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Nicht heute

Von Ohne Name / 13. Mai 2019
picture alliance / Zoonar | Robert Kneschke

Unsere Autorin könnte eigentlich jetzt Mutter werden. Ihr Freund ist toll, ihr Job familienfreundlich, ihre Wohnung groß genug. Dennoch zögert sie, sich ins gesellschaftliche Frauenideal einzufügen.

Ich bin 31 Jahre alt und damit in dem Alter, in dem Frauen in Deutschland durchschnittlich bei der Geburt ihres ersten Kindes sind. Strenggenommen hinke ich mit der Familienplanung also bereits hinterher. Ich könnte natürlich schon beim nächsten Eisprung einfach nicht mehr verhüten. Aber: Will ich das?

Jahrhundertelang war Mutterschaft quasi ebenso sehr Naturgesetz wie auch gesellschaftliches Idealbild und wichtigster Sinn im Leben einer Frau. Kinder zu bekommen und zu erziehen als logische nächste Stufe auf der weiblichen Entwicklungstreppe. Willkommen in der Realität!

Mutterschaft ist nicht alternativlos

Heute können wir Mutterschaft abwägen gegen andere Lebensentwürfe und Wünsche – und erfahren dafür immer weniger gesellschaftliche Gegenwehr. Mutterschaft ist nicht mehr alternativlos, ein Leben darf auch ohne Kinder als ein glückliches bezeichnet werden. Autorin Sheila Heti mit ihrem Roman „Mutterschaft“ und Soziologin Orna Donath mit ihrer Studie „Regretting Motherhood“ sind nur zwei der vielen Frauen, die öffentlichkeitswirksam das traditionelle Frau-und-Mutter-Bild in Frage stellen.

Das bleibt nicht ohne Folgen. „Sie sind die erste Frau unter 30, der ich in diesem Jahr eine Schwangerschaft bestätige“, sagte ein Frauenarzt einer Bekannten im Dezember 2018.

Aus meinem Bekanntenkreis stammt auch eine andere bemerkenswerte Statistik zur Familiengründung: Alle Frauen aus meinem Jahrgang, die die Region, aus der ich komme, nach dem Abitur nicht verlassen haben, sind inzwischen Mütter, die meisten mehrfach. Das verstärkt den Eindruck, als ob es entweder die Möglichkeit gäbe, ein rastloses Leben zu führen und durch die Welt zu ziehen, oder sich niederzulassen und zu vermehren.

Schnuller in den Augen

Zugegeben: Ich spüre es auch. Nach zwölf Jahren des Umherziehens und Um-die-Welt-Jettens wohne ich nun seit mehr als drei Jahren am gleichen Ort. Ich liebe meinen Freund, will mit ihm auch weiterhin mein Leben verbringen und bin mir sicher, dass er ein absolut fantastischer Vater wäre. Wir haben eine tolle Wohnung und sind finanziell so aufgestellt, dass wir zwar keine großen Sprünge machen, aber einem potentiellen Kind durchaus etwas bieten könnten. Zack! Schon habe auch ich Schnuller in den Augen.

Tagesformabhängig gebe ich meinem Freund deshalb vor, gerne gleich sofort oder doch erst nächsten Monat ein Kind zeugen zu wollen. Mich erfüllt ein wohlig-warmes Gefühl, wenn ich mir vorstelle, Schwangerschaft, Geburt und das anschließende Familienleben zusammen mit ihm zu erleben. Das ganze Programm eben. Klingt ziemlich traditionell? Mag sein.

Beruflich würde es passen

Ich bin regelmäßig offen empört, wenn er sagt, er wolle noch etwas warten. Für mich passt es beruflich jetzt bestens: Ich arbeite bei einem familienfreundlichen Unternehmen und bin gerade auf einem Karriereplateau angekommen, auf dem es nicht so richtig vorwärts geht und auch nicht gehen wird, solange ich bei diesem Unternehmen bin. Entweder müsste ich jetzt den Arbeitgeber wechseln und mich erstmal wieder bei einem anderen etablieren – was vermutlich Jahre dauern würde – oder ich bekomme eben ein Kind und nutze meine derzeitige Stellung, um mich der (zeit-)intensiven Erziehung zu widmen.

Mein Freund hingegen hegt keinerlei Karriereaspirationen. Er arbeitet seit mehr als 15 Jahren bei ein und derselben Firma und will dort bis zur Rente bleiben. Ob er in einem Monat, einem oder in zehn Jahren Vater wird, ist aus beruflicher Perspektive gleichgültig. Warum nimmt er also keine Rücksicht auf meine Karriere und beugt sich meinen Vorstellungen eines passenden Timings?

Das klassische Familienmodell lebt – dank der Politik

Er hat es einfacher als ich. Und auch wenn er sagt, er wolle sich hauptsächlich um das Kind kümmern (aktuell hat er mit Arbeitszeiten von 35 Wochenstunden und 45 Urlaubstagen im Jahr schon jetzt viel Freizeit): Ich werde diejenige sein, die neun Monate mit körperlichen Veränderungen zu kämpfen hat. Ich werde diejenige sein, die in Mutterschutz gehen muss. Ich werde diejenige sein, die notwendigerweise weniger arbeitet und sich mehr um das Kind kümmert als er. Weil er deutlich mehr verdient und wir sein Gehalt eher brauchen als meines.

Ein klassisches Familienmodell also, freundlich zementiert von der familienpolitischen Realität. Neunzig Prozent der Elternzeit entfällt immer noch auf Frauen. Die Männer, die in Elternzeit gehen, tun das meist in Form eines verlängerten Urlaubs von zwei Monaten.

„Sind Sie bereit für ein Kind?“

Insgeheim bin ich beruhigt, dass mein Freund etwas konstanter in seinen Ansichten ist als ich und sich und uns Zeit lässt. Zu widersprüchlich sind die Rückmeldungen, die ich von jungen Müttern in meinem Umfeld bekomme. Unlängst postete eine Freundin, seit Dezember Mutter, ein Foto von sich in der 28. Schwangerschaftswoche auf Instagram und schrieb dazu: „Ich hatte keine Ahnung, wie krass sich alles ändern würde“. Liest sich so Reue?

Eine andere Freundin berichtete über die ersten Wochen als Mutter: „Ich habe mich oft gefragt, was wir unserem Leben nur angetan haben.“ Und sie ist damit nicht allein. Eine Bekannte Anfang 30, zweifache Mutter dank künstlicher Befruchtung, riet mir, „so lange wie möglich zu warten“. Dann gibt es die Mütter, die mich ermuntern, „Babys zu machen“. Es gäbe kein Glücksgefühl wie dieses, sein eigenes Kind in den Armen zu halten. Ja, das Leben würde sich komplett ändern, aber das sei auch schön.

Der „Sind Sie bereit für ein Kind?“-Test der Zeitschrift ELTERN, den ich für diesen Artikel mache, ergibt in seiner Vorhersehbarkeit das Ergebnis: „Es ist soweit – trauen Sie sich einfach“. Ja – aber nicht heute.

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