Oh, du göttliche Frucht
Viele Menschen kehren sich vom traditionellen Glauben an Gott ab. Stattdessen wenden sie sich einer Art Gesundheitsreligion zu: Sie huldigen veganen Köchen, folgen Fitnessbloggern und glauben an die heilenden Kräfte von Yoga und Chia-Samen. Das ist nur scheinbar paradox.
Fast neun Millionen Menschen sind in Deutschland laut dem Vegetarierbund VEBU zum Vegetarismus oder Veganismus konvertiert. Wenn Deutschlands bekanntester Veganer, der Kochbuchautor Attila Hildmann, auf Instagram Bilder von Matcha-Tee-Smoothies und rotem Linsencurry postet, sehen das mehr als 38.500 Follower. Veganismus ist aber nur ein Ausschnitt eines neuen Glaubenstrends. Veganismus, Ayurveda, Fitnessgurus – sie alle sind Teil der neuen „Religion“ Gesundheit.
Heilung durch Veganismus
Der Theologe Kai Funkschmidt von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauung beschäftigt sich mit der Frage, wie viel Religion in Ernährungsformen wie Vegetarismus und Veganismus steckt. „Es gibt durchaus religiöse Parallelen“, so Funkschmidt. „Zum einen ist da die Versprechung nach Heilung. Veganer erzählen, sie fühlen sich wohler in ihrer Haut, sie seien fitter und die Haut reiner. Ein paar sind auch der Meinung, sie wurden dadurch von Krebs geheilt.“ Auf der anderen Seite versprächen die Ernährungsformen, dass das Essen für alle reiche und daher die Zeit der Harmonie und des Friedens anbreche, wenn sich alle Menschen auf diese Weise ernähren würden.
Es ist nur scheinbar paradox, dass die Menschen einerseits nicht mehr in die Kirche gehen, weil sie nicht gläubig sind, sich aber andererseits mit spirituellem Eifer ihrem Körper verschreiben.
In diesem Leben glücklicher
Von Geburt an sei der Mensch darauf ausgerichtet, nach dem Sinn des Lebens zu suchen, meint Funkschmidt. Doch die traditionellen Glaubensrichtungen seien zum Teil sehr abstrakt. „Die Leute suchen nach konkreten, erfahrbaren – also spürbaren – Heilsversprechungen. Im evangelischen Christentum gibt es ja nicht mal Essensregeln“, so der Theologe. Während sich im Christentum das Ziel mit dem Eintritt in den Himmel erst nach dem Tod erfüllt, sind die neuen Heilsversprechungen diesseitsbezogen. Das heißt, man kann in diesem Leben gesünder, fitter, glücklicher werden.
Der Mensch glaubt, weil es eine ganz natürliche Haltung ist. „Glauben heißt, ein Grundvertrauen gegenüber der Wirklichkeit zu haben. Ich kann das Ganze der Wirklichkeit nicht erfassen und kontrollieren, deshalb braucht es Vertrauen“, erklärt Philosophieprofessor Eberhard Tiefensee von der Universität Erfurt. Mit Hilfe des Glaubens setzen wir uns laut Tiefensee in Beziehung zur Welt. Der Mensch habe eine positive Vorstellung von sich und davon, wie er sein und leben will. Glaube sei also eine übergeordnete Bezugsgröße. Es sei daher unmöglich, dass der Mensch an nichts glaube.
Da ist es nur logisch, dass der Mensch neue Glaubensansätze sucht, wenn er nicht mehr zu einem christlichen, jüdischen, muslimischen oder buddhistischen Gott betet. Aber: Ist es eine Religion, Gesundheit und Ernährung in den Mittelpunkt zu stellen?
Gnadenloser Veganismus
Tiefensee lehnt es ab, Veganismus und Co. als Religion zu bezeichnen. „Es geht dabei nur um Dinge, die innerweltlich sind und vorläufig sind“, meint der Religionsphilosoph. „Sie überdauern den eigenen Tod und den des Universums nicht und können daher keine göttlichen, letztgültigen Dimensionen annehmen.“ Tiefensee kritisiert, dass den neuen Glaubensrichtungen mehr Erwartungen entgegengebracht würden, als sie leisten könnten.
