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ProVolle Fahrt in die richtige Richtung

Von Marlene Thiele / 30. Mai 2023
picture alliance / Westend61 | Hernandez and Sorokina

Andere Länder beneiden uns um das bundesweit gültige Nahverkehrsticket. Dass in Deutschland gemeckert wird, liegt an dem billigeren Vorgänger. Doch das 9-Euro-Ticket war von vornherein auf drei Monate begrenzt und sehr teuer für den Staat. Eine alternative Weiterführung ist großartig.

Wir erinnern uns alle an die grenzenlose Mobilität im Sommer 2022: Ich war im Bayerischen Wald unterwegs. Warum nicht ein Abstecher nach Passau – kostet ja nichts. Ebenso billig bin ich an einem Tag mit meinem 9-Euro-Ticket von Kehl nach Ostwestfalen gefahren, auf dem Schoß zwei Taschen, aber immerhin sitzend… und zumindest in drei der sechs Regiobahnen, die ich auf über neun Stunden Weg benutzt habe. Eingestiegen bin ich in Kehl übrigens nur, weil ich vorher im benachbarten französischen Straßburg unterwegs war. In Frankreich galt das deutsche 9-Euro-Ticket nicht.

Mit dem 49-Euro-Ticket hingegen kommt man auch nach Straßburg. Ebenso wie nach Luxemburg, ins österreichische Salzburg und weitere Städte in den Nachbarländern. Das “Deutschlandticket“ hat nicht umsonst monatelang auf sich warten lassen. Hier wurde viel verhandelt, auch international. Trotzdem sind die Reaktionen eher verhalten.

Das super billige Ticket ist dauerhaft nicht finanzierbar

Kritikpunkt Nummer eins ist natürlich der um 40 Euro höhere Preis. Neun Euro letzten Sommer, das entspricht fast dem Preis von zwei Fahrten mit der Münchner U-Bahn. Da hat keiner lange überlegt. Das 9-Euro-Ticket sei „ein Riesen-Erfolg“ sagte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) im August letzten Jahres in einem ZDF-Interview. Insgesamt 52 Millionen Mal wurde es verkauft. Die Kosten dafür trug der Bund, schätzungsweise 2,5 Milliarden Euro. Grundlage für diese Summe waren die entfallenen anderen Fahrscheineinnahmen zwischen Juni und August 2022.

„Ein solches Ticket ist auf Dauer nicht finanzierbar“, so Wissing. „Das würde den Bund 13 bis 14 Milliarden Euro kosten.“ Auch beim 40 Euro teureren Nachfolger wird ordentlich zugeschossen. Von 2023 bis 2025 stellt der Bund jeweils 1,5 Milliarden Euro bereit. So sollen Einnahmeausfälle der Verkehrsbetriebe zur Hälfte ausgeglichen werden. Die andere Hälfte soll von den Ländern kommen.

Nun müssen eben die Nutzer tiefer in die Tasche greifen. Ich habe das 9-Euro-Ticket letzten Sommer vor allem für Freizeitfahrten genutzt – ob sich das 49-Euro-Ticket für mich ebenfalls lohnt, muss ich ausrechnen. Wer jedoch sowieso Bus und Bahn zur Arbeit nimmt, wird auch mit dem Deutschlandticket sparen. Bis jetzt mussten Pendler monatlich teilweise dreistellige Beiträge zahlen. Ein Monatsticket im gesamten Münchner Nahverkehr kostet 83,90 Euro, in Berlin sind es je nach Tarifzone zwischen 91 bis 114 Euro. Und auch die monatlichen Spritkosten dürften läppische 49 Euro übersteigen.

Das 9-Euro-Ticket war nie als Dauerlösung geplant

Viele vergessen: Das 9-Euro-Ticket wurde nicht als Dauerlösung präsentiert, sondern sollte letzten Sommer die Belastung durch hohe Benzinpreise und fortschreitende Inflation abschwächen. Seitdem sind Kraftstoffpreise und Inflation leicht gesunken, liegen jedoch weiterhin auf hohem Niveau. Deshalb ist es gut und richtig, einen dauerhaften Ersatz zu bieten.

Während in Deutschland wegen des hohen Preises gemeckert wird, beneidet man uns im Ausland um das 49-Euro-Ticket. In Frankreich zum Beispiel. Da sei ein einheitlicher Fahrschein „unmöglich umzusetzen“, so die französische Wirtschaftswissenschaftlerin Patricia Perennes gegenüber dem größten französischen Fernsehsender TF1. Das Nahverkehrsangebot ist in Frankreich zu ausgefranst. „Region, Departement, Stadt… es ist schwierig, in Frankreich alle auf einen Nenner zu bringen.“ Und das, obwohl Frankreich zentralistisch von Paris aus regiert wird, die Departements – die französische Entsprechung der Bundesländer – also eine wesentlich geringere Rolle spielen.

Ein einheitliches Ticket kann Ordnung in den Tarifdschungel bringen

In Deutschland gibt es rund 75 verschiedene Verkehrsverbünde. Um herauszufinden, was beispielsweise ein Pendlerticket zwischen Köln und Düsseldorf früher gekostet hat, landet man bei einem Preisstufenmodell, das Preise für die Zonen 1a über 1b und 2a bis 7 herunterbricht. Welche Preisstufe nun für eine Fahrt zwischen beiden NRW-Metropolen gilt, ging daraus nicht hervor.

Jeder Verkehrsverbund hat sein eigenes, bereits in sich unnötig kompliziertes Modell. Deutschlandweit wird es völlig unübersichtlich. „Wenn es um die Vorteile der Einführung eines einheitlichen deutschlandweiten Tickets für den öffentlichen Nahverkehr geht, ist nichts überzeugender als die erste Fahrt in einem unbekannten, öffentlichen Nahverkehr mit einem falsch gelösten Ticket“, schreibt Ralf Gernhold in einem Post auf LinkedIn. Der Technische Leiter von DB Vertrieb ist im Dezember 2022 versehentlich schwarz gefahren, weil er in München ein Ticket für die falsche Zone gelöst hatte. Nun freue er sich auf den einheitlichen und in allen Tarifzonen aller Orte in Deutschland gültigen Fahrschein.

Deutschlandticket ist ein guter Anfang

Das 49-Euro-Ticket könnte jetzt also der Anlass sein, den Tarifdschungel in Deutschland ein wenig zu verkleinern und vielleicht sogar grundlegende Reformen im ÖPNV anzustoßen.

Dass das gepriesene “Deutschlandticket“ selbst ebenfalls noch ein paar Reformen benötigt, ist offenkundig. So müsste zum Beispiel der Preis für Geringverdiener angepasst werden und auch das Abo-Modell könnte man nochmal überarbeiten. Doch zunächst braucht es einen Anfang. Und diesen macht das bundesweit gültige Nahverkehrsticket allemal.



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