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„Mit Spott kann man nicht die Welt retten“

Von Marlene Thiele / 22. März 2016
picture alliance / Eventpress Hoensch | Eventpress Hoensch

… aber etwas verändern lässt sich damit allemal. Der Medienwissenschaftler Benedikt Porzelt forscht über den Einsatz von Humor in der politischen Kommunikation. Im Interview erklärt er, welche Macht Kabarett und Satire-Shows auf den politischen Betrieb ausüben können.

Herr Porzelt, was macht ein Satiriker?

Ein Satiriker ist ein gekränkter Idealist. Er beklagt auf zugespitzte Weise den Status Quo. Gesellschaftliche Schieflagen werden von ihm aufgedeckt, spöttisch kritisiert und gelangen im Idealfall in die öffentliche Diskussion.

Nimmt Satire dadurch eine politische Rolle ein?

Ja, vor allem das klassische Kabarett vertritt eine klare politische Position. Die ist viel stärker als bei Comedy-Formaten. Bei den aktuell sehr populären Fernsehshows handelt es sich meistens um Mischformate. In der heute-show gibt es zum Beispiel flache Witze über Sigmar Gabriels Körperumfang und kurz danach wird eine Wahlstatistik satirisch kommentiert. Wie wichtig die journalistische Genauigkeit dabei ist, zeigt sich zum Beispiel daran, dass nach jeder Sendung alle Quellen im Internet veröffentlicht werden.

Satire und Politik – scheitert das auch manchmal?

Ja. Zum Beispiel hat heute-show-Moderator Oliver Welke vor einem Jahr die Linken-Politikerin Marlena Schiewer zur AfD-Sympathisantin gemacht. In der Show wurde ein kurzer Clip eingespielt, in dem sie sagt: „Ich möchte nicht mehr die NPD wählen, weil die mir zu rechtsextrem ist, und deswegen wähl ich jetzt die AfD. Ich sage immer, das ist die NPD in freundlich.“ So wie es geschnitten wurde, klang das nach ihrer eigenen Aussage. Ein entscheidender Teil fehlte jedoch: Eigentlich beschrieb sie die Ansichten vieler rechter Wähler in ihrem sächsischen Wahlkreis. Welke entschuldigte sich in der darauffolgenden Sendung und zeigte Schiewers Aussage noch einmal in voller Länge. Damit war sie dann einverstanden.

Gibt es auch weniger reibungslose Fälle?

Es gibt immer wieder juristische Klagen, beispielsweise wenn sich jemand beleidigt fühlt. Die Rechtslage muss dann im Einzelfall geklärt werden. Vor allem bei persönlichen Attacken ist es entscheidend, ob sich diese gegen eine Privatperson oder eine „Person der Zeitgeschichte“ mit öffentlicher Funktion richten. Zentral ist dabei immer die Frage, inwiefern die Satire durch ihre Darstellung zum öffentlichen Meinungsbild beiträgt oder sie vielmehr die Persönlichkeitsrechte ihres Opfers verletzt.

Kurt Tucholsky hat gesagt, „Satire darf alles“ – das stimmt also nicht?

Zunächst ist doch die Frage: Was ist Satire? Es gibt auch immer wieder Beispiele, wo unter dem Deckmantel der Satire ziemlich hetzerische Aussagen getroffen werden. Und natürlich darf Satire nicht zu stark verfälschen, wie in dem Beispiel mit Marlena Schiewer.

Wie ist die Lage in anderen Ländern?

Da gibt es natürlich Unterschiede. Humor ist von der Kultur abhängig. Die juristische Kunstfreiheit, wie Deutschland sie hat, ist nicht selbstverständlich. In manchen Ländern steht auf Gotteslästerung die Todesstrafe.

Sie haben über Politiker in Satire-Shows promoviert. Lassen sich Politiker heute öfter verulken als früher?

Das ist eine interessante Entwicklung: Satire wird immer populärer und spricht ein breites Publikum an. Für Politiker sind Satire-Shows daher eine gute Gelegenheit, das eigene, humorvolle Image zu verbessern und unterhaltsam über politische Inhalte zu reden. Bei so einer Sendung kann man sich anders geben als bei gewöhnlichen Talkshows, wo oft nur in bekannten Floskeln geredet wird. Allerdings gehen die Politiker damit auch ein Risiko ein, denn Satire dient der Kritik an Politik – da heißt es dann, Schlagfertigkeit zu beweisen.

Gibt es Beispiele für ein besonders gutes oder schlechtes Auftreten eines Politikers in einer Satire-Show?

Ein Politiker, der sich ironisch präsentieren möchte, muss insgesamt auch der Typ dafür sein. Gut war zum Beispiel Winfried Kretschmann bei Pelzig hält sich Anfang 2014. Er war sehr ironisch, hatte aber auch durchaus etwas zu sagen. Weniger überzeugend war der Auftritt von Bernd Lucke bei der Latenight-Show Stuckrad-Barre. Der ehemalige AfD-Vorsitzende hat wirklich jeden Scherz mitgemacht, ohne Tabugrenzen zu ziehen. Zum Beispiel musste er sich die ganze Sendung in eine Griechenland-Flagge hüllen und ließ sich vom Moderator unter dem Arm beschnuppern. Das war einfach too much.

Der ehemalige Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn hat es als Politiker einer Spaß-Partei bis ins EU-Parlament geschafft.

Sonneborn geht mit seinen Aktionen aus dem fiktiven Raum in die reale Politik. Durch sein Agieren deckt er Fehler im System auf und argumentiert juristisch ernst dagegen. Natürlich kann er alleine nicht wahnsinnig viel im EU-Parlament bewegen, aber über die Missstände in Brüssel berichten kann er allemal.

In der heute-show wird die AfD immer wieder aufs Korn genommen. Besteht die Gefahr, dass eine Partei zu stark wird, wenn man sie zu lange nicht ernst nimmt?

Man sollte es eher den gewählten Politikern vorwerfen, dass sie die Partei zu lange nicht ernst genommen haben. Satire ist kein Journalismus. Sie will unterhaltsam Kritik üben und Probleme aufdecken. Mit Spott kann man nicht die Welt retten.

Welche Macht hat Satire dann?
Das kommt auch auf die Zuschauer an. Manche geben sich zufrieden, über die Themen zu lachen, andere forschen etwas weiter und beginnen, sich für Schieflagen zu interessieren, die ihnen zuvor gar nicht bewusst waren. Und dann bewirkt die Satire natürlich etwas.

Eine Antwort zu “„Mit Spott kann man nicht die Welt retten“”

  1. Von debatare am 14. April 2016

    Dieser Artikel ist ja grade durch die „Staatskrise“ sehr aktuell geworden.

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