagt Brückner.

In vielen Punkten einig

Mit Juncker und Schulz steigen zwei Kandidaten in den Ring, die sich gegenseitig schätzen und sich in vielen Punkten einig sind. Beide stehen für ein selbstbewusstes Europa, beide wollen Bürokratie abbauen, beide stellen die Sozialpolitik in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes. „Bei den großen Themen sind Schulz und Juncker einer Meinung“, sagt Werner Weidenfeld, Politikprofessor an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen. Selbst bei der ureigenen Forderung der Sozialisten und Sozialdemokraten, in absehbarer Zeit Eurobonds und einen europaweiten Mindestlohn einzuführen, hatte Juncker zuletzt seine Zustimmung signalisiert.

Nicht verwunderlich war es da, dass Martin Schulz Anfang April bei einem TV-Duell des französischen Senders France 24 zugab, er wisse eigentlich gar nicht, was ihn von Juncker unterscheide – das Programm des konservativen Kandidaten komme seinem schon sehr nahe.

Unterschiedliche Stile

Dennoch stehen Juncker und Schulz für zwei unterschiedliche Arten, Politik zu machen. „Juncker ist ein alter Hase, der das gesamte Repertoire der europäischen Politik kennt und weiß, wie das Spiel läuft“, sagt Ulrich Brückner. „Er gibt im Wahlkampf den Staatsmann.“ Ihm lägen zwar auch Ironie und Witz, dennoch sei Juncker eher ein Mann der leisen Töne. In seiner Bewerbungsrede für die Spitzenkandidatur sagte er, er wolle die „Konsensmaschine“ in Brüssel sein und eine Vermittlerrolle einnehmen.

Dass ihm das liegt, habe er in der Vergangenheit schon unter Beweis gestellt, sagt Weidenfeld. „Juncker war jahrelang Ministerpräsident Luxemburgs und Chef der Eurogruppe, er hat von allen die größte Gipfel-Erfahrung. Intensiver kann man mit dieser Dimension der Europa-Politik kaum verbunden sein.“

Juncker, der sich mit seiner Arbeit in Brüssel den Spitznamen „Mr. Euro“ verdient hat, ist in Deutschland im EU-Wahlkampf bisher kaum in Erscheinung getreten. Bei ihrer Wahlkampftaktik setzen die deutsche Konservativen voll auf ihre Vorsitzende Angela Merkel. Auf den Wahlplakaten der Konservativen ist demnach hierzulande nicht das Gesicht des Spitzenkandidaten Juncker, sondern das der Kanzlerin zu sehen. Beim CDU-Europaparteitag Anfang April in Berlin durfte Juncker gerade Mal ein zehnminütiges Grußwort sprechen, während die Kanzlerin eine anderthalbstündige Rede hielt.

Ganz anders agiert Martin Schulz. Er nutzt jeden seiner Auftritte als Parlamentspräsident, um auch für seine Kandidatur zu werben. Im Gegensatz zu Juncker gilt er als streitbar und hartnäckig. „Martin Schulz ist vom Naturell her ein aggressiver Politiker, der gerne polarisiert“, sagt Brückner. Das zeigte sich unter anderem bei einer Rede von Schulz im israelischen Parlament, der Knesset, Anfang des Jahres, mit der er für einen Eklat sorgte. Er prangerte die Wasserverteilung zwischen Palästinensern und Israelis an, woraufhin mehrere israelische Abgeordnete empört den Saal verließen. „Durch solche Auftritte ist er für viele das Abziehbild des Deutschen geworden”, sagt Brückner. Eben so, wie sich viele Europäer Deutsche vorstellten: „Uncharmant und nicht diplomatisch.”

Von den Mitgliedern des EU-Parlaments wird Schulz für seine kämpferische Art geschätzt. Als ihr Präsident hat er ihnen ein neues Selbstbewusstsein gegeben und den europäischen Regierungschefs den Kampf angesagt. „Schulz ist Parlamentarier durch und durch. Er bringt ein gesundes Misstrauen gegenüber der gesamten Gipfeldynamik der vergangenen Jahre mit, bei der oft ohne das Europaparlament entschieden wurde“, sagt Weidenfeld.

Dass sich die Zuschauer beim TV-Duell trotz inhaltlicher Nähe der beiden Kandidaten auf eine spannende Debatte freuen können, davon ist er überzeugt. „Juncker und Schulz sind Politik-Profis und wissen, dass sie Kontraste zeigen müssen – sonst langweilen sich die Wähler.“

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