Schluss machen mit Freunden
Trennungen können schmerzhaft sein – nicht nur in Liebesbeziehungen. Doch manchmal müssen auch Freundschaften beendet werden. Warum und wie man mit diesem Schmerz umgehen kann? Eine offene Auseinandersetzung gibt Antworten.
Als wir zehn Jahre alt waren, schrieben wir uns gