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ProZigarettenpfand in die Hand

Von Michael Heck / 31. Juli 2019
picture alliance / blickwinkel/McPHOTO/begsteiger | McPHOTO/begsteiger

Das Getränkepfand war erst als zu kompliziert verschrien und boomt mittlerweile. Die Chancen, dass es einem Kippenpfand ähnlich ergeht, stehen gut. Die Motive dahinter sind es sowieso.

Das schmeckt jetzt sicher nicht jedem. Aber die Wahrheit ist: Tabak ist eine gesellschaftlich akzeptierte Droge, die ganz nebenbei durch ihren Konsum in Form von Filterzigaretten eine immense Menge an Müll produziert. Dieser Müll ist mehr als Abfall. Er ist Gift für Mensch und Umwelt. Was können wir also dagegen unternehmen? Und: Was wollen wir dagegen unternehmen?

Eine Berliner Gruppe, die sich Die Aufheber nennt, hat eine Petition zur Einführung eines einheitlichen Pfandsystems auf Filterzigaretten und Zigarettenschachteln gestartet. Pfand für Zigarettenreste. Klingt absurd? In Wirklichkeit hätte das bereits vor langer Zeit passieren sollen.

Wir vergiften einander

Schon ein oberflächlicher Blick auf die Inhaltsstoffe von Tabak zeigt, wie schädlich dieser ist. Die (über 4000!) Substanzen, die sich in den Tabakmischungen befinden, sind außer dem gemeinhin bekannten Nervengift Nikotin Chemikalien oder Metalle wie Arsen, Cadmium, Kupfer, Blei, Benzol, Chrom, Blausäure, Dioxin, etc. Arsen, zum Beispiel, ist zwar ein natürlich vorkommendes Element, aber hochgiftig.

Je nach Menge können die toxikologischen Wirkungen all dieser Stoffe ziemlich unangenehm für uns Menschen werden. Und nicht nur für uns. Tiere, die Zigarettenfilter verschlucken, weil an ihnen Speisereste kleben oder weil sie neben Essensabfällen liegen, können daran elend verenden oder schwer erkranken.

Untersuchungen haben ergeben, dass ca. 80 Prozent aller Kippen weltweit auf dem Boden landen, was laut der Justus-Liebig-Universität Gießen einer Menge von 4,5 Billionen Zigarettenfiltern entspricht. Man kann sich somit eine grobe Vorstellung vom Ausmaß der Umweltverschmutzung durch die in Tabak und Zigarettenfilter enthaltenen Giftstoffe machen.

Wer es ganz genau wissen will: Ein einzelner gebrauchter Filter soll mehr als 40 Liter Grundwasser verseuchen können, sagt der BUND. Ebenso wird gewarnt, dass es nur 30 Sekunden dauert, bis das wasserlösliche Nikotin aus einem Filter gespült wird. Nichtraucher*innen müssen sich also nicht nur wegen Passivrauchens Sorgen machen.

Geld als Mittel zum Zweck

Das alles hält trotzdem viele nicht davon ab, ihre tägliche Zigarette zu rauchen, und andere kümmert es wenig, wo ihre Kippe bleibt. Ein Pfandsystem würde sicherstellen, dass wenigstens Letzteres ein Ende hätte. Der Anreiz, aus Zigarettenabfällen Geld zu machen, könnte dazu führen, dass Filter und Verpackungen nahezu vollständig gesammelt und die Rohstoffe darin wiederverwertet werden.

Die Rechnung ist ganz einfach: Wenn die Tabakindustrie Milliardenumsätze machen kann und für Gesundheits- und Umweltschäden mitverantwortlich ist, soll mit dem Konsum ihrer zerstörerischen Produkte zugleich wenigstens ein Stück vom übergroßen Kuchen einhergehen. Damit kann dann eingespartes öffentliches Geld etwa bei der Straßenreinigung für andere wichtige Zwecke eingesetzt werden und der Allgemeinheit zugute kommen.

Die Fakten sprechen damit für sich. Spätestens jetzt sollte jedem klar sein, dass es ein moralisches Gebot ist, diesem Wahnsinn ein Ende zu setzen! Aus Kippen Geld zu machen, ist kein unmoralisches Angebot. Deswegen wird schon niemand schlagartig reich (weder Sammler*innen) oder arm (etwa Kioskbesitzer*innen). Der Kampf gegen die Kippe krönt schlichtweg das Bemühen um eine gesündere Umwelt und mehr Gerechtigkeit in einem ziemlich kranken System.

Pfand in der Praxis – passt!

Wie sähe die konkrete praktische Umsetzung eines Pfandsystems auf Zigarettenabfälle aus?

Die Aufheber schlagen vor, dass für jeden Taschenaschenbecher, der gefüllt mit 20 Zigarettenstummeln zu Verkaufs-/Annahmestellen zurückgebracht wird, vier Euro ausgezahlt werden. Wie beim Flaschenpfand also: Flaschen in der Kiste abgeben, Pfand einstreichen, fertig. Der wiederverwertbare Taschenaschenbecher wäre ab zwei Euro zu haben und würde mit jedem Zigarettenkauf ausgegeben.

Das Pfandsystem für Flaschen und Dosen hat sich bewährt. Die Chancen, dass es mit dem Kippenpfand ähnlich läuft, stehen also gut. Zumal Zigaretten(reste) schon lange ein Dorn im Auge der Gesellschaft sind. Auch der Kölner Erfinder Mario Merella kämpft mit seinem Verein Tobacycle gegen die zahllosen Zigarettenstummel. Sein Beitrag: Neuartige Behälter aus Kippen für Kippen. Dass etliche Medien auf ihn und die Petition von Die Aufheber angesprungen sind und darüber berichtet haben, beweist, dass der Wille da ist, das Thema Zigarettenabfälle endlich anzugehen.

Es wird sicher Personen geben, die, wie auch beim Getränkepfand, nicht mitmachen werden. Deren fehlende Beteiligung könnte aber durch freie Sammler*innen aufgefangen werden. Also, worauf warten wir?



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