X Icon Facebook Icon

ContraSeenotrettung ist kein Pull-Faktor für Migration

Von Laura Lansche / 30. April 2024
picture alliance / Frank May | Frank May

Niemand nimmt den beschwerlichen und oftmals tödlichen Fluchtweg übers Mittelmeer grundlos auf sich. Flucht und Migration werden nicht von ziviler Seenotrettung begünstigt. Es ist darum eine menschliche und rechtliche Pflicht, das Leben von Menschen in Seenot zu retten.

Im Jahr 2024 sind alleine bis Ende März mindestens 459 Menschen auf ihrer Flucht über das Mittelmeer gestorben. Seit 2014 ertranken der Statistik-Plattform Statista zufolge 29.313 Flüchtende im Mittelmeer, 2016 waren es 5.000. Sea-Eye, Mission Lifeline, Sea-Watch oder SOS Humanity sind Beispiele für zivilgesellschaftliche Organisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Menschen in Seenot auf dem Mittelmeer zu retten.

Doch obwohl es zivile Seenotrettung gibt, sterben noch immer regelmäßig Menschen bei der Überfahrt über das Mittelmeer. Die Route ist lebensgefährlich, der Ausgang ungewiss. Auf so etwas lässt sich niemand ohne Not ein! Und erst recht nicht, nur weil es die Möglichkeit gibt, auf dem Mittelmeer von Ehrenamtlichen gerettet zu werden. Das Risiko der Reise besteht weiterhin: Sie kann tödlich enden. Dem entgegen steht die Hoffnung, dass das Boot ohne fremde Hilfe ankommen wird. Zivile Seenotrettung lindert lediglich das Problem, behebt es aber nicht. Eine Grafik im Atlas der Migration von 2022 verdeutlicht, dass das Mittelmeer weltweit die tödlichste Grenze ist. Nur Verzweiflung kann dazu führen, diesen Weg auf sich zu nehmen und sich in einem überfüllten Schlauchboot auf den unsicheren Weg übers Mittelmeer zu wagen.

Menschen fliehen wegen Kriegen oder Konflikten

Fluchtursachen sind vielfältig: Krieg, Konflikte, Verfolgung, Klimawandel, Armut oder Perspektivlosigkeit. Eines ist den Menschen gemeinsam, die sich auf eine beschwerliche Flucht innerhalb ihres Landes, in ein Nachbarland oder nach Europa begeben: Sie fliehen nicht grundlos, sondern weil ihre Existenz bedroht ist. Die Ursache für Migration allein auf zivile Seenotrettung oder andere Leistungen für Geflüchtete in Europa zu schieben, vereinfacht die Komplexität von Fluchtgründen. Wegen Seenotrettung kommen nicht mehr oder weniger Menschen nach Europa. Es ertrinken aber weniger bei der Überquerung des Mittelmeers. Ohne Seenotrettung wären das deutlich mehr.

Auch die europäische Verantwortung bei den Gründen für Migration sollte mitgedacht werden. Die jahrhundertelange Kolonialisierung afrikanischer Länder oder des Nahen Osten trug zu einer Zerrüttung der vorherrschenden Strukturen bei, die noch heute Ursache für Konflikte, politische Instabilität und einer darauf gründenden Migration ist.

Internationales Seerecht verpflichtet zu Seenotrettung

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, heißt es in Artikel 1, Absatz 1 des Grundgesetzes. Würde haben auch Menschen, die aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak fliehen und in Europa nach einer besseren Zukunft suchen, sie gilt bedingungslos. Daher sollten auch sie als Menschen behandelt werden, die nicht mutwillig im Mittelmeer ihrem Schicksal überlassen werden können. Sie müssen gerettet werden, wenn sie in Seenot sind. Flüchtenden aus ehemals kolonialisierten Ländern ihre Menschenwürde abzusprechen, indem man in Frage stellt, dass sie aus Seenot gerettet werden sollten, in die sich selbst freiwillig gebracht hätten, hat nicht zuletzt rassistische Wurzeln.

Im internationalen Seerecht ist zudem eine Verpflichtung zur Seenotrettung verankert, das gilt für jedes beliebige Schiff, also auch Handelsschiffe. Die Geretteten müssen anschließend an einen sicheren Ort gebracht werden, wozu Libyen nicht gehört. Dies gilt ausnahmslos für alle Menschen, auch für Menschen auf der Flucht.

Ohne zivile Seenotrettung würden Menschen auf dem Mittelmeer nicht gerettet

Zivile Seenotrettung schließt eine Lücke, staatliche Seenotrettungen gab es kaum. Laut dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen UNHCR rettete die italienische Marinemission „Mare Nostrum“ von 2013 bis 2014 Menschen im Mittelmeer. Die darauffolgenden Projekte „Triton“ und „Sophia“ hatten vorrangig die Aufgabe, Schlepper und irreguläre Migration zu bekämpfen. Auch die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex operiert im Mittelmeer, um die europäischen Außengrenzen zu schützen und, so Amnesty International, um die Einreise von Migrant*innen zu verhindern.

Die Aktionen von Frontex sind kaum als Seenotrettung zu verstehen, kooperiert sie doch mit der libyschen Küstenwache, die Boote mit Flüchtenden zurück nach Libyen schickt, wo sie oftmals gefoltert oder anderweitig misshandelt werden, wie aus einem Artikel der Deutschen Presseagentur (dpa), der am 12. Dezember 2022 im Tagesspiegel erschien, hervorgeht. Demnach veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch einen Report, der aufzeigt, wie Frontex die Koordinaten von Booten mit Flüchtenden an libysche Streitkräfte weitergegeben haben soll.

Recht auf Asyl ist im Grundgesetz festgehalten

Asyl ist ein Menschenrecht, im Grundgesetz ist das Recht auf Asyl in Artikel 16a festgehalten. Es soll Menschenwürde, Leben, Freiheit und körperliche Unversehrtheit schützen. Menschen auf der Flucht haben das Recht auf eine sichere Zuflucht. Geflüchtete dürfen nicht abgewehrt oder daran gehindert werden, in Europa Zuflucht zu finden. Stattdessen sollten Schutzsuchende von uns aufgenommen werden und hier ein sicheres Leben führen können.



Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Ähnlicher Beitrag
Neues Thema
Meist kommentierter Artikel