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Politbüro Moschee

Von Lale Akgün / 17. Juli 2013
picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

In TEIL 1 ihrs Blogs schreibt Lale Akgün über das weit verbreitete Missverständnis, alle Migranten für Muslime und alle Muslime für streng gläubige Muslime zu halten und deutsche Integrationspolitik auf Moscheebesuche zu reduzieren. Hier ist TEIL 2:  Die muslimischen Verbände und Moscheevereine sind keine Katalysatoren, die die Integration schneller voranbringen, und die Integrationsprobleme dieser Gesellschaft […]

In TEIL 1 ihrs Blogs schreibt Lale Akgün über das weit verbreitete Missverständnis, alle Migranten für Muslime und alle Muslime für streng gläubige Muslime zu halten und deutsche Integrationspolitik auf Moscheebesuche zu reduzieren. Hier ist TEIL 2: 

Die muslimischen Verbände und Moscheevereine sind keine Katalysatoren, die die Integration schneller voranbringen, und die Integrationsprobleme dieser Gesellschaft werden sich mitnichten mithilfe von religiösen Verbänden lösen lassen. Wer das denkt, geht den islamischen Verbandsfunktionären auf den Leim. Das an sich ist schon schlimm genug, aber es kommt noch schlimmer:

Alle islamischen Verbände – bis auf den Zentralrat der Muslime – sind türkischen Ursprungs und haben das Mutterschiff in der Türkei. Das heißt: im Grunde genommen sind die hiesigen Verbände reine Dependancen türkische Organisationen. Hier in Deutschland wird nur ausgeführt, was in der Türkei beschlossen wird, wenn auch die hiesigen Verbände versuchen, sich als deutsche Vereine zu gerieren.

Ob DITIB, oder Milli Görüs, ob VIKZ (Verein der Islamischen Kulturzentren sprich: Süleymanci Bewegung) oder die Gülen Bewegung, sie alle werden aus der Türkei gelenkt.

Die Aktivitäten der islamischen Verbände waren zwar aus integrationspolitischer Sicht schon immer zweifelhaft, aber ihr Wirkungskreis war eher lokal. Bis zwei Ereignisse ihnen richtig Luft unter die Flügel bliesen.

1. die deutsche Politik entdeckte die Islamverbände als Unterstützer für die Integrationspolitik (s.o) und wertete sie auf; sei es durch die Islamkonferenz, sei es als Partner für den islamischen Bekenntnisunterricht.

2. die Politik in der Türkei änderte sich durch die Wahl der AKP.

Für die AKP war und ist Religion, d.h. natürlich der Islam von enormer Wichtigkeit. Das führte dazu, dass – auch durch die Interventionen der türkischen Regierung – die türkischen Islamverbände immer mehr zusammenrückten und immer mehr politisiert wurden. Vor allem die DITIB wurde zu einem wichtigen Faktor in der türkischen Diasporapolitik. Sie ist die mächtigste der muslimischen Verbände in Deutschland. Welche Verbindungen zwischen der AKP und der DITIB bestehen, lässt sich am besten an der Pro-Erdogan-Demo am 7. Juni in Düsseldorf zeigen:

Auch wenn es hieß, die Kundgebung sei von der UETD (Union der europäischen Türken in Deutschland, einer AKP-Organisation) organisiert, erzählten uns die Menschen vor Ort, sie seien von den DITIB Gemeinden organisiert und auf die Kundgebung geschickt worden. Einige, wahrscheinlich in der Akquise von Teilnehmern besonders erfolgreiche Moscheevereine, wurden auf der Demo namentlich begrüßt.

Das wundert mich nicht, denn DITIB ist in Deutschland mit über 900 Moscheevereinen organisiert und in der Türkei ganz nah an der Politik. DITIB ist eine Tochterorganisation der DIYANET, der staatlichen Religionsbehörde und DIYANET ist direkt dem Ministerpräsidenten unterstellt. Sie hat ein Budget, das sich sehen lassen kann. 2013 betrug es 4 Milliarden 640 Millionen Lira (knapp 2 Milliarden Euro) und war somit an 12. Stelle der Institutionen mit dem größten Anteil am Staatshaushalt. Kritik an dieser Summe von Oppositionsabgeordneten wurde von dem Vorsitzenden der DIYANET, Görmez, mit den Worten, „niemand habe das Recht und die Befugnis DIYANET als Last für das Volk darzustellen“ abgeschmettert. Es verwunderte nicht nur die Opposition, dass ein Staatsbeamter – was Görmez ja ist – , Abgeordneten das Recht abspricht, das Budget seiner Institution zu kritisieren.

Die Rolle von DITIB bei der Kundgebung in Düsseldorf  sollte man deswegen nicht unerwähnt lassen, da DITIB hier in Deutschland als Gesprächspartner der Bundes- und der Landesregierungen auftritt. Der Partner auf der türkischen Seite muss die AKP-Istanbul gewesen sein, denn die Leute trugen Fahnen mit dem AKP Emblem und der Aufschrift Bezirk Istanbul mit sich. Türkische Fahnen für alle und Kopftücher mit türkischen Fahnen für die Frauen gab es umsonst.

Die Inhalte der Reden unterschieden sich nicht von denen in der Türkei, „wir sind Opfer der Intrigen des Westens, der Presse; die anderen können unseren Erfolg nicht ertragen“ u.s.w… Die wirklichen Opfer, die Demonstranten im Gezi-Park und andernorts, wurden zu Tätern gemacht, die der Regierung und der Partei schaden wollen. Der Personenkult, der um Erdogan getrieben wird, hat ein Ausmaß erreicht, das demokratische Vorstellungen sprengt! Er wird als großer, als der größte Führer aller Zeiten und ein politisches Genie gepriesen. Und auf den Slogan der anwesenden Gegendemonstranten „Überall ist Taksim, überall ist Widerstand“ antworten die Anhänger von Erdogan mit „Überall ist Tayyip Erdogan!“

Es ist das gute Recht von Demonstranten in unserem Land, den zu feiern, den sie für den Größten halten und vieles wird von Meinungsfreiheit abgedeckt. Aber vielleicht sollte man eine Minute innehalten und nachdenken.

Ich frage mich, ob die Politiker/innen in unserem Land wissen, mit wem sie tanzen, wenn sie DITIB zu ihrer „offiziellen Gesprächspartnerin“ erklären?

Ist ihnen klar, dass dort die Fäden der Politik und der Religion zusammengeknüpft werden?

Dass wir es mit dem politischen Islam zu tun haben?

Religion taugt per se nicht für Integration, weil Religion Differenzen betont und auf Unterschieden baut. In der Türkei haben wir im Moment einen Konflikt zwischen denen die die Religion, in diesem Fall den Islam  zum Maßstab des politischen Handelns machen wollen und denen, die für die Pluralität kämpfen. Die Differenzen zwischen den Gruppen sind kaum überbrückbar, gerade weil die Regierung Erdogan nicht willens ist, auf Andersdenkende zu zugehen.

Dieser Konflikt ist in Deutschland nicht nur präsent, er ist auch ganz entschieden in der deutschen Innenpolitik angekommen.

Und wenn die deutsche Politik mit dem verlängerten Arm der AKP zusammenarbeitet, hat sie auch längst Partei ergriffen.

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7 Antworten auf „Politbüro Moschee“

  1. Von Atilla Bayfidan am 17. Juli 2013

    Mit Religions- und Meinungsfreiheit kann man die Toleranz für diese gefährliche Entwicklung nicht mehr rechtfertigen.
    Sowie ein Pfarrer oder Priester Theologie studiert haben muss, kann man auch in Moscheen neue Berufsfelder für Theologie-Studenten schaffen. Es kann nicht sein, dass in allen 900 Moscheen der DITIB vor dem Freitagsgebet die gleiche, in der Türkei von der Diyanet/AKP/Erdogan beschlossene, Predigt gehalten wird.

  2. Von ROTEMILAN am 19. Juli 2013

    Ich denke, genau diese von Lale Agkün beschriebene Unüberschaubarkeit und Intransparenz der muslimischen Vereinigungen (aus welcher religiösen Richtung sie stammen, wer sie finanziert und fördert) ist das, was die Leute letztendlich auch abschreckt, Vertrauen zu den Muslimen im jeweiligen Kiez aufzubauen. Der Islam scheint immer noch die große Unbekannte zu sein für viele.

  3. Von OskarS: am 19. Juli 2013

    Ja, aber jetzt nur die islamischen Vereinigungen für das Scheitern von Integration zuständig zu machen – wäre auch zu kurz gegriffen!!

  4. Von Klaus Wittmann am 22. Juli 2013

    Frau Akgün hat sicher Recht, wenn sie auf die merkwürdige Rolle der Ditib bei der Demo in Düsseldorf und auf die engen Verbindungen einiger muslimicher Verbände zu staatlichen Stellen in der Türkei hinweist.
    Allerdings sollte man nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, denn eine umfassende oder gar strategische Steuerung der Verbands-Aktivitäten aus Ankara kann man dann doch nicht behaupten. Vielmehr befinden sich die Verbände ja gerade in einem durchaus konfliktreichen Reformprozess, im dem u.a. auch eine Ablösung von der Türkei diskutiert wird. Die Kräfte, die dabei eine stärkere Orientierung an Gesellschaft und Politik in Deutschland wollen, verdienen Unterstützung und nicht pauschale Verurteilung, wie es bei Frau Akgün klingt.

  5. Von Sven am 23. Juli 2013

    Das ist ein Interessantes Thema, zu dem ich mich allerdings neutral verhalte, weil ich mich zu wenig damit auskenne.

    Mich würde aber interessieren, mit wem die deutschen Regierungen sonst zusammenarbeiten sollen, wenn sich dieser Vereine, die eine Vielzahl der islamischen MitbürgerInnen erreicht, nicht die richtigen Ansprechpartner sind. Sicher ist es fraglich, ob der verlängerte Arm einer Partei der richtige Ansprechpartner ist, aber ist es nicht erst einmal besser, einen Ansprechpartner zu haben, als gar keinen?

  6. Von ROTEMILAN am 26. Juli 2013

    Ja, das finde ich auch ne gute Frage. Frau Agkün: wen stellen Sie sich als Ansprechpartner für Integration vor?
    Sicherlich werden Sie nun schreiben wollen: na natürlich die Migrant/Innen selbst? Aber: wie erreichen Sie diese?

  7. Von sagwas am 5. August 2013

    Von Lale Akgün:

    Nach 16 Tagen Diskussion meiner Blogs „Die missbrauchte Religion“ und „Politbüro Moschee“ hier mein abschließender Kommentar:

    Einer Tatsache müssen wir ins Auge blicken, obwohl auch ich es auch gerne anders hätte. Aber, leider, leider, Deutschland ist noch immer kein Einwanderungsland, Deutschland übt noch. Es fehlt nämlich Deutschland das Quentchen an Normalität im Umgang mit Einwanderung, was nötig ist, um ein Einwanderungsland zu sein.

    Einwanderungen haben ihre eigene Dynamik; Menschen wandern ein, haben eine gewisse Anlaufzeit und irgendwann sind sie Bürgerinnen und Bürger des neuen Landes. Und das unabhängig von ihrer Hautfarbe, Religion oder Weltanschauung. So funktioniert das bei einer Einwanderungsgesellschaft.
    Und nicht wie bei uns, wo 60 (!) Jahre nach Beginn der Arbeitsmigration noch für die im Lande geborenen neue Worte kreiert werden, wie „Menschen mit Migrationshintergrund“.

    Einwanderung ist im 21. Jahrhundert ein globaler und sehr alltäglicher Fakt, weder Bereicherung noch Belastung. Aber in Deutschland gibt es Einwanderung eben nicht pur, sondern immer mit einer Garnierung; mal positiv, mal negativ.

    Wobei wir verstärkt über diese Garnierung reden müssen, nicht über den Fakt.

    Denn diese Garnierung ist nichts anderes als der Niederschlag des Rassismus, mal offen, mal verbrämt; ja, auch die verzweifelten Bekenntnisse derjenigen, die uns Einwanderung als Bereicherung verkaufen wollen, sind nichts anderes als die Kehrseite der Medaille namens Rassismus. Sie versuchen Ausländerfeindlichkeit durch Ausländerfreundlichkeit zu kompensieren, und tappen doch genauso in diese Falle.

    „(Ethnische oder religiöse) Gruppen bilden, diesen Gruppen positive oder negative Eigenschaften zusprechen und Menschen nur oder vor allem als Teil ihrer Gruppe zu identifizieren“, so und nicht anders lautet die Definition des Rassismus.

    Ich erinnere mich an ein Plakat auf einer Kundgebung mit der Aufschrift: „Liebe Ausländer, lasst uns mit diesen Deutschen nicht allein!“
     
    Wer das denkt und schreibt, meint es vielleicht nicht böse, hat aber überhaupt nichts verstanden.

    Weshalb ich das alles schreibe?

    Weil genau nach diesem Muster in diesem Land auch mit dem Islam umgegangen wird:

    Da kann man noch so differenziert über den politischen Islam berichten, über die Verbindungen, über ihre Macht in den Stadtteilen; am Ende kommt die Frage: „Ja, aber mit wem sollen wir denn reden, wenn wir die Integration der Muslime wollen?“

    Solange die Muslime als eine Gruppe wahrgenommen werden, als eine Einheit, und als „die anderen“ hat differenzierte Kritik keine Chance. Ein Muslim ist ein Muslim, und der ist im allgemeinen nicht integriert.
    So schlicht sind die Trennlinien manchmal in dieser Gesellschaft.
    Da fehlt nur noch ein Plakat bei der nächsten Demo: „Liebe Muslime, lasst uns mit diesen Christen nicht allein!“ -Achtung: das ist polemisch gemeint und nicht ernst zu nehmen!

    Eure Lale Akgün

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