DebatteKein bedingungsloses Recht auf einen Vaterschaftstest
Das Bundesverfassungsgericht sieht kein generelles Recht auf einen Vaterschaftstest. Das jüngste Urteil sorgt für Aufregung. Für Betroffene ist es ein herber Schlag.
Juan Manuel Fangio ist eine Legende, der argentinische Michael Schumacher der 1950er Jahre. Für zwei Männer aus Argentinien ist er aber vor allem eins: mutmaßlich ihr Vater.
Als im Herbst vergangenen Jahres bekannt wurde, dass Fangio zwanzig Jahre nach seinem Tod in Buenos Aires zur Aufklärung der Vaterschaft exhumiert werden sollte, überschlugen sich Klatsch- und Fachpresse. Es war ein beispielloser Sieg für alle Kinder, die ihren leiblichen Vater suchen oder um die Anerkennung der Vaterschaft kämpfen.
Die rechtliche Klärung der Abstammung ist für Kinder von „elementarer Bedeutung“. Das schreibt das Bundesjustizministerium in einer Broschüre für Betroffene. Dabei geht es nicht nur um Unterhaltsansprüche und Erbrecht, sondern besonders um das seelische Wohl der Kinder.
Neben dem argentinischen Fall belegt das auch ein Rechtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht. Dort hatte eine Frau geklagt, die ihren mutmaßlichen leiblichen Vater zu einem DNA-Test zwingen wollte. Sie ist mittlerweile über 65 Jahre alt, hat ihren Kampf aber bis heute nicht aufgegeben.
Leihmutterschaft, Samenspende, Seitensprung: Die Gründe für eine unbekannte Vaterschaft können zahlreich sein. Der Streit um heimliche Vaterschaften ist so alt wie die Menschheit selbst. Die neuen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin stellen die Gesetzgebung auf die Probe. Dass es kein generelles Recht auf einen Vaterschaftstest gibt, bestätigte nun das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Seit 2008 ist die rechtsfolgenlose Abstammungsklärung möglich
Die Klägerin Inge Lohmann aus Nordrhein-Westfalen wollte eine „rechtsfolgenlose Abstammungsklärung“ mittels eines Gentests erzwingen, um somit die Vaterschaft „abschließend zu klären“. Dieses Verfahren existiert seit 2008. Es kann bei einem berechtigten Zweifel der Abstammung vom Kind, dem Vater oder der Mutter verlangt werden. Das Testergebnis hat keine rechtlichen Konsequenzen und verändert nicht die rechtliche Elternschaft, sondern dient lediglich der Klärung. Unterhaltszahlungen oder sonstige Ansprüche können daraus nicht abgeleitet werden. Dafür kann der Test aber gegen den Willen des Vaters durchgeführt werden.
Damit sich ein Betroffener wie die aktuelle Klägerin aber auf dieses Verfahren berufen kann, muss es sich bei dem Getesteten um ein juristisches Elternteil handeln, entschied nun das Karlsruher Gericht. Das heißt, der Mann muss bereits rechtlich die Vaterschaft übernommen haben. Er könne nicht gezwungen werden, wenn es sich um den „mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater“ handele, so das Gericht. Der mutmaßliche Erzeuger der Klägerin hatte die Geburt zwar beim Standesamt angezeigt, sich aber nie zur Vaterschaft bekannt.
Der Bekannte der Mutter war zu keiner Zeit juristischer Vormund der Frau. Ein Zwang zu einem DNA-Test sei eine Verletzung gleich mehrerer Grundrechte, so die Richter, darunter das Recht auf körperliche Unversehrtheit und informationelle Selbstbestimmung. Das Gericht räumte ein, dass „eine andere gesetzliche Lösung verfassungsrechtlich denkbar wäre“. Der aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Schutz der Kenntnis der eigenen Abstammung sei aber nicht absolut, „sondern muss mit widerstreitenden Grundrechten in Ausgleich gebracht werden“.
Bei einer Vaterschaftsklage reicht der Verdacht
In Deutschland ist neben der gerade beschriebenen Feststellung auch eine Vaterschaftsklage möglich. Diese ist meist der erste Schritt. Wenn ein Kind in Deutschland unehelich geboren wird, informiert das Standesamt das zuständige Jugendamt. Dieses unterstützt bei Bedarf die Mutter bei der Feststellung des Vaters. Durch die Klage können beispielsweise Unterhalts- und Erbansprüche geklärt werden. Es reichen auch Anhaltspunkte wie die Aussage der Mutter oder die Vermutung des Kindes für die Veranlassung eines Tests.
In anderen Ländern ist die Feststellung der Vaterschaft viel schwieriger als in Deutschland. In Großbritannien sind DNA-Analysen ohne die Zustimmung des Betroffenen verboten. In Ländern wie Belgien, Estland und Tschechien fehlen Vorschriften über die Durchführung genetischer Abstammungsuntersuchungen komplett.
Für die Klägerin vor dem Bundesverfassungsgericht kam die Vaterschaftsklage nicht mehr in Frage. Diese Art der Klage hatte ihre Mutter bereits 1954 eingereicht. Sie wurde ein Jahr später abgewiesen, da das Gericht zu dem Schluss gekommen war, dass es sich bei dem Mann nicht um den Vater der Frau handele. Obwohl die Möglichkeiten der damaligen Tests mit den heutigen medizinischen Standards nicht vergleichbar sind – beispielsweise wurde damals nicht die DNA, sondern die Blutgruppe untersucht –, ist das Urteil rechtskräftig. Eine erneute Klage somit nicht möglich.
Kritiker fürchten Anspruchserhebungen gegen jedermann
Kritiker hatten im Vorfeld des Verfahrens darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Gesetzesänderung zu willkürlichen Anspruchserhebungen gegen Jedermann führen könnte. Der Schutz der Kenntnis der eigenen Abstammung sei nicht absolut, sondern müsse mit widerstreitenden Grundrechten in Ausgleich gebracht werden. Zudem könne ein auf „Nicht-Familienmitglieder ausgeweiteter Abstammungsanspruch“ bestehende Familien belasten und das Leben des mutmaßlichen Vaters unabhängig vom Ergebnis irreparabel zerstören.
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In Österreich sind auch anonyme DNA Tests möglich.