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Gemeinsame Werte statt Kulturrelativismus

Von Europa Konferenz / 22. Juli 2016
In die Zukunft schauen: Was sie bringt, ist derzeit noch Kaffeesatzleserei. Aber Visionen müssen es sein!
Foto: Jonas Jordan

Welche Vision hat die Sozialdemokratie in der Flüchtlings- und Integrationsfrage nach der Verabschiedung des Integrationsgesetzes und dem Vorschlag eines Einwanderungsgesetzes? Darauf wird eine Antwort benötigt und keine Kaffeesatzleserei.

Von Claire Pflueger

In der vergangenen Woche hat der Bundesrat das neue Integrationsgesetz gebilligt, das zuvor vom Bundestag beschlossen wurde. Zuvor, im März dieses Jahres, einigte sich Vizekanzler Sigmar Gabriel bereits mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auf die Forderungen der SPD nach einem Solidarpakt. Somit werden ab 2017 mehr als fünf Milliarden Euro pro Jahr für Integration zusätzlich ausgegeben. Die SPD ist also durchaus in der Lage, eigene Visionen im Hinblick auf Flüchtlings- und Integrationsfragen durchzusetzen. Die Handschrift der Sozialdemokrat*innen ist beim Integrationsgesetz klar erkennbar. Nicht nur die Lockerung der Vorrangprüfung, also die Bevorzugung von EU-Bürger*innen oder Deutschen gegenüber Asylsuchenden, aber auch die Rechtssicherheit, die auszubildenden Asylsuchenden versichert werden soll, sind eindeutig sozialdemokratische Forderungen gewesen.

Es stellt sich lediglich die Frage, ob die Bestimmung des Wohnorts und die rigiden Sprachauflagen nicht aus verfassungsrechtlicher Perspektive einen zu großen Eingriff in die Freiheiten der Asylsuchenden darstellen. Der Bundestagsabgeordnete und Integrationsbeauftragte der SPD-Fraktion Josip Juratovic erklärt: »Die Wohnortpflicht stellt einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Asylbewerber*innen da. Dies ist rechtlich zumutbar und notwendig, um die Länder und Kommunen zu entlasten und gleichzeitig eine schnelle und direkte Integration zu gewährleisten.«

Legale Wege der Arbeitsmigration schaffen

Unter dem Motto »Fördern und Fordern« steht auch der Vorschlag der SPD für ein neues Einwanderungsgesetz, das das Zuwanderungsbegrenzungsgesetz von 2005 ablösen soll. Legale Wege der Arbeitsmigration gerade für qualifizierte Fachkräfte zu schaffen, steht schon lange auf der Agenda der Partei. Mit der Flüchtlingsfrage sehen die Sozialdemokrat*innen Chancen, den Gesetzesvorschlag durchzubringen. Josip Juratovic sagt dazu: »Realistisch betrachtet werden wir die Union in dieser Legislaturperiode nicht mehr davon überzeugen können. Dennoch werden wir unser Ziel nicht aus den Augen verlieren.«

Perspektivisch müsse auch die Europäische Union wieder mehr zur Flüchtlings- und Integrationspolitik beitragen. Das Vorangehen Deutschlands in der Flüchtlingskrise mache die EU auf Dauer kaputt, so der Integrationsbeauftragte Josip Juratovic. Die EU müsse gemeinsame Lösungen erarbeiten, um den Flüchtenden einen sicheren Hafen und Zukunftschancen zu gewähren. Gerade angesichts des Rechtsrucks ist eine gemeinsame Zukunftsvorstellung von großer Bedeutung.

Welche Vision für die Gesellschaft?

Sozialdemokrat*innen sind sich einig, Integration nicht mit dem Sprichwort »andere Länder, andere Sitten« abzutun und somit Populist*innen die Definitionsmacht über eine »deutsche Identität« zu überlassen. Darin bestünde nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Armin Pfahl-Traughber die »Paradoxie der Toleranz«. In der aktuellen Ausgabe der Neuen Gesellschaft/Frankfurter Hefte schreibt er: »Warum soll etwas, das als anders oder gar bedenklich gilt, trotzdem anerkannt und geduldet werden?« Diese Frage beantworteten heute lautstark AfD und Anhänger*innen, während Kulturrelativist*innen sich der Auseinandersetzung mit Normen verweigerten. Dies falle zu Gunsten einer vermeintlich toleranten Haltung aus.

Die Rolle der Frau wird in diesem Diskurs immer wieder als ideales Beispiel herangeführt. Gleichermaßen hat es in Deutschland mehrere Dekaden gebraucht, um die Gleichstellung von Mann und Frau zumindest rechtlich zu verankern. Armin Pfahl-Traughber formuliert eine sozialdemokratische Zukunftsperspektive für die Integrationspolitik. Statt einer kulturrelativistischen Position müsse eine kulturpluralistische Position vertreten werden, mit gemeinsamen Werten, was sozial erwünscht sei und was nicht. Cornelia Schu, Geschäftsführerin des Sachverständingenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, sieht das in derselben Ausgabe der Neuen Gesellschaft/Frankfurter Hefte ähnlich: »Hier muss der gesellschaftliche Diskurs neben den rechtlichen treten.«

Die gemeinsamen Werte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität haben die Sozialdemokratie seit jeher in Krisensituationen für sich und die Gesellschaft interpretieren können. Bei der Frage der Integrations- und Flüchtlingspolitik in Deutschland hat sie das bereits bewiesen mit den Forderungen im Integrationsgesetz, dem Solidarpakt und dem Entwurf eines Einwanderungsgesetzes. Das wird die Sozialdemokratie in Zukunft weiterhin tun müssen.

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