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DebatteDie Angst vor der Impfung

Von Lea Deuber / 9. April 2015
picture-alliance/ dpa | Patrick Seeger

Obwohl die Masern-Impfung in Deutschland empfohlen wird, lassen sich viele Menschen nicht impfen. In Berlin ist dieses Jahr ein Kind an Masern gestorben, viele sind erkrankt. Derzeit wird diskutiert, welche Vor- und Nachteile eine Impfpflicht mit sich bringt.

Der Mund ist leicht geöffnet, die Augen blicken leer am Betrachter vorbei. „Daniel (12), geistig behindert durch Masern.“ So steht es über dem Foto des blonden Jungen. Es ist Teil einer Kampagne des Landes Nordrhein-Westfalen für die Schutzimpfung gegen Masern. Auf den Plakaten heißt es weiter: „Lückenhafter Impfschutz hat fatale Folgen – Impfen schützt.“

Trotz zahlreicher solcher Werbemaßnahmen lassen sich in Deutschland nicht alle Menschen impfen. In Berlin ist in diesem Winter das Masern-Virus ausgebrochen. Ein Kleinkind ist bereits gestorben, mehr als 925 Menschen sind erkrankt – und die Zahl steigt weiter. Deshalb wird wieder über Impfpflicht diskutiert.

In Deutschland besteht derzeit keine Impfpflicht. Jeder kann selbst entscheiden, ob er die vorbeugende Maßnahme durchführen lassen möchte oder nicht. Der Staat gibt lediglich eine Empfehlung ab. Dabei sind Impfungen nicht wie Halsschmerztabletten: Ob ein Patient letztere nimmt, spielt für andere Menschen eine geringe Rolle. Bei Impfungen ist das anders. Ist die Krankheit wie Masern ansteckend, schützt die Impfung nicht nur den Geimpften. Denn sind mindestens 95 Prozent der Bevölkerung – vom Kleinkind bis zum Rentner – geimpft, finden die Viren nicht genug neue Opfer. Die Pocken konnten so in den 1970er Jahren ausgerottet werden.

Viele Eltern impfen zu spät

Es ist unklar, wie viele Menschen in Deutschland sich regelmäßig impfen lassen. Nur bei der Schuleintrittsuntersuchung, der ärztlichen Untersuchung vor der ersten Klasse, wird flächendeckend der Impfstatus der Fünf- und Sechsjährigen überprüft. 2012 hatten 92 Prozent der Eltern einen Impfpass bei der Untersuchung dabei. Knapp 97 Prozent der Kinder hatten nachweislich mindestens eine der zwei empfohlenen Masernimpfungen gegen das Virus, 92,4 Prozent hatten beide – für eine Eliminierung der Krankheit ist das jedoch zu wenig.

„Für eine Ausrottung sind noch nicht genug Menschen in Deutschland geimpft“, sagt der Virologe Jan Leidel von der Ständigen Impfkommission (STIKO). Diese wurde 1972 gegründet, um die Bundesländer bei den Impfempfehlungen zu unterstützen. Denn die Gesetzgebung im Bereich Gesundheit ist in Deutschland Ländersache. Für eine mögliche Impfpflicht bedeutet das: Es gibt unterschiedliche Zuständigkeiten auf Länderebene, verschiedene Auffassungen zwischen Bund und Ländern und 17 Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen – alle mit einer eigenen Strategie.

Die Empfehlungen der Impfkomission sind den Ländern eine Grundlage dafür, welche Impfungen von den Krankenkassen als Pflichtleistung übernommen werden und wann der Staat bei einem Impfschaden eine Entschädigung zahlen muss. Zu den übernommenen Impfungen gehören unter anderem die gegen Tetanus, Keuchhusten und Kinderlähmung.

Studien werden von Pharmazieunternehmen finanziert

Es gibt mehrere Gründe, warum Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen. Einige Menschen können aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden, beispielsweise wegen einer schweren Immunschwäche. Häufig werden Kinder aber auch aus Nachlässigkeit nicht geimpft, wenn Eltern sich nicht darum kümmern und der Hausarzt nicht fragt. „Zudem impfen viele Eltern zu spät“, sagt Leidel. Die Masernimpfung ist ab dem elften Lebensmonat, bei geplanter Aufnahme in eine Kindertagesstätte schon ab dem neunten Lebensmonat empfohlen. Viele Eltern lassen ihre Kinder aber erst mit drei, vier oder fünf Jahren impfen, so dass diese ohne Impfschutz in die Kindertagesstätte gehen. „Ein Risiko“, meint Leidel. Das zeige nun auch der Ausbruch in Berlin, der besonders Kitas betrifft.

Neben den Eltern, die ihre Kinder aus Nachlässigkeit nicht impfen, verweigern einige Eltern auch aus weltanschaulichen Gründen eine Impfung. Sie sind skeptisch und fürchten, dass eine Impfung doch gefährlicher ist, als allgemein behauptet wird. Das spielt laut Leidel derzeit vor allem bei gut gebildeten, wirtschaftlich besser gestellten jungen Menschen eine große Rolle.

Dabei prüft die STIKO ausführlich, bevor sie einen Impfstoff empfiehlt. Die Impfkommission, der von Impfkritikern immer wieder die Nähe zu Pharmazieunternehmen vorgeworfen wird, evaluiert Studien und Forschungsergebnisse aus aller Welt zu den Impfungen und befragt Experten aus wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Die Begründungen für eine Empfehlung sind häufig mehr als fünfzig Seiten lang.

Viele Kritiker bezweifeln allerdings die Unabhängigkeit der Studien. „Der Vorwurf, dass Studien zu Impfungen durch Interessengruppen wie die Pharmaindustrie beeinflusst sind, ist auch nicht völlig unbegründet“, sagt Leidel. Wenn ein Pharmahersteller einen Impfstoff zur Zulassung einreichen möchte, muss er zunächst beweisen, dass dieser Impfstoff wirksam ist. Dies sei allerdings ähnlich wie beispielsweise bei einem Autohersteller, der ein neues Auto entwickelt und dessen Sicherheit selbst testet. „Da die Entwicklung des Impfstoffs keine staatliche Aufgabe ist, führt dieser auch keine unabhängigen Studien dazu durch.“

Impfungen können Impfschäden verursachen

Zudem ist ein Impfstoff nicht automatisch erhältlich, wenn ein Pharmahersteller eine Zulassung erhalten hat. Es folgt eine Fülle von wissenschaftlichen Untersuchungen und Arbeiten, die sich mit der Wirkung des Impfstoffs beschäftigen. Diese sind teilweise gesponsert. Ob eine Studie fremdfinanziert wurde, spielt in der Empfehlung der STIKO deshalb auch eine Rolle.

Strengen Impfgegnern reichen geprüfte Empfehlungen aber meist auch nicht. Im Internet gibt es viele Seiten, auf denen vermeintliche Experten eindringlich vor Schutzimpfungen warnen. Schlagzeilen machte zuletzt der Biologe Stefan Lanka, der grundsätzlich die Existenz von Masernviren anzweifelte. Er versprach, 100.000 Euro für den Beweis zu zahlen, dass es sie doch gebe. Der Arzt David Bardens aus dem Saarland führte dieses Beweis und bekam durch ein Gericht die Preissumme zugesprochen. Lanka ist in Berufung gegangen. Auf Facebook gibt es Gruppen wie „Impfen…NEIN danke!!!!!“. Dort schreiben Impfgegner beispielsweise: „Ein Impfzwang ist ein behördliches Armutszeugnis und eine wissenschaftliche Bankrotterklärung.“

Vorbild Großbritannien

Eine besondere Angst der Impfgegner: Impfschäden. Nach einer Impfung kann man einen blauen Fleck an der Impfstelle und Erkältungserscheinungen wie Kopfschmerzen und Erschöpfung bekommen. Manchmal gibt es aber auch andere Nebenwirkungen. Die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung löst beispielsweise ein Mal pro drei Millionen Patienten selbst die Krankheit aus. Auch bei der Impfung gegen die Schweinegrippe kam es 2009 zu ungewollten Nebenwirkungen. Der gegen die Schweinegrippe entwickelte Impfstoff führte dazu, dass die Zahl der Narkolepsie-Fälle in skandinavischen Ländern anstieg. „Ich habe keinen Zweifel, dass es einen Zusammenhang zwischen der Impfung und der Narkolepsie gab“, sagt Virologe Leidel.

Ob es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung und einer Krankheit gibt oder ob der Zusammenhang ein Zufall ist – das ist nicht immer leicht festzustellen. Nur wenn der Zusammenhang „sicher oder wahrscheinlich ursächlich“ ist, gibt es bei einem Impfschaden durch eine Schutzimpfung eine staatliche Entschädigung. Ironischerweise ist ein Problem von sehr wirkungsvollen Impfungen ihr Erfolg selbst. Krankheiten, die vor der Möglichkeit des Impfens noch gefürchtet waren, verschwinden aus den Köpfen der Menschen.

Indes steigt die Zahl der an Masern erkrankten Menschen. Nicht nur in Berlin, auch in anderen Bundesländern werden mittlerweile wieder Masernfälle gemeldet. Leidel ist sich sicher, dass eine weitere Ausbreitung nur durch mehr Impfungen gestoppt werden kann. Er verweist auf das Vorbild England. Dort wird kollektiv in der Schule geimpft.

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2 Antworten auf „Die Angst vor der Impfung“

  1. Von Besucher am 10. April 2015

    Interessant, dass ich im Internet immer wieder auf reklamierte SSPE Fälle stoße in der die Kinder meist zwischen 7-12 Jahre alt sind. Dort heißt es sie hätten sich im Säuglingsalter angesteckt. Würde zu gerne wissen, ob diese Kinder nach dem Impfkalender durchgeimpft worden sind. Da steht nämlich nichts darüber. Kurz zusammengefasst seit Geburt bekommt der Impfling eine Menge an Impfdosen (siehe Impfkalender) und im Alter 5-6 sowie 9-17 nochmal eine Auffrischung und dort fallen auch viele SSPE Fälle rein. Laut Bundesamt für Risikobewertung ist Aluminium nerventoxisch und erbgutschädigent über Quecksilber und Squalene (siehe Golfkriegssyndrom) möchte ich erst garnicht genauer eingehen. Außerdem können lang anhaltende und/oder schwere Entzündungen Autoimmunerkrankungen auslösen. Könnte es vielleicht sein, dass die besagten SSPE, hypothetisch angenommen, evtl. falsch diagnostiziert wurden. Ach ja es wird ja im Serum der verstorbenen angeblich Masernviren gefunden. Ich hoffe allen ist klar, dass die Analysemethoden unspezifisch sind und Viren zu einem erheblichen Anteil dem menschlichen Genom entsprechen und bei einem haufen von Zelltoden Material lässt sich bestimmt allerei im Serum finden. Recherchiert mal selbst. Ich werde diese Seite nicht mehr aufsuchen, Kommentare gegen meine Person werde ich somit nicht wahrnehmen.

  2. Von Marie am 18. Juli 2018

    Traurig ist, dass häufig Kinder aber auch aus Nachlässigkeit nicht geimpft werden , wenn Eltern sich nicht darum kümmern.

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