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Leben auf Pump

Von Sophie Hubbe / 15. September 2016

In vielen Bereichen spielt Deutschland ganz vorne mit, auch beim Thema Ressourcenverbrauch befinden wir uns auf der Überholspur. Doch das Überholmanöver droht zu scheitern.

Die NGO Global Footprint Network ist ein Zusammenschluss internationaler Forscher, die jenen Tag berechnen, an dem die Menschheit ihre natürlichen Ressourcen für ein Jahr aufgebraucht hat. 2016 fiel dieser Stichtag auf den 8. August und lag damit fünf Tage vor jenem von 2015.

Das bedeutet: nach knapp acht Monaten hat die Weltbevölkerung bereits soviel Ressourcen verbraucht, wie unsere Erde in zwölf Monaten regenerieren kann. Täglich verbrauchen wir jetzt mehr Ackerland, Fischbestände und Waldgrund als uns zur Verfügung steht. Noch im Jahr 2000 lag der sogenannte Earth Overshoot Day auf dem 1. Oktober. Führt man die Rechnung weiter, droht ein bitteres Ende.

Wir verbrauchen nicht nur bei unserer Fortbewegung zu viel CO2, auch unser Energieverbrauch insgesamt ist deutlich zu hoch und die industrielle Landwirtschaft kann unseren Konsum nicht decken. Vor allem die Fleischproduktion stellt mit ihrem großen Bedarf an Nutzflächen einen ressourcenfressenden Bereich dar – sprichwörtlich. Die unmittelbaren Konsequenzen dieses Überstrapazierens natürlicher Ressourcen spüren wir bereits jetzt: Die biologische Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt sinkt und Extremwetter-Ereignisse nehmen merklich zu. Wir scheinen uns jedoch so sehr an unseren Lebensstil gewöhnt zu haben, dass ein Verzicht oder Umdenken schwerfällt. Und reden uns auch gern ein, dass Rohstoffe immerhin nachwachsen. Also: Alles halb so wild?

Grüner denken

Um unsere nachfolgenden Generationen zu schützen, müssen wir jetzt umsteuern. Dazu braucht es eine gesamtgesellschaftliche Bewegung, erklärt Mathis Wackernagel, Präsident des Global Footprint Networks. So müssten wir uns fragen, wie wir in Zukunft leben wollen. „Wollen wir in einem Haus leben, das energieeffizient ist und wenig Autoverkehr braucht […] oder ist uns das Wurst und wir exponieren uns dann mehr, wenn die knappen Ressourcen sich auch ökonomisch auswirken?“1

Diese Frage stellen sich auch große Unternehmen. „Grüner denken“ wird zur neuen Marketingstrategie. So bieten neben kleineren Unternehmen wie naturstrom zunehmend auch Energieriesen wie e.on oder RWE sogenannten Ökostrom an. Dabei preist e.on mit Verantwortung und verkündet „Wir gestalten die Zukunft der Energie“ und RWE verspricht bis 2050 seine Stromerzeugung klimaneutral zu gestalten. Dann wird es jedoch zu spät sein.

Probleme direkt vor Ort angehen, ist stattdessen die Strategie der „Bürgerwerke – Energie in Gemeinschaft“, einem Zusammenschluss von selbsterklärten Energiebürgern. Die Gemeinschaft bündelt Stromerzeugung aus Bürgerenergieanlagen, um unabhängig von etablierten Energiekonzernen agieren zu können. Jeder Bürger kann hier die Energiewende aktiv mitgestalten, indem er dafür sorgt, dass regionale Kreisläufe geschlossen und Ressourcen direkt vor Ort verbraucht werden.

Gemeinsam gemeinnützig

Vor allem die Wissenschaft arbeitet seit Jahren an Konzepten für ein nachhaltiges Leben. Der wahrscheinlich größte Zusammenschluss von Personen aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik ist der Club of Rome. Seit seiner Gründung 1968 ist es sein erklärtes Ziel, sich für eine lebenswerte Zukunft der Menschheit einzusetzen. Heute gibt es in 32 Ländern „National Associations“ des Clubs. Neben der Vermittlung von Referenten und der Unterstützung bei Initiativen, sind vor allem die zahlreichen Berichte ein wichtiges Instrument, um zu unterschiedlichen Zukunftsfragen Einfluss und Aufmerksamkeit zu erzielen.

Am Ende stellt sich jedoch die Frage, wie verhält sich die Politik? Sofort fallen Begriffe wie „Europa 2020“, die viel diskutierte Wachstumsstrategie der Europäischen Union. Bis 2020 sollen hiernach die Treibhausgasemission um mindestens 20% gegenüber 1990 gesenkt, der Anteil der erneuerbaren Energien auf 20% erhöht und die Energieeffizienz um 20% gesteigert werden. In der Leitinitiative für ein ressourcenschonendes Europa findet sich ein langfristig angelegter Aktionsrahmen für Maßnahmen innerhalb der Politik sowie Anregungen zur Unterstützung in Bereichen wie Klimaschutz, Verkehr oder Rohstoffe.2

Bei den Untersuchungen des Global Footprint Networks nimmt Deutschland eine nur durchschnittliche Rolle ein. Wir Deutschen sollten jedoch auch in diesem Bereich eine Vorreiterrolle einnehmen, allein, weil wir können. Hierfür müssen wir in erster Linie umdenken und das nicht erst bei der Wahl unseres Stromanbieters. Schon der Kauf von regional angebautem, saisonalem Obst und Gemüse oder fairtrade-produzierten Kleidungsstücken kann ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit sein. Auch eine Verweigerung der Teilnahme an der Fußball-Europameisterschaft 2020, die an 13 Spielorten in 13 Ländern stattfinden soll, wäre ein Statement. Zwischen Dublin und Baku liegen immerhin 4 000 Kilometer Luftlinie, um von einem Spielort zum nächsten zu kommen. Mit nachhaltiger, ressourcenschonender Energiepolitik hätte das Hinterherreisen wenig zu tun. Kurz: Es geht darum, unsere Politik und Lebenseinstellung zu ändern. Nicht das Klima.

1

Schuler, Marcus: Für 2016 war’s das, in: tagesschau.de vom 08.08.2016, vgl. URL: https://www.tagesschau.de/ausland/weltueberlastungstag-101.html

2

Hier die Leitinitiative zum Nachlesen: http://ec.europa.eu/resource-efficient-europe/pdf/resource_efficient_europe_de.pdf

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