„Veganismus und Co. haben etwas Gnadenloses, Utopisches“, sagt Funkschmidt. Das Problem sei, dass zwischen Gesundheit und bestimmten Ernährungsformen ein direkter Zusammenhang suggeriert werde. Im Umkehrschluss hieße das aber, man sei selbst schuld, wenn man krank ist, weil man eben Fleisch gegessen hat oder ähnliches. „Im Christentum wird man von Gott auch geliebt und angenommen, wenn man nicht perfekt ist. Die Erlösung ist die Gnade“, so Funkschmidt.
Es ist aber nichts Minderwertiges, den Körper zum Sinnstiftungsmoment zu erheben. Tatsächlich ist der Slogan der Gesundheitsbewegung „Mein Körper ist mein Tempel“ eine Anlehnung an die Bibel, in der es heißt: „Der Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes.“ Das bedeutet, dass der Mensch die Welt mit Hilfe seines Körpers erschließt und sich so Gott nähert.
Letztendlich, so Tiefensee, könnten die Religionen auch von neuen Glaubenstrends lernen und sich weiterentwickeln. Man müsse sie eben prüfen und das Gute aus ihnen bewahren.
Sorry, aber selten so einen Stumpfsinn gelesen. Veganismus als Religion? Nein. In die Kirche bin ich seit meiner Kindheit nicht mehr gegangen, der Glauben an einen Gott ist mir zu abstrakt, zu realitätsfremd, damit konnte ich noch nie etwas anfangen. Ausgetreten bin ich, nachdem sich die Kirche wiederholt nicht zu tausenden sexuellen Übergriffen bekannt hat. Real hingegen sind Schlachthöfe, in denen jährlich allein in Deutschland 750 Millionen Tiere abgeschlachtet werden, nachdem sie ein triestes Dasein fristen mussten – wartend auf ihren Tod. Real ist, dass Menschen in Industriestaaten und – Fast-Food-Ketten sei Dank – mittlerweile auch in Dritte-Welt-Ländern verfetten. Sie verhungern sozusagen unter ihrer eigenen Fettschicht, weil sie mit dem Müll, den sie in sich hineinstopfen, nicht die Nährstoffe aufnehmen, die ihre Körper brauchen. Real ist, dass der Fleischkonsum in den Industriestaaten verantwortlich dafür ist, dass Kinder in Dritte-Welt-Ländern nichts zu essen haben und an Hunger sterben, weil ihnen Land genommen wird, um Soja und anderes Getreide anzubauen, welches dann an Nutztiere verfüttert wird, welches die fetten Menschen in unseren Ländern in sich hineinstopfen. Nein, Veganismus ist keine Religion. Es ist ein Zeichen gegen Ausbeutung von Mensch und Tier und gegen Vernichtung unserer Umwelt. Der Gesundheitsaspekt spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle und selbst wenn, ist dieser weit entfernt von Religion…
Nur weil die vegetarische Ernährung eine kritische Masse erreicht hat, muss man sie nicht zu einer „Religion“ erklären. Mit dem Tierleid durch Massentierhaltung, globaler Erwärmung, Antibiotikaresistenzen etc. gibt es eine ganze Reihe von Argumenten, die für eine Vernunftentscheidung hin zu einer solchen Ernährungsweise sprechen. Vernunftentscheidungen entstehen jedoch, ganz anders als Entscheidungen für Religion, auf Basis wissenschaftlicher Argumente. Sie sind somit ein Zeichen der Aufklärung. Ich empfehle der Autorin, sich vielleicht erst einmal kritisch mit dem Thema Religion auseinanderzusetzen, bevor sie sich in ihrem Kreuzzug gegen Veganismus völlig verkämpft. In ihrem Artikel wollen die Argumente einfach nicht zueinander passen. Das ist sehr schade, denn sowohl eine kritische Auseinandersetzung mit Religion als Massenphänomen als auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Konsequenzen des Massenkonsums von Fleisch verdienen eine genaue wissenschaftliche Analyse. Journalistisch gelingt dies in diesem Artikel nicht, diese nachzuzeichnen. Vielleicht steht sich die Autoren mit ihrem eigenen Glauben auf den Füssen? Doch sollten Journalisten nicht versuchen eine neutrale Haltung einzunehmen?
Die Autorin setzt Veganismus nicht gleich mit Religion gleich sondern fragt, ob aus einer Ernährungsform inzwischen eine Religion gewachsen ist. Es wird ja auch nicht gegen Veganismus gewettert, aber eben kritisch damit auseinander gesetzt. Ich bin selbst Vegetarierin, ernähre mich oft auch bewusst vegan. Ich mache es aus den von dir genannten Gründen: Weniger Massentierhaltung, bewusste Ernährung etc. Doch ich beobachte eben auch in meinem Freundeskreis, dass einige daraus einen Kult entstehen lassen. Ich habe mich auch mit einigen Studien zum Thema Veganismus beschäftigt. Was ich für mich herausgefunden habe: Eine vegane Ernährung tut dem Körper sehr gut, wenn man sie auch gewissenhaft ausführt und vor allem abwechslungsreich isst. Viele Floskeln, die aber von Veganern als Argumente genutzt werden (z.B. auch Attila Hildmann) sind ohne wissenschaftliche Beweise. Vielen Lebensmitteln (Stichwort Superfood) werden besondere „Kräfte“ zugeschrieben, die in der Form wissenschaftlich gar nicht nachgewiesen wurden. Oft lese ich, dass Kurkuma sogar vor Krebs schützt. Wissenschaftler haben zwar einen positiven Zusammenhang zwischen der Linderung von Krebsleiden und Kurkuma festgestellt, aber noch keine Heilung oder einen Schutz. Und wie stark der Zusammenhang ist, ist auch unklar. So gesehen hat der eine zitierte Wissenschaftler aus dem Text recht, wenn er meint, den Ernährungsformen werden mehr Erwartungen entgegen gebracht, als das sie erfüllen können. Und Parallelen zu religiösen Heilsversprechen sind eben zu erkennen.
Das ist einer der schlechtesten Texte, die ich je gelesen habe! Veganismus mit Religion gleichzusetzen… Soll ich lachen oder weinen?
Im Buddhismus ist von keiner Gottheit im eigentlichen Sinn die Rede. In diesem Fall hätte sich der Hinduismus vermutlich besser als Vergleich geeignet.
Ich selbst ernähre mich vegan, würde jedoch nicht so weit gehen und den Veganismus als meinen neuen Glauben bezeichnen. Ich betitele es als Ernährungsweise oder auch als Lebensweise, jedoch nicht als Ersatzreligion. Vegane Kochbuchautoren und dergleichen sind für mich allenfalls Vorbilder- anbeten würde ich sie jedoch nicht. Ich würde besonders dogmatische und extreme Veganer, zu denen ich mich im Übrigen nicht zähle, als soziale Gruppe beschreiben, die ähnliche Interessen verfolgen und gleiche Ansichten haben- ganz ähnlich wie fanatische Anhänger einer Musikrichtung oder ein Sportverein.
Parallelen erkennt man vermutlich an den Regeln für das Essverhalten, die man mit Geboten gleichsetzen könnte. Doch diese Richtlinien befolgt man eben nicht um einem Gott gerecht zu werden, sondern sich und der Umwelt damit ein Stück weit zu helfen. Es geht hierbei meiner Ansicht nach um ein fortschrittliches Denken mit Potential.
Den Artikel finde ich stilistisch betrachtet dennoch sehr gelungen, inhaltlich kann ich jedoch nicht übereinstimmen.