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DebatteIst die Widerspruchsregelung sinnvoll?

Von Steffen Haake / 31. Januar 2019
picture alliance / photothek | Felix Zahn

Die Entnahme und Transplantation von Organen ist in Deutschland bisher nur nach ausdrücklicher Zustimmung möglich. Geht es nach Jens Spahn, soll jeder automatisch zum Organspender und der Vorgang selbst zum Normalfall werden.

Laut Befürwortern der Praxis gibt es zu wenig Organspender in Deutschland. Um die Spendenzahlen zu steigern, hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bereits im vergangenen Herbst angekündigt, dass Transplantationsbeauftragte mehr Zeit für diese Aufgabe und Kliniken mehr Geld für den Organspende-Prozess erhalten würden. Wegen des zuvor präsentierten Gesetzentwurfs, der sich mit den Ursachen des Mangels an Spenderorganen beschäftigt, kamen Spahns Äußerungen überraschend. Eine neue Studie aus dem Deutschen Ärzteblatt zeigt: Die Probleme liegen eher im Krankenhausalltag. Potenzielle Spender würden in Kliniken zu selten erkannt und gemeldet. Daran erinnerte auch die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU-Bundestagsfraktion, Karin Maag, die Spahn im Gegensatz zu SPD-Gesundheitspolitiker Prof. Karl Lauterbach kritisierte.

Debatte aus Karrieregründen?

Auch andere Kritiker glauben, Spahn wolle sich durch dieses Engagement im Gesundheitsressort ein neues Image verpassen: Weg vom harten Machtpolitiker, hin zum sozialen Lebensretter. Die Debatte fiel Ende 2018 immerhin in die Zeit des Wahlkampfes um den CDU-Vorsitz, den Spahn klar gegen seine Kontrahenten Merz und AKK verlor. Allerdings wird dem ehrgeizigen 38-jährigen Politiker eine langfristige Strategie zur Kanzlerkandidatur unterstellt. Dafür, so scheint Spahn selbst überzeugt, muss er sich aber zunächst zum verlässlichen Gesundheitspolitiker entwickeln.

Brauchen wir aber Spahns Neuregelung des Transplantationsgesetzeses wirklich? Der Deutschen Stiftung Organtransplantation zufolge gab es 2017 einen Tiefpunkt mit 797 Organspendern. 2018 gab es, wohl durch eine Kampagne, einige Spenden mehr, aber dennoch warteten immer noch 10.000 Patienten auf Spenderorgane. Tatsächlich denken viele nicht daran, sich als Organspender registrieren zu lassen. Das muss man aber: Denn wer nicht offiziell registriert ist, kann seine unverletzten, gesunden Organe etwa nach einem Unfall nicht spenden. Noch nicht.

In anderen EU-Ländern ist das Organspenden zwar bereits so geregelt, wie Spahn es vorsieht. Hierzulande gibt es aber Positionen, die das anders sehen: Durch Skandale wurde viel Vertrauen verspielt, warnen sie. Die Kriterien, nach denen Organe vergeben werden, müssten transparenter sein. Bundestagsmitglied Karl Lauterbach fordert, die Organspendenkampagnen breiter zu organisieren, um genügend Rücklauf zu ermöglichen. Alles andere empfindet er als „Schande“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich für eine Bundestagsdebatte und eventuellen Neuregelung zu dieser Frage aus.

Warenhausangst

Einige befürchten, Menschen würden bei der gesetzlichen Umsetzung von Spahns Vorstoß zum Ersatzteillager. Er sei ein Angriff auf die persönliche Freiheit des Einzelnen, ja sogar nicht weit von Missbrauch. Der Deutsche Ethikrat zweifelt, ob ein solcher Eingriff, der vielleicht das Persönlichkeitsrecht mindert und den einzelnen, also seinen Körper de jure der Gesellschaft überantwortet, rechtlich durchsetzbar ist. Niedersachsens Gesundheitsministerin Dr. Carola Reimann äußerte sich kritisch: Für sie sei aktive „Selbstbestimmung vorrangig“. Informations- und Qualitätsmanagement sollten verbessert werden, fordert die frühere stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende der SPD.

Praktisch betrachtet, fürchtet man, dass ein Mensch vorschnell und womöglich aus Profitgründen für (hirn-)tot erklärt wird, zumal Organe entnommen werden, wenn das Herz noch schlägt. Doch wann ist der Mensch wirklich tot? Darauf gibt es auch widersprüchliche medizinische Antworten. Von religiösen Einlassungen ganz zu schweigen.

Privatdozent Dr. Hans-Jörg Klotter, jahrzehntelang Chefarzt in Aurich, sagt: „Bei vielen besteht Angst, dass sie noch als Lebende explantiert werden. Das ist einerseits richtig, andererseits jedoch falsch. Erst nach der Feststellung eines Hirntodes bei sonst noch funktionierenden Organen kann diese Explantation erfolgen.“ Die Feststellung des Hirntodes erfolge durch mehrere Ärzte, die unabhängig voneinander den Hirntod feststellten. Bestehe nur der geringste Zweifel, werde die Explantationsfreigabe verwehrt.

Sollte jemand ausdrücklich darauf hinweisen, dass er gegen eine Explantation im Todesfall sei, werde dieser Willensäußerung Rechnung getragen, versucht Klotter Bedenken zu zerstreuen: „Selbstverständlich geschieht dies in Absprache mit den Angehörigen. Die Transplantations-Medizin kann viele Leben retten und die Lebensqualität vieler Kranken deutlich verbessern.“

Ulrike Sommer, Frau des Ex-DGB-Chefs Michael Sommer, die von ihrem Mann eine Niere gespendet bekommen hat, ist gegen postmortale Organvergabe. Dem Magazin Der Spiegel sagte sie: „Meine Krankheit ist mein Problem. Daran muss ich sterben.“



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