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Kindgerecht ist der Wettkampfgedanke nicht wirklich. Statt der Entwicklung steht der Erfolg im Vordergrund. Dieses Konzept passt nicht mehr in die Zeit.
Fußball ohne Torwart? Was für viele auf den ersten Blick völlig unsinnig wirkt, ist ein zentraler Gedanke des neuen Konzeptes des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) für den Kinderfußball. Und dieser Gedanke ist gut, denn die Abschaffung der Meisterschaftsrunden legt den Fokus auf den Spaß am Sport, richtet den Blick weg vom Leistungsgedanken und birgt mehr Vorteile für Kinder, Eltern, Trainer*innen und den DFB selbst.
Das neue Konzept mit dem Namen „Funino“ soll Kindern den Leistungsdruck nehmen. Der Name setzt sich dabei aus den Begriffen „Fun“, also Englisch für „Spaß“ und dem Spanischen „nino“ für „Kind“ zusammen und soll das kindgerechte Training und die Spielfreude in den Vorderpunkt stellen. So spielen die Kinder pro Spieltag nicht mehr nur ein alles entscheidendes, großes Spiel, sondern mehrere kurze und können so an jedem Spieltag sowohl gewinnen als auch verlieren. Dabei geht der Leistungsgedanke nicht völlig verloren und die kleinen Kicker*innen lernen sehr wohl, was verlieren und gewinnen bedeutet.
Gleichzeitig ist der Verzicht auf die klassische Tabelle für die Kinder selbst kein Verlust; im Alter der G- und F-Jugend haben sie noch gar kein genaues Verständnis für Zahlen und Tabellen. Bisher waren es nahezu ausschließlich die Eltern und Trainer*innen, die verbissen möglichst oft gewinnen wollten. Dass die Abkehr vom Leistungsdruck richtig ist, zeigt auch die kürzlich geführte Debatte um die Bundesjugendspiele, bei der der Kerngedanke ebenfalls darin liegt, den Spaß am Sport besser zu fördern und mehr Erfolgserlebnisse zu generieren, statt den Leistungsdruck ständig zu erhöhen.
Tore für jeden und jede
Neben mehr Erfolgserlebnissen ermöglicht das neue Konzept auch mehr Ballkontakte und mehr Chancen auf Tore. Durch die Einwechselungen nach jedem Tor haben auch leistungsschwächere Kinder mehr Einsatzzeiten und die Möglichkeit, Tore zu schießen und sich weiterzuentwickeln. Gleichzeitig lernen die „leistungsstarken“ Kinder die schwächeren zu unterstützen, weil nicht immer nur die vermeintlich „schwächsten“ Kinder auf der Auswechselbank sitzen. Denn wer nur auf der Auswechselbank sitzt, kann sich auch nicht verbessern. Das kennen viele noch aus dem Schulsport.
Durch die Umstellung auf Minitore lassen sich auch mehr Tore schießen. Statt den Ball immer an den*die beste Schütz*in abgeben zu müssen, kann jedes Kind selbst auf’s nächstgelegene Tor schießen. Das fördert die Motivation und das Zusammengehörigkeitsgefühl. Mit der Teamgröße von drei oder vier Kindern hat jedes Kind darüber hinaus häufiger Ballkontakt und gewinnt das Gefühl, selbst einen wertvollen Beitrag für das Team zu leisten.
Das neue Konzept bietet mehr Möglichkeiten für verschiedene Spielformen und individuelles Training. So können alle Kinder alle Positionen ausprobieren, ohne sich in den Spielen auf eine festlegen (lassen) zu müssen. Der Fokus zum Beispiel auf die Torwart-Position geschieht in der E-Jugend im Alter von acht bis elf Jahren noch früh genug. Auch für Torhüter*innen ist es wichtig, sich in 1:1 Duellen behaupten und gut mit dem Ball am Fuß umgehen zu können. Genau das ermöglicht das neue „Funino“-Konzept.
Diese vielfältigen Möglichkeiten wurden während der Pilotphase von verschiedenen Seiten häufig gelobt. Nicht zuletzt, weil es Vorreiter gibt. Länder wie Belgien, die Niederlande oder England zeigen, dass „Funino“ das ideale Konzept für Kinderfußball ist: Die Interessen und Stärken der Kinder stehen im Vordergrund und die Regeln sind besser an die einzelnen Altersstufen angepasst.
Zurück zum Bolzplatz-Gefühl
Am Ende ist es nicht nur eine Einstellungssache. Bei Kindern sollte definitiv der Spaß an erster Stelle stehen. Die Ungezwungenheit des Kinderfußballs, wie viele es vom eigenen Bolzplatz kennen, kann so ein Stück zurückgewonnen werden und der Siegeswille tritt hinter Teamgefühl und Spielgestaltung zurück. Man darf hoffen, dass mithilfe des neuen Konzeptes auch bei Eltern und Trainer*innen das „Bolzplatz-Gefühl“ wieder wichtiger wird als das Zählen der Ränge bis zum Abstiegsplatz.
Auf den ersten Blick scheint mit dem neuen Konzept zwar ein größerer organisatorischer Aufwand verbunden zu sein; auf lange Sicht wird er aber abnehmen, weil nicht jede Woche ein Spiel ansteht. So sollen die Regeln und Spielformen in allen Landesverbänden vereinheitlicht werden. Von dieser Einheitlichkeit kann der DFB nur profitieren, denn sie ist ein zukunftsversprechendes Modell, das den Nachwuchsfußball in Deutschland flächendeckend und auf lange Sicht fördert. Auch gibt es zwischen der G- und E-Jugend zahlreiche Abstufungsmöglichkeiten, an denen Teams sich individuell orientieren können. In der F-Jugend kann probeweise sieben gegen sieben gespielt oder jemand erstmals im Tor eingesetzt werden.
So gelingt auch eine überfällige finale Angleichung der Regeln für Mädchen-Teams. Mädchen- und gemischte Teams können die gleichen Spielformen wie die Jungen lernen, was eine höherwertige Ausbildung von Mädchen- und Frauenfußball erwarten lässt.
Der Einsatz lohnt sich. Dieser Wandel wird von vielen Verantwortlichen, vom Dorfverein bis zu den Vorstandsgremien im DFB, gewünscht und unterstützt. Das neue DFB-Nachwuchskonzept kann ein Vorbild für insgesamt weniger Leistungsdruck im Jugendsport sein und das Signal aussenden: Beim Fußball stehen Spielfreude und Team-Zusammenhalt an erster Stelle. Auf das Toreschießen wird ja nicht verzichtet. Denn da sind sich dann alle wieder einig: Tore schießen gehört zu den schönsten Momenten im Fußball.