“Fast and Furios“ oder: Kein Ende der Trends
Gerade haben wir sie hinter uns gelassen, da sind die 2000er schon wieder da: Trends wiederholen sich in immer kürzeren Abständen. Der Kapitalismus ist schuld daran. Gefährlich wird es, wenn diese „Fast Trends“ nicht nur die Mode, sondern unsere Körper betreffen.
Als ich mit weißen Tennissocken und weißen Sneakern bei meiner Oma ankomme, lächelt diese wissend. „Genau sowas wollte deine Mama auch immer haben, als sie so alt war wie du jetzt.“
Doch während meine Oma in ihrem ganzen Leben vielleicht einer Handvoll Trends gefolgt ist, folgen wir der gleiche Anzahl an Trends in nur einem Jahr. Die Zyklen der Modeerscheinungen sind kürzer und damit schnelllebiger geworden. Analog zur Fast Fashion haben wir nun Fast Trends. Und meistens hängt beides zusammen.
Dem sogenannten Cambridge Wörterbuch zufolge steckt hinter einem Trend eine generelle Bewegung oder eine Änderung der Art, wie Menschen sich bewegen. Es kann aber auch eine Veränderung in Kleidung, Make-up oder anderen äußerlichen Kategorien sein.
So zeigte sich nach den strengen Covid-Restriktionen, dass viele Menschen sich plötzlich von der Mode der 2000er Jahre inspirieren lassen. Bunt, sorglos, verspielt. Eben alles, was die Zeit der Pandemie nicht war. Statt sich an anderen Jahrzehnten aus dem 20. Jahrhundert zu orientieren, dominiert aktuell ein Trend, der kaum 20 Jahre her ist. Viele derjenigen jungen Frauen, die nun erneut Low Rise-Jeans tragen (also Hosen, die eher niedrig geschnitten und unterm Bauch enden bzw. direkt über dem Po), No Angels hören und bunte Haarspangen tragen, waren damals schon geboren und haben den Trend vielleicht sogar einmal mitgemacht.
Konsum im Kapitalismus
Diese schnellen Änderungen in der Modewelt sind Folge und Ausdruck der kapitalistischen Wirtschaftsweise, deren Umdrehungsgeschwindigkeit ebenfalls zugenommen hat. Visuelle Apps wie Instagram gibt es schon seit Jahren. Längst geben sie den Takt vor. Durch neue Features wie Instagram “Reels“ (was stark von TikTok abgeschaut ist), beeinflusst nichts so sehr wie Social Media-Plattformen die Art, wie wir Medien konsumieren (sollen): schnell, in einem ewigen Loop und mit einer kurzen Aufmerksamkeitsspanne.
Trends sind eine Frage von Konsum. Konsum im Kapitalismus. Fast Fashion-Brands verdienen Vermögen mit Trends – und sie verdienen noch mehr Geld, wenn es jeden Monat neue Kleidung gibt, auf die wir alle gewartet zu haben scheinen und die wir nun unbedingt zu brauchen glauben.
Wenn sich diese Trends nun unserer Körper selbst und nicht nur des Stoffes drumherum bemächtigen, erreicht der Trendzyklus eine gefährliche Ebene. In den letzten Jahren hatten die Bestrebungen von Körperaktivist*innen der Fat Acceptance-Bewegung, die ihren Ursprung in den 1960er Jahren in den USA hatte, Erfolg. Vor allem auf Social Media ist viel von Bodypositivity und Akzeptanz aller Körper die Rede. Doch diese Bewegung wird nun kapitalisiert. Dünne, weiße Frauen ohne Behinderung zeigen ihre normschönen Körper und halten lächelnd ein beliebiges Produkt in die Kamera, um die damit erreichte, vermeintliche Bodypositivity zu bewerben.
Mit Y2K (Y steht für „year“ und 2K für die Zahl 2000), dem Stil der 2000er, kommt das Körperbild von damals zurück: weiß, dünn, ohne Behinderung, ohne Behaarung und alterslos, wie es bereits in den 1990ern vor allem durch den sogenannten Heroin Chic der Supermodels Cindy Crawford, Kate Moss und Claudia Schiffer geprägt wurde.
Dieses Schönheitsideal war nie ganz verschwunden, jetzt tritt es umso dominanter auf. Dicke Körper werden durch unsere fettfeindliche Gesellschaft diskriminiert. Low Rise-Jeans, Miniröcke und Baby Tees (T-Shirts, die das Dekolleté bedecken, aber den Bauch frei lassen) – das ist, was gerade angesagt ist und von dicken Personen kaum getragen wird. Damit einhergehend setzt sich ein anderer Trend durch: Körperformen den Fashion Trends entsprechend zu modifizieren. In diesem Fall müssen Körper dünn sein, egal um welchen Preis. Und schnell muss es gehen, schneller als mit Kohl-Diät oder Detox-Tee.
Neue Trends, um alt auszusehen
In den USA trendet für diesen Zweck gerade ein Medikament, das eigentlich für Diabetes-Typ-2 entwickelt wurde: Ozempic. Stars wie die Kardashians sollen es zum Abnehmen eingenommen haben. Tesla-Chef Elon Musk äußert auf Twitter, Wegovy, ein ähnliches Pharmazeutikum, genommen zu haben. Beide Mittel werden gespritzt und suggerieren dem Körper, man sei satt. Wegovy senkt zudem den Blutzuckerspiegel und sorgt so für einen erhöhten Energieumsatz, wodurch wiederum mehr Kalorien verbrannt werden. Die Spritzen sind in den USA zwar teuer, aber leicht zugänglich. Der gewünschte Effekt tritt schnell ein, hält meist jedoch nur für die Dauer der Einnahme an.
In den USA hat der erneute Trend zum dünnen, kurvenarmen Körper zu einer Verknappung von Ozempic geführt, was diejenigen gefährdet, die das Medikament für ihren Diabetes tatsächlich brauchen. Daneben sorgt eine Nebenwirkung von Ozempic (wenn als Schlankheitsmittel eingenommen) für Aufsehen. Durch die ungewöhnlich schnelle Gewichtsabnahme fällt bei vielen Menschen das Gesicht ein. Eines, das in der Folge ungesund und alt aussieht und deshalb als „Ozempic Face“ bezeichnet wird.
Doch auch dafür hat die Schönheitschirurgie eine Lösung parat. Für die britische Vogue sprach Autorin Hanna Coates mit der ästhetischen Chirurgin Dr. Sophie Shotter. Sie empfiehlt Hautstraffung, um die Collagen- und Elastinproduktion anzukurbeln, kombiniert mit Fillern, um Volumen aufzubauen und neue Proportionen zu schaffen.
Fazit: Für jedes durch Kapitalismus geschaffene Problem wird der Kapitalismus eine Lösung finden. Mit der auf jeden Fall wieder viel, sehr viel Geld zu verdienen ist.