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Geld, das allen gehört

Von Yves Bellinghausen / 24. November 2017
picture alliance / ROPI | Grassani/Fotogramma

Money can’t buy happiness? Von wegen! Geld ist eine der wichtigsten Ressourcen für ein gutes und glückliches Leben. Deshalb sollten wir es gerecht verteilen.

Wir leben in einer Welt, in der Geld – zum Leidwesen vieler – Voraussetzung dafür ist, dass Menschen sich gesund ernähren, sich bilden und für die Gesundheit sorgen können. In Deutschland ist die Lage im Vergleich zu anderen Ländern noch relativ gut; dennoch sind Bildung und Gesundheit immer noch mit dem Vermögen der Eltern und später mit dem eigenen Einkommen korreliert.

Diese finanziellen Abhängigkeiten zu erkennen ist wichtig. Besonders wir, die wir genug besitzen, dürfen uns nicht wegducken und mantrahaft behaupten, Geld spiele ja eigentlich gar keine so große Rolle. Vielmehr sollten wir uns klarmachen, wie wichtig der schnöde ökonomische Reichtum ist, wie viel einfacher und angenehmer er das eigene Leben machen kann.

Das soll keineswegs eine neoliberale Entfesselung legitimieren, eher im Gegenteil: Die Einsicht, dass Geld eine Art Grundressource darstellt, ist die Grundlage für die Forderung, dass jeder Mensch ein Recht auf gewissen ökonomischen Reichtum hat – etwa in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens.

Geld ist Menschenrecht

Nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gibt es bereits das Recht auf Wohlfahrt: „Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen (…).“ Geld ist eine wesentliche Vorraussetzung dafür, ein glückliches Leben führen zu können. Deshalb sollte es jedem zustehen.

Nur an der Realisierung dieses Anspruchs hapert es gewaltig. Dabei sollte das rein rechnerisch kein Problem sein: 170 Billionen Euro beträgt das weltweite Brutto-Geldvermögen, schätzt die Allianz im aktuellen „Global Wealth Report“. Das lässt erahnen, dass keiner der etwa siebeneinhalb Milliarden Menschen auf der Welt von ein paar wenigen Euro am Tag leben müsste. Dennoch ist jeder zehnte Mensch von extremer Armut betroffen: Das Geld reicht nicht nur kaum für ein anständiges Leben. Es reicht nicht zum Überleben.

In Deutschland gibt es mehr 1,2 Millionen Millionäre. Gleichzeitig gelten 12,9 Millionen Menschen in Deutschland offiziell als arm, verfügen also über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens. Ein klassisches Umverteilungsproblem.

Weniger Geld, mehr Bedeutung

Der Einfluss von Geld auf die Lebensqualität ist dann besonders groß, wenn man wenig davon besitzt: Geld hat einen abnehmenden Grenznutzen. Ab einer bestimmten Summe verliert sich der zufriedenstellende Effekt des Geldes. Anders gesagt: Der erste Euro ist viel wichtiger als der zehntausendste Euro. Wissenschaftler gehen davon aus, dass ab etwa zwischen 80.000 und 100.000 Euro Jahreseinkommen zusätzliche Einnahmen kaum glücklicher machen.

Der Unterscheid zwischen 1.000 Euro und 2.000 Euro Monatsgehalt aber ist enorm. Darin spiegelt sich der Übergang von der Armutsgrenze – die liegt in Deutschland nämlich bei 1.033 Euro – zu einem auskömmlichen Leben, in der der Mensch sich „auch mal was leisten“ kann.

Die Tatsache, dass die Ressource Geld seinem Eigentümer weniger bedeutet, je mehr Überfluss er davon hat, scheint ein Grund dafür zu sein, dass das Credo „Money can‘t buy happiness“ so beliebt ist.

Aber den Luxus, die Bedeutung von Geld zu marginalisieren, muss man sich erstmal leisten können!

Es ist falsch, nein, geradezu zynisch, wenn Menschen – vor allem in den USA und hier in Europa – davon reden, dass Geld doch eigentlich kein wirkliches Glück kaufen könnte. Ausgerechnet diese reichen Regionen behaupten das, wo doch ihr Wohlstand zu einem nicht unwesentlichen Teil auf der Ausbeutung anderer Erdregionen basiert. Wie ironisch, dass es gerade hier als verdächtig gilt, ökonomischen Reichtum für einen besonders wichtigen Wert zu halten.

Klar: Wer der Gesellschaft einen Mehrwert bringt, wer tüchtig oder mutig ist, den sollte man dafür entsprechend entlohnen. Manche Menschen haben dadurch und oft auch aufgrund glücklicher Umstände deutlich mehr Geld als andere. Aber dieses System scheint völlig außer Kontrolle geraten zu sein: Menschen, die von Devisen leben, können Millionen besitzen; Menschen mit drei Nebenjobs dagegen unter der Armutsgrenze landen. Die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft ist sich einig, dass das fürchterlich ist und trotzdem ändert sich kaum etwas. Warum?

Niemand kann einen derart großen Beitrag zur Gesellschaft leisten, dass er 20 Mal mehr von der Grundressource Geld besitzen sollte oder gar „verdient“ als andere. Enorme Reichtumskonzentrationen auf Einzelne sind grundsätzlich fragwürdig. Es gibt ein Grundrecht auf einen gewissen monetären Reichtum aller. Wir sollten dieses Recht ernstnehmen.

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