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Die deutsch-koreanische Teilungsgeschichte

Von Daniel Lehmann / 3. Oktober 2014
picture alliance / akg-images / Guenther Schaefer; Parole an der Berline Mauer nach der Grenzöffnung 1989

Die jüngere Geschichte Deutschlands und Koreas weist etliche Parallelen auf. Dennoch scheinen Nord- und Südkorea von einer Wiedervereinigung weit entfernt. Ein historischer Vergleich der koreanischen und der deutschen Teilung. Nach dem Zweiten Weltkrieg Sowohl Deutschland als auch Korea wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in Besatzungszonen aufgeteilt. Die deutschen Besatzungsmächte waren Frankreich, Großbritannien, die USA und […]

Die jüngere Geschichte Deutschlands und Koreas weist etliche Parallelen auf. Dennoch scheinen Nord- und Südkorea von einer Wiedervereinigung weit entfernt. Ein historischer Vergleich der koreanischen und der deutschen Teilung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Sowohl Deutschland als auch Korea wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in Besatzungszonen aufgeteilt. Die deutschen Besatzungsmächte waren Frankreich, Großbritannien, die USA und die Sowjetunion. In Korea verwaltete die Sowjetunion den Nordteil des Landes, während die USA den Süden kontrollierte.

Die gegensätzlichen politischen Vorstellungen der demokratischen und kapitalistischen Westmächte einerseits und der sozialistischen und zentralistischen Sowjetunion andererseits führten in Deutschland zur Gründung von BRD und DDR.

Südkoreanische Soldaten stehen während des Koreakriegs neben einem 57mm-Panzerabwehrgeschütz. (Foto: US Army Korea / http://www.dodmedia.osd.mil)
Südkoreanische Soldaten stehen während des Koreakriegs neben einem 57mm-Panzerabwehrgeschütz. (Foto: US Army Korea / http://www.dodmedia.osd.mil)

Ähnlich gestaltete sich der politische Konflikt zwischen USA und Sowjetunion auf der Koreanischen Halbinsel. Auf die von den USA initiierten demokratischen Wahlen im Süden reagierte der Norden mit der Ausrufung der Demokratischen Volksrepublik Korea.

Im Gegensatz zu Deutschland geschah die Teilung aufgrund des auf beiden Seiten vorhandenen gesamtkoreanischen Machtanspruchs. Der Koreakrieg, ein Stellvertreterkrieg für die Besatzungsmächte, wütete von 1950 bis 1953 und endete mit der Manifestation der Spaltung Koreas.

Fluchtversuche

Zwar blieb Deutschland von einer innerdeutschen militärischen Auseinandersetzung verschont, mit der Mauer gestaltete sich die Teilung aber vergleichbar strikt.

Trotz der Abriegelung durch die Mauer schafften es DDR-Bürger, das Land illegal zu verlassen. Die sogenannte Republikflucht gelang unter anderem über Tunnel, über Botschaften im Ausland oder für Künstler und Sportler bei Veranstaltungen und Wettkämpfen außerhalb der DDR. Schon vor dem Mauerbau verließen laut der Bundeszentrale für politische Bildung um die 3,8 Millionen Menschen die DDR – 1946 zählte die sowjetische Besatzungszone 18,5 Millionen Einwohner.

Zwar flüchten auch aus Nordkorea ähnlich wie aus der DDR Menschen, aber genaue Statistiken über sie gibt es nicht. Einige der geflohenen Jugendlichen finden Unterstützung beim Religionspädagogischen Institut für Gerechtigkeit und Frieden des Berliner Missionswerks. Sie berichten von gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten und humanitären Missständen.

In Deutschland konnte die „Abstimmung mit den Füßen“ zwar durch die Mauer stark eingedämmt werden, trotzdem führten die Unzufriedenheit mit dem politischen System, die Ablehnung der Stasi-Überwachung und die wirtschaftlichen Aussichten in Westdeutschland letztlich zum Ende der DDR.

Menschenjubel nach Fall der Berliner Mauer, 1989. (Foto: Berliner Senat / CC BY-SA 3.0)
Menschenjubel nach Fall der Berliner Mauer, 1989. (Foto: Berliner Senat / CC BY-SA 3.0)

Streben nach Wiedervereinigung

Mit der deutsch-deutschen Wiedervereinigung waren mehr als 40 Jahre der Trennung vorbei. Korea ist mittlerweile schon seit fast 70 Jahren geteilt. Je länger die Teilung anhält, desto größer ist die Gefahr der sozialen Isolation und fehlenden Identifikation.

„Die südkoreanische Bevölkerung befürwortet zwar mehrheitlich die Vereinigung, aber die Zahl der Vereinigungsskeptiker hat in der letzten Zeit stark zugenommen“, sagt Unsuk Han, Dozent am Asien-Orient-Institut der Universität Tübingen. „Die negative Haltung zur Wiedervereinigung ist bei der Jugend außerdem viel stärker ausgeprägt.“ (Das ganze Interview mit Dr. Han finden Sie hier)

Trotzdem ist auf der südkoreanischen Seite das Streben zur Wiedervereinigung auch abseits der Politik noch deutlich erkennbar. Neben etlichen Webseiten und Blogs, die ein einheitliches Korea fordern, finden immer wieder Aktionen und Aufrufe statt.

Teilnehmer an der internationalen Fahrradtour "One Korea new-Eurasia" für die Wiedervereinigung Koreas starten am 13.08.2014 in Berlin am Brandenburger Tor. Die Tour soll in 100 Tagen 15 000 Kilometer durch Polen, die drei Baltischen Staaten, Russland, Kasachstan, die Mongolei und China nach Seoul in Korea führen. (Foto: Jens Kalaene/dpa)
Die Fahrradtour „One Korea new-Eurasia“ startetn am 13.08.2014 in Berlin am Brandenburger Tor.und soll in 100 Tagen 15 000 Kilometer durch Polen, die drei Baltischen Staaten, Russland, Kasachstan, die Mongolei und China nach Seoul in Korea führen. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Derzeit fahren beispielsweise dutzende Teilnehmer unter dem Motto „One Korea New-Eurasia“ im Rahmen einer transeurasischen Fahrradtour in 100 Tagen 15.000 Kilometer bis Korea. Begonnen hat die Tour am 13. August am Brandenburger Tor, das auch in Südkorea als hoffnungsvolles Symbol für die Wiedervereinigung gilt.

Die Lage in Nordkorea ist schwer einzuschätzen. „Die Bevölkerung wird von der Kindheit an stark ideologisch sozialisiert“, sagt Han. „Auch wegen der Zensur kann sie ihre wahre Meinung über die koreanische Frage nicht äußern. Nichtsdestotrotz wird die Vereinigung, die von Südkorea geleitet wird, vermutlich von der großen Mehrheit der nordkoreanischen Bevölkerung abgelehnt.“

Menschenrechtsverletzungen

Die Überwachungssystematiken und Menschenrechtsverletzungen der DDR sind hierzulande hinlänglich bekannt. Von dem Ausmaß der Missstände in Nordkorea existiert durch die Abschottung des Landes nur ein sehr undeutliches Bild.

In der diesjährigen Rangliste zur internationalen Pressefreiheit der NGO Reporter ohne Grenzen belegt Nordkorea den vorletzten Platz (Deutschland ist 14., Südkorea 57.). Die Länderberichte von Amnesty International, Freedom House und weiteren unabhängigen Einrichtungen stufen die Menschenrechtsverletzungen und Einschränkungen der Persönlichkeit in Nordkorea als alarmierend ein.

Eine Untersuchungsdelegation der Vereinten Nationen für Menschenrechte warf Nordkorea im Februar 2014 nach einjähriger Untersuchung schwere Verbrechen vor. Nahezu berüchtigt sind die Straf- und Umerziehungslager oder auch Gulags des Staatssicherheitsministeriums. Die Summe der Einschüchterungs- und Kontrollmaßnahmen bewirkt vermutlich, dass größere Revolten bislang ausgeblieben sind.

Die Kosten der Einheit

Ein erheblicher Faktor in der Vereinigungsfrage ist deren Wirtschaftlichkeit. Bis heute soll der Solidarpakt in Deutschland die unterschiedliche Finanzkraft der Länder ausgleichen. Das Großprojekt „Aufbau Ost“ ist dabei bis dato nur im Ansatz erfüllt worden.

Grund dafür sind unter anderem auch falsche Prognosen im Rahmen der Wiedervereinigung. „Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der neuen Bundesländer wurde damals viel höher eingestuft als sie tatsächlich war“, sagt Everhard Holtmann vom Zentrum für Sozialforschung an der Universität Halle-Wittenberg.

In Südkorea beobachtet man deshalb ganz genau, wie sich die deutsche Ökonomie entwickelt. „Die finanzielle Belastung wird in Südkorea viel größer sein, weil der nordkoreanische Bevölkerungsanteil im Vergleich zum Anteil der Ostdeutschen viel größer ist“, meint Han. „Auch das Wohlstandsgefälle ist in Korea viel größer.“

Für Holtmann ist das wirtschaftliche Risiko zweitrangig: „Eine denkbare Wiedervereinigung wegen finanzieller Bedenken auszuschlagen, wäre der historischen Möglichkeit überhaupt nicht angemessen. Man sollte die Kosten stets in Bezug setzen zur eigentlichen Zwecksetzung.“

Auch Han betont: „Die positiven Folgen der Vereinigung werden viel mehr wert sein als die veranschlagten Kosten. Die direkten Verbindungen zu China als größtem Markt der Welt sowie zu Russland und der Handel mit Europa auf Schienen werden enorme wirtschaftliche Vorteile schaffen.“ Außerdem könnten die reduzierten Verteidigungskosten für die Wohlfahrt verwendet werden.

Nach der Wiedervereinigung

Nordkorea hat bis heute keine Anzeichen gemacht, die auf ein ernsthaftes Interesse an einer Wiedervereinigung schließen lassen. Deutschland unterhält zwar eine diplomatische Vertretung in Pjöngjang, nach Angaben des Auswärtigen Amts gab es bezüglich Einheitsfragen aber noch keinen Kontakt.

Als Teil einer Pro-Wiedervereinigungskampagne marschieren Südkoreanische Studenten im August 2014 entlang der Grenze, die Korea teilt. (Foto: picture alliance / Yonhap)
Als Teil einer Pro-Wiedervereinigungskampagne marschieren Südkoreanische Studenten im August 2014 entlang der Grenze, die Korea teilt. (Foto: picture alliance / Yonhap)

Viel intensiver ist der Austausch mit Südkorea. Seit Dezember 2012 läuft beispielsweise ein Projekt zwischen dem Zentrum für Sozialforschung Halle und dem Wiedervereinigungsministerium der Republik Korea. Gemeinsam wird untersucht, welche politischen und administrativen Modelle ab einem Tag X der Wiedervereinigung Perspektive haben.

Diktatorische Systeme sollten zum Beispiel durch dezentrale und regionale Verwaltungen ausgetauscht werden. Neben einem Föderativsystem scheint eine Konföderation für das geeinte Korea sinnvoll. „Dann könnte man durch sektorale Kooperation wie in der gemeinsamen Agrarpolitik das Vertrauen gewinnen und weitere Vorstöße wagen“, sagt Holtmann. Mit dieser Strategie schuf auch die damalige BRD über die diversen Ostverträge bis hin zu den Zwei-plus-Vier-Verträgen die Grundvoraussetzungen für die Wiedervereinigung.

„Die nordkoreanische Führung wird keinen Schritt weiter gehen, wenn dieser Schritt die politische Macht der Führung gefährdet“, meint Han. Die konservativen Eliten in Südkorea neigten oft dazu, durch die Politik der Stärke das nordkoreanische Regime zum Zusammenbruch führen zu wollen.

Aber diese Konfrontationspolitik wird die politische Legitimation der kommunistischen Diktatur laut Han eher verstärken. „Wir müssen durch humanitäre Hilfe und enge wirtschaftliche Kooperation allmählich das Vertrauen und die Herzen der nordkoreanischen Landsleute gewinnen.“

Bei der dann zu erwartenden Legitimationskrise der nordkoreanischen Führung werde die Bevölkerung nach der Vereinigung mit dem Süden verlangen und entsprechend politisch handeln.

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