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DebatteAlles grün, alles sozial?

Von Felicia Frank / 30. September 2024
Credit picture alliance / ZB | Thomas Eisenhuth

Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Das führt zu sozialen Verwerfungen – für die es aber Lösungen gäbe.

Neue Hitzerekorde im Sommer, Starkregen mit zerstörerischen Überflutungen im Herbst. Längst wird das ikonische Bild vom Eisbären auf einer schmelzenden Eisscholle überlagert von regionalen Bildern brennender Wälder oder überfluteter Städte. Den Klimawandel als Problem in weiter Ferne zu betrachten – und zu behandeln – ist den allermeisten Wissenschaftler:innen zufolge nicht mehr zeitgemäß.

Mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 verpflichteten sich 195 Staaten, den Klimawandel einzudämmen und den globalen Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad, zumindest aber deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Konkret schreibt das Bundes-Klimaschutzgesetz fest, dass Deutschland bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral sein muss. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine strukturelle Transformation erforderlich. Eine Energiewende, darin sind sich im Grunde alle einig, hin zu erneuerbaren Energieträgern ist in diesem Zuge unumgänglich, denn der Energiesektor macht in Deutschland den größten Anteil der Treibhausgasemissionen aus.

Hier hat sich in den letzten Jahren viel getan. Der Anteil der erneuerbaren Energien, also Wind- und Sonnenenergie, Wasserkraft, Biomasse und Geothermie, hat dem Umweltbundesamt zufolge in den letzten Jahren in Deutschland stark zugenommen. Mit 56 Prozent verzeichnete er im Jahr 2023 einen neuen Rekord. Gleichzeitig steigt der Strompreis seit den 2000er Jahren für deutsche Endverbraucher konstant an. Nur die erste Hälfte des Jahres 2024 verzeichnet einen leichten Rückgang des durchschnittlichen Strompreises pro Haushalt im Vergleich zum Vorjahr, liegt aber weiterhin über dem Wert von 2022.

Es liegt nahe, die Steigerung der Stromkosten auf den Ausbau der erneuerbaren Energien zurückzuführen. Doch eine Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg aus dem Jahr 2019 zeigt: Das stimmt nicht. Sie errechnet die Mehrkosten, die ohne die Einspeisung von Wind und Photovoltaik an der deutschen Strombörse entstanden wären. Das Ergebnis: Deutsche Endverbraucher:innen sparten durch den Ausbau der erneuerbaren Energien im Zeitraum 2011 bis 2018 insgesamt 70,6 Milliarden Euro. Die Autor:innen kommen sogar zu dem Schluss, dass die Strompreise ohne einen forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren zusätzlich steigen werden.

Die Transformation sozialpolitisch begleiten

Die Energiewende geht wissenschaftlich gesehen mit einem Transformationsprozess einher: Arbeitsplätze gehen verloren, andere werden neu geschaffen, die Kosten für den Ausbau erscheinen zunächst hoch, rechnen sich aber langfristig gesehen. Wie dieser Prozess ausgestaltet wird, hängt von den politischen Rahmenbedingungen ab. Dabei darf der Wandel hin zu erneuerbaren Energien nicht bloß als technische Herausforderung betrachtet werden, die technische Lösungen erfordert, sondern auch als eine gesellschaftliche, die sozialpolitische Lösungen verlangt.

Die Energiewende als Teil einer nachhaltigen Klimapolitik dürfe nicht auf Kosten der sozialen Gerechtigkeit umgesetzt werden, wird seit Jahren durchgehend gefordert. Um dies sicherzustellen, müssten Energie- und Sozialpolitik Hand in Hand gehen. Denn der Wandel bedürfe zudem eine Begleitung in Form von Bildungsoffensiven und Bürgerbeteiligung, heißt es vor allem von jungen Initiativen wie Fridays for Future und Letzte Generation. Denn ohne die Akzeptanz der Bevölkerung wird eine sozial gerechte Transformation nicht funktionieren.

Viele Menschen haben kein Geld für energiesparende Elektronik

Aktuell dreht sich die politische Diskussion vorrangig um die Höhe der Energiepreise. Dabei wird kaum beachtet, dass die steigenden Kosten wohlhabende Haushalte kaum, sozial schwache Haushalte jedoch besonders stark belasten. Denn sozial schwächere Haushalte geben zwar absolut gesehen weniger für Energie aus, diese Ausgaben machen aber einen höheren Anteil ihres Einkommens aus. Zudem haben Personen mit niedrigem Einkommen weniger Investitionsmöglichkeiten in energiesparende Maßnahmen. Ihre finanziellen Mittel reichen nicht aus, um über die Anschaffung energiesparender Elektrogeräte, eigene Photovoltaik-Anlagen oder gar energetische Sanierungen nachzudenken.

Anstatt (ausschließlich) über die Höhe der Energiepreise zu debattieren, gibt es immer mehr Stimmen, die fordern, die Politik solle sich mit Maßnahmen befassen, die gezielt einkommensschwache Haushalte entlasten. Konzepte gibt es hierfür bereits. Fast alle Ideen basieren auf einer stärkeren Bepreisung der CO2-Emissionen. Für die Nutzung der daraus resultierenden Mehreinnahmen gibt es verschiedene Modelle: Das erste kann unter dem Begriff „Klimageld“ oder „-bonus“ zusammengefasst werden. Dieses sieht eine Pro-Kopf-Erstattung der Steuer vor. Je nach Ausgestaltung erhält jede:r Bürger:in die gleiche Summe, andere Vorschläge sehen eine soziale oder regionale Staffelung vor. Österreich und die Schweiz nutzen dieses Konzept bereits.

In einem weiteren Modell werden einkommensschwache Haushalte unterstützt, indem der Kauf energieeffizienter Geräte bezuschusst wird und das Geld in energetischen sozialen Wohnungsbau investiert wird. Andere Modelle sehen eine allgemeinere Nutzung der Einnahmen vor: Das Geld soll hierbei in die Umsetzung konkreter Klimaschutzmaßnahmen und die Stärkung der Energiewende fließen.

Im gesellschaftlichen Diskurs spielt zunehmend auch das Argument eine Rolle, welchen Anteil Deutschland als wohlhabendes Industrieland mit hohen historischen Klimaschulden trägt und welche besondere Verantwortung damit verbunden ist. Wie schnell werden hier erneuerbare Energieträger ausgebaut, wie werden die sozialökonomischen Auswirkungen aufgefangen? Einig ist man sich nicht selten, dass Klimapolitik forciert werden muss. Diskussionsbedürftig bleibt, wer die Kosten zu tragen hat. Immer noch.



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