ProDigital dranbleiben für weniger Isolation
Corona – ich bin selbst mehr als genervt von diesem Thema. Und doch muss ich ein paar Dinge loswerden. Denn die soziale Isolation in dieser Krise fühlt sich weniger hart an, weil wir zumindest virtuell nicht alleine sind. Gedanken einer Extrovertierten.
Wer mich kennt, weiß, dass ich nur zu gern unter Menschen bin. Nichts mehr liebe, als Konzerte und Festivals – auch wegen der Menschenmengen, die sich im Club oder auf Stadt- und Oktoberfesten um mich drängen, aber auch WG-Abende sowie Zeit mit Freunden mehr schätze als alles andere auf der Welt. Und auch wer mich nicht kennt, ahnt darum bereits, dass mich der aktuelle Kontaktstopp sehr einengt, so als müsste ich auf einen Teil meiner selbst verzichten. Aber ich wiederum weiß auch: Es ist nötig und wichtig, sich jetzt an die Einschränkungen zu halten, damit all das, was uns fehlt, bald wieder möglich ist.
In den letzten Wochen habe ich mich jedoch häufiger gefragt: Reichen mir die gebotenen Möglichkeiten, die den direkten Kontakt zu Menschen momentan ersetzen sollen? Zoom-Dates mit einem Glas Wein und Spaziergänge am Main, virtuelle Netflix– oder Kochabende mit meinen Freunden, die gerade irgendwo auf der Welt sitzen und denen es mehr oder weniger genauso geht wie mir. Kann ich womöglich auch damit glücklich sein?
Ich war schon immer abenteuerlustig. Immer unterwegs, auf dem Sprung in eine neue Stadt, um neue Leute kennenzulernen, ein Praktikum zu machen, quasi immer weit weg von meinen wichtigsten Mitmenschen. Bereits damals hielt ich zu diesen über Sprachmemos, Telefon und Facetime Kontakt. Im Unterschied zu heute aber: Es gab immer die Möglichkeit, zu ihnen zurückzukehren und sich im realen Leben zu treffen. Sich zu umarmen. Körperliche Nähe zu spüren. Und ich glaube, das ist es, was wir alle am meisten vermissen. Seien es Berührungen, wie Neurowissenschaftlerin Rebecca Böhme in einem Interview mit dem Deutschlandfunk erzählt („Das Wohlergehen leidet, wenn die Berührung fehlt.“) oder die Leichtigkeit, die man spürt, wenn man es sich abends bei einer Freundin auf dem Sofa gemütlich macht, lacht, erzählt und einfach das Leben miteinander teilt.
Regelmäßige Treffen helfen
Früher liebte ich das Spazierengehen – mittlerweile hängt es mir zum Hals raus. Angesichts der Minusgrade der letzten Wochen hielt man es draußen eh kaum länger als eine Stunde aus. Statt zu flanieren, hetzte man durch die Gegend, wenn nötig, mit Maske. Was das Telefonieren dabei nicht unbedingt besser macht. Aber auch wenn man zu zweit unterwegs war: mit Abstand über wirklich wichtige, private Dinge reden, während fremde Leute einen überholen – oder man sie selbst passiert? Das läuft nicht. Zumindest nicht annähernd so ungezwungen, wie man es zu Hause in privater, vertrauter Umgebung täte.
Nun gibt es zwar die Möglichkeit, von daheim aus entspannt zu telefonieren oder zu facetimen. Jogginghose an, das unaufgeräumte Zimmer im Bild und trotzdem: einfach drauf losquatschen! Mit den Liebsten sollte das kein Problem darstellen. Vielleicht fällt es einem auch leichter, eine gewisse Regelmäßigkeit in diese Verabredungen zu bringen, wenn man sich, sagen wir, immer mittwochs um 20:15 Uhr auf Zoom trifft, um “gemeinsam“ vorm TV zu versacken. Aber bleiben wir ehrlich: Die Spontaneität und damit verbundene Stimmung bei derartigen Live-Treffen vor Corona sind so nicht zu erreichen. Man kann und sollte versuchen, vieles zu ersetzen, Alternativen zu finden. So haben eine gute Freundin und ich uns letztens während eines Facetime-Dates daran gemacht, zeitgleich ein neues Rezept für Gemüselasagne auszuprobieren. Fazit: Möglich ist es. Aber es ist lange nicht das Gleiche! Wie auch, wenn man vor Verbindungsproblemen nicht sicher ist, nicht gemeinsam hantieren und am Ende nicht mal vom selben Gericht kosten kann.
Es kommt auf die Einstellung an
Kann die Digitalisierung die Vereinsamung während der Isolation verhindern? Jein. Ich glaube, es kommt ganz darauf an, wie man der Sache gegenüber eingestellt ist, auf die Wohn- und Arbeitssituation… Aber selbst dann ist es menschlich, während der gängigen Winterdepression nicht das gleiche Glück zu empfinden wie sonst.
Ich glaube nicht, dass ich unglücklicher bin als die Jahre davor. Dank der modernen digitalen Kommunikationsmöglichkeiten kann ich auch in diesen Zeiten mit meinen wichtigsten Menschen praktisch überall und jederzeit reden. Aber mir fehlt, eine ganze Nacht hindurch zu tanzen, mit meinen Freunden ausgelassen Spaß zu haben, mich sorglos zu fühlen. Ohne eine solche Freiheit kann ich auf Dauer keine vollständige Leichtigkeit spüren, und die wiederum ist, glaube ich, das, was die eigentliche Grundlage für Glück und Zufriedenheit ausmacht.
Also, nicht falsch verstehen: Ich bin froh, jetzt zu leben. Teil dieser Generation zu sein, bedeutet vor allem, viel mehr Kontaktmöglichkeiten während einer Pandemie wie dieser zu haben, als das vor einem halben Jahrhundert der Fall gewesen wäre. Digital dranbleiben hilft sicher dabei, weiter auszuharren, geduldig zu sein und auf bessere Zeiten zu hoffen. Denn sie werden kommen – früher oder später. Darin bin ich mir sicher. Und bis dahin träume ich von festen Umarmungen zur Begrüßung und von der Energie einer Menschenmenge, die mir nicht nur Kraft gibt, sondern Leichtigkeit.
Ja moin, wie das die Autorin sehr adäquat beschrieben hat, können wir zum einen froh sein, im heutigen halbwegs digitalisiertem Zeitalter zu leben. Dies macht tatsächlich vieles einfacher, trifft die extrovertierten und welche, die gerne soziale Kontakte persönlich pflegen, sehr hart. Dies ist leider ein Umstand, den wir alle erbringen müssen, um zu gegebener Zeit wieder unser gewohntes Leben führen zu können. Daher kann ich die Gedanken und Wünsche der Autorin sehr gut nachvollziehen und nur hoffen, dass wir dies in absehbarer Zeit wieder aufnehmen können.
Wieder ein super Artikel, was jeden betrifft..
Aktuelles Thema & interessanter Artikel.
Gut recherchierter und gut geschrieben Artikel 👍