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Mein Vater, der Schreinermeister

Von Katrin Gröh / 6. März 2024
Virginija Vaidakaviciene /Shotshop/picture alliance

Frisches Holz und süßlicher Lack – diese Gerüche haben meine Kindheit geprägt. Auch das Surren, Sausen und Quietschen von Maschinen aus der Schreinerei neben meinem Elternhaus bleiben mir auf ewig im Gedächtnis. Das Holzhandwerk gehört zu mir und meinem Heimatgefühl.

Ich weiß, wie sich Sägespäne zwischen den Fingern anfühlen und welchen Leim man sich am besten wie Haut von den Handflächen ziehen kann, um der Oma einen Schrecken einzujagen. Ich erinnere mich an die überlangen LKWs und ihre Holzlieferungen und den Vorteil, Papa bei Kunsthausaufgaben um Hilfe bitten zu können.

Mein ehemaliger Kunstlehrer hat mir vermutlich nie abgekauft, dass ich das modellierte Haus mit den perfekten Winkeln und detaillierten Fenstern wirklich alleine zusammengebaut hatte.

Ein fader Beigeschmack

Mit dem Schreinerhandwerk sind oft idyllische Vorstellungen verbunden. Doch die geraten zunehmend ins Bröckeln. Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) gab es im Jahr 2022 nur rund 18.000 Auszubildende. Zum Vergleich: 2002 waren es noch gut 30.000 und 1997 sogar etwa 42.000 Lehrlinge. Und mit den Auszubildenden geht die Zahl der Betriebe zurück. Immer mehr müssen ihre Werkstätten schließen – auch weil es an Nachfolgerinnen oder Nachfolgern mangelt.

Doch woran liegt das? Was hat sich verändert? Darüber spreche ich mit meinem Vater, der vier Jahrzehnte als Schreinermeister gearbeitet hat.

Aber zuerst geht’s auf eine Reise in die Vergangenheit.

Papa, wann hast du deine Ausbildung zum Schreiner gemacht?

Harald Dirscherl: 1966 kurz nach meinem 15. Geburtstag. Gelernt habe ich in der Firma meines Vaters und es gehörte sich so, dass der Sohn irgendwann den Betrieb übernimmt. Meine Berufswahl stand also nicht zur Debatte.

Was hättest du denn stattdessen lieber gemacht?

(Lacht): Wenn ich ehrlich bin, wäre ich damals schon lieber Rennfahrer geworden. Aber Spaß beiseite, ich fand die Arbeit als Schreiner dennoch gut. Mir hat gefallen, dass ich mich kreativ ausleben konnte. Wäre ich nochmal jung, würde ich wieder als Schreiner arbeiten wollen – allerdings nur selbstständig. Als Angestellter würden mir die Freiräume fehlen. 

Wie hast du deine Zeit als Lehrling empfunden?

Hart. Es gab 50 Mark pro Monat auf die Hand und dabei Arbeitszeiten von Montagfrüh bis Samstagmittag. Im väterlichen Betrieb hatte man es nicht so leicht, wie viele vielleicht erwarten. Ich musste mich tatsächlich mehr beweisen als meine Kollegen. Das Sprichwort „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ wurde noch wörtlich genommen. Nichtsdestotrotz war das Schreinerhandwerk sehr beliebt. Manche hätten in den 60ern sogar auf Lohn verzichtet, um eine Lehrstelle bei einem Schreiner zu ergattern. Er galt als ein Beruf mit Zukunft.

Bist du selbst später als Arbeitgeber anders mit deinen Lehrlingen umgegangen?

Ja, ich habe mich um einen familiären Umgang auf Augenhöhe bemüht, das war mir wichtig. Hierarchien gab es nicht. Das hat sich ausgezahlt, ich konnte mich auf meine Mitarbeiter immer verlassen.

Damals lief das Handwerk auch noch richtig gut, nicht wahr?

Ja, bis zur Jahrtausendwende. Am besten waren die 80er und frühen 90er Jahre. Die meisten Aufträge kamen vom Staat und der Kirche. Aber auch Privatkunden haben gern in hochwertige Möbel investiert. Besonders beliebt war Massivholz.

Harald Dirscherl (Foto : privat)

Haben sich seitdem die Vorstellungen, die Prioritäten der Menschen verändert?

Das glaube ich nicht unbedingt. Es ist eher eine finanzielle Frage. Als der Euro eingeführt wurde, stiegen zum einen die Materialpreise, zum anderen hatten Kunden weniger Geld zur Verfügung. Dementsprechend mussten sie auf alternative Lösungen ausweichen.

Die Zahlen der Auszubildenden im Schreinerhandwerk gehen zurück. Warum wollen immer weniger junge Menschen das Schreinerhandwerk erlernen?

Meiner Meinung nach liegt‘s an der Bezahlung. Die ist einfach zu schlecht. Kinder von Bekannten haben zum Beispiel eine Handwerksausbildung gemacht, arbeiten aber jetzt in der Fabrik. Da gibt’s mehr Geld. Außerdem mangelt es an kleinen und familiären Betrieben. Vieles wurde von der Industrie verdrängt.

Stichwort Industrie. Was hältst du von Möbelhäusern wie beispielsweise Ikea?

(Lacht): Frag nicht. Zwar stellen die mittlerweile auch hochwertige Möbel her, aber so richtig warm werde ich damit nicht. Ich weiß noch, als du damals nach dem Abitur ausgezogen bist und dir von dort Möbel geholt hast. Die wollte ich nicht mal aufbauen. 

Wenn du selbst heute ein Möbelstück bräuchtest, würdest du es individuell anfertigen lassen oder „von der Stange“ kaufen?

Gute Frage. Am liebsten würde ich es natürlich selber herstellen, aber die Zeiten sind vorbei. Daher vermutlich bei Kollegen, die noch nicht in Rente sind.

Möbel werden zunehmend in erwähntem schwedischem Möbelhaus oder anderen Ketten gekauft, Investitionen in die Zukunft sind unsicher – warum sollten junge Menschen dennoch den Beruf des Schreiners oder der Schreinerin ergreifen?

Wenn euer Herz für Holz schlägt, dann lasst euch nicht verunsichern und zieht – wie man heute so schön sagt – euer Ding durch. Es bringt nichts, sich in eine Rolle zu zwängen, in der man nicht glücklich ist. Ich würde lieber scheitern, als es gar nicht versucht zu haben. Man bereut schließlich nur die Dinge, die man nie gemacht hat.

Eine Antwort zu “Mein Vater, der Schreinermeister”

  1. Von Uschi Knieling am 7. März 2024

    Genau das sage ich meinen Jugendlichen in den Schulen, in denen ich als Azubi Headhunter Berufsfindungs Workshops anbiete. Lernt etwas das euch Spaß macht, denkt nicht in erster Linie ans Geld. Euer Beruf den ihr erlernt und eine Bereicherung für euch ist, kann euch ein ganzes Leben begleiten. Nur wer im Beruf glücklich ist, lebt seinen Traum auch aus und ist zufrieden. Wer du dich für eine Ausbildung entschließt, heißt das nicht, dass man sich danach nicht um entscheiden darf. Manche machen 2 Ausbildungen und danach den Meister, eröffnen einen eigenen Betrieb. Geht nicht- gibts nicht im Handwerk.

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