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DebatteExistenzsicherung für lau?

Von Pascal Kobs / 28. April 2017
picture alliance / Sascha Steinach/dpa-Zentralbild/dpa | Sascha Steinach

Das bedingungslose Grundeinkommen ist seit Jahren Gegenstand erbitterter Auseinandersetzungen in der deutschen Politik. Für die einen wird damit der Traum von einer möglichst gerechten Gesellschaft wahr. Für die anderen ist es der Weg in die genau entgegengesetzte Richtung.

Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) soll die Existenz jedes Bürgers sichern, unabhängig von seiner finanziellen Lage. Die Höhe soll für alle gleich und gesetzlich festgelegt sein. Je nach Modell wird eine Zahlung in Höhe des Sozialhilfesatzes oder des Arbeitslosengeldes II bis hin zu 1.500 Euro pro Monat vorgeschlagen. Dafür sollen je nach Realisierungskonzept Sozialleistungen wie Hartz IV wegfallen oder darauf angerechnet werden. Das Ganze ist ziemlich unnovativ – und umstritten.

Befürworter behaupten: Dadurch, dass ausnahmslos jedem deutschen Staatsangehörigen ein monatliches Grundeinkommen zur Verfügung gestellt würde, trete man der sozialen Ungleichheit entgegen. Existenzängste würden der Vergangenheit angehören, was vor allem angesichts der Veränderungen am Arbeitsmarkt durch die Digitalisierung wichtig sei. Menschen könnten verstärkt alternativen Beschäftigungen nachgehen, etwa ehrenamtlichem Engagement und Freizeitaktivitäten. Und durch die gleichmäßige Begünstigung aller könnte das Steuer- und Sozialhilfesystem entlastet werden, was Kosten einsparen würde.

Kritiker des Grundeinkommens führen neben der fraglichen Finanzierbarkeit insbesondere an, dass Menschen zum Nichtstun motiviert würden. Wer auch ohne Arbeit Geld bekommt, der wählt die Faulheit, so das Argument. Jugendliche würden sich an ihren nicht arbeitenden Eltern ein Vorbild nehmen und weniger in ihre Ausbildung investieren – das Geld käme ja auch so irgendwie rein. Des Weiteren würde eine steigende Migration resultieren, wenn die Möglichkeit bestünde, dass Menschen aus anderen Ländern, aus dieser Motivation nicht zwingend arbeiten gehen zu müssen, zum Migrieren bewegt werden.

Modellversuche in anderen Ländern

Während in Deutschland noch diskutiert wird, ist das BGE in anderen Ländern schon Realität – zumindest teilweise.

Seit Januar erhalten in Finnland 2.000 zufällig ausgewählte Arbeitslose statt an Bedingungen geknüpftes Arbeitlosengeld frei verfügbare 560 Euro im Monat. In zwei Jahren soll ausgewertet werden, ob das BGE tatsächlich positive Effekte auf die soziale Gerechtigkeit hat.

In Brasilien gibt es bereits seit 2004 eine Art Grundeinkommen, das Bedürfnisse wie Ernährung, Erziehung und Gesundheit abdecken soll. Bisher beziehen allerdings lediglich die bedürftigsten Familien des Landes die staatliche Leistung.

In Kenia testen rund 6.000 Menschen verschiedene Arten des Grundeinkommens. 20 Euro erhalten die Teilnehmer aus 40 Dörfern monatlich für zehn Jahre. In anderen 80 Dörfern wird das Einkommen nur zwei Jahre lang ausgezahlt und weitere 80 Dörfer erhalten die volle Summe in einer einmaligen Zahlung. Zum Abgleich der Effekte dienen 100 weitere Dörfer.

Die Schweiz hatte im Juni 2016 als erstes Land weltweit über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens abgestimmt. Per Volksabstimmung entschieden sich fast 80 Prozent dagegen.

Die deutsche Variante des BGE

Untersuchungen des Bundestages zeigen, dass ein Versuch unter einigen Gesetzesänderungen auch in Deutschland realisierbar ist. Der Verein aus Berlin-Neukölln verlost bereits seit knapp drei Jahren 1.000 Euro festes Einkommen pro Monat. Finanziert wird das Projekt per Crowdfunding. Bisher gibt es 85 Gewinner. Um zu erfahren, ob und wie sich das Leben mit bedingungslosem Grundeinkommen ändert, werden die Gewinner laufend befragt.

Inzwischen ist in Deutschland weniger fraglich, ob das BGE überhaupt kommt – aber es ist unklar, wann es kommt und welchem Modell es folgt. Die Linkspartei beispielsweise schlägt das Modell des Emanzipatorischen Grundeinkommens vor. Die Höhe des auszuzahlenden Betrags orientiert sich an der Hälfte des Volkseinkommens, der Summe aller Erwerbs- und Vermögenseinkommen eines Jahres. 2013 wären demnach monatlich 1.080 Euro an Menschen ab 16 Jahren und 540 Euro an Kinder geflossen.

Um das Emanzipatorische Grundeinkommen zu finanzieren, werden einige Sozialleistungen wie BAföG, Erziehungs- und Kindergeld durch das Grundeinkommen ersetzt und Steuererhöhungen eingeführt. Die Finanzierbarkeit dieses Modells ist mathematisch belegt.

Ein anderes Modell sieht dagegen nur 600 Euro für Erwachsene und 300 Euro für Kinder vor. Auf diese Weise würde das deutsche Sozialsystem stark vereinfacht, so die die Befürworter. Die Finanzierung könnte über eine einheitliche Einkommens- und Mehrwertsteuer erfolgen.

Wie auch immer ein Grundeinkommen in Deutschland aussehen wird, sicher ist, dass es das deutsche Sozialsystem grundlegend verändern wird. Die tatsächlichen Auswirkungen lassen sich jedoch kaum vorhersagen, sondern nur in der Praxis beobachten. Was im Grunde heißt: Man muss es ausprobieren.

 

Lies weiter bei…

Pro | Gerechtigkeit durch Grundeinkommen

Contra | Ein Grundeinkommen hilft den Ärmsten nicht



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