Friede, Freude, Forschungsgeist
Im Wettlauf um Wissen versuchen Staaten die klügsten Köpfe für sich zu gewinnen und an sich zu binden. Doch nicht nur in Konkurrenz- und Konfliktsituationen ist Wissen essenziell, sondern auch in der Kooperation, um globale Probleme zu lösen. Anstatt sie zu schaffen.
Als Studienland ist Deutschland auch im Ausland sehr beliebt. Fast zehn Prozent der in der Bundesrepublik forschenden Wissenschaftler kommen aus anderen Ländern. Die erste Anlaufstelle für viele ist darum der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD). Ob Stipendien, Forschungsinstitute oder die passende Uni – zu allem gibt es Informationen.
Was die Forscher aus dem Ausland im DAAD aber auch bekommen, ist ein bestimmtes Bild von Deutschland. Genauer, ein idealisiertes Bild der deutschen Forschungslandschaft. Davon, wie Deutschland sich gerne selbst sieht und in der Welt gesehen werden will.
Man spricht von „Science Diplomacy“, wenn der außenpolitische Fokus eines Landes auf der Wissenschaft liegt. Dabei kann es sich um die Außendarstellung als besonderer Wissensstandort handeln, aber auch um den Nutzen von wissenschaftlichem Know-how zur globalen Einflussnahme. “Wissenschaftsdiplomatie“ soll aber vorrangig durch Gebrauch wissenschaftlicher Erkenntnisse den Willen zur Kooperation unter den Nationen stärken.
Kaderschmiede – um damit zu glänzen
Science Diplomacy selbst ist keine neue Wissenschaft, auch wenn es durch die geringe Bekanntheit gegenüber der traditionellen Diplomatie den Anschein hat. Oft werden damit moderne, technische Themen verbunden. Man erhofft sich einen globalen Wissenstransfer, der innovative Ideen freisetzt. Immerhin kann man davon ausgehen, dass verschiedene wissenschaftliche Schulen in unterschiedlichen Ländern eigene Betrachtungsweisen für Probleme und Fragestellungen entwickeln. Nicht zuletzt sollen ausländische Gastforscher deshalb neue Impulse schaffen.
Nicht nur dem Forschungsstandort, sondern dem gesamten Land verhilft eine gute wissenschaftliche Reputation zu Ansehen. Sie ist für den internationalen Ruf eines Landes genauso bedeutend wie seine ökonomische Stärke, seine militärische Stellung oder sein humanitäres Engagement. Die USA und Großbritannien sind dafür mit ihren Eliteuniversitäten ein gutes Beispiel; von überall her ziehen sie Studierende und Forschende an. So auch Albert Einstein, der 1933 nach der Machtergreifung der Nazis in die USA nach New Jersey auswanderte, weil die ruhmreiche Universität Princeton um ihn warb. Einstein blieb, wie dies oft bei wissenschaftlichen Emigrationen der Fall ist, seinem neuen Zuhause erhalten und verhalf so der Universität endgültig zu ihrer außerordentlichen Anerkennung.
Wissenschaft als Spielball mächtiger Staaten?
In der Geschichte war der politische Wettstreit zwischen Staaten oft auch ein Wettstreit darüber, wer in der Wissenschaft die Nase vorn hat. Ob in beiden Weltkriegen oder im Kalten Krieg: Im Ringen um die internationale Vorherrschaft war die Fähigkeit, auf dem neuesten Stand ausgiebig zu forschen und dabei maßgebliche Erfolge zu erzielen, einer der entscheidenden Faktoren für irgendeine Art von Vorherrschaft – oder zumindest Vorsprung.
Wie jede Form von Diplomatie hat auch Science Diplomacy deshalb ihre dunklen Seiten. In der Pandemie offenbarte sich ein regelrechter Wettbewerb der Länder um den ersten Platz bei der Entwicklung der Corona-Impfstoffe. Man versuchte, Forschungsunternehmen aus anderen Ländern anzuwerben, um schnell einen Wirkstoff produzieren und über die entsprechenden Patente dafür verfügen zu können. Zumal sich Patente in internationalen Verhandlungen als effektives Druckmittel erweisen.
Was dabei übersehen wird: Auf diese Weise können Forscher zu Spielbällen in internationalen politischen Konflikten werden. Bei einer diplomatischen Auseinandersetzung zwischen Kanada und Saudi-Arabien im Jahr 2018 zog Saudi-Arabien über 15.000 Medizinstudenten und deren Familien aus Kanada ab. Dies brachte die kanadischen Krankenhäuser in eine schwierige Situation, da sie auf diese externen Kräfte angewiesen waren.
Gemeinsam forschen gegen globale Probleme
Die gute Nachricht: Science Diplomacy bringt in den meisten Fällen Wissenschaftler einander näher. So haben die Vereinten Nationen auf der ganzen Welt gemeinsame Forschungsinstitute gegründet. Auch die EU ist in dieser Weise aktiv. In der arktischen Region um den Nordpol erforschen Nationen Seite an Seite den Klimawandel. Russische, amerikanische, aber auch chinesische Wissenschaftler sind vor Ort, um sich über den aktuellen Stand der Klimaforschung auszutauschen.
In einer so globalisierten Welt wie heute arbeiten eben nicht nur Staaten enger zusammen. Ob gewollt oder ungewollt. Alle sind in der einen oder anderen Form auf wissenschaftliche Errungenschaften angewiesen. Doch nur wenn diese etwa durch Patente oder Umweltdaten geteilt werden, können Herausforderungen wie ein weltweites Virus oder der Klimawandel – Phänomene, die uns alle mehr oder weniger betreffen – in Angriff genommen werden.
Welchen Missbrauch die Wissenschaft in der Vergangenheit erfahren musste, zeigt sich insbesondere an der Atombombe. Nachdem Albert Einstein realisiert hatte, dass seine Theorien zum Bau dieser herangezogen wurden, hat er seine Arbeit bedauert. „Wenn ich die Folgen geahnt hätte, wäre ich Uhrmacher geworden“, lautet ein berühmtes Zitat ihm.
Wissenschaftsdiplomatie darf demnach nicht allein die internationale Kooperation zum Ziel haben für immer bessere Forschungsergebnisse. Sie muss auch eine Antwort finden auf die Frage: Was bedeutet Verantwortung in der Forschungspraxis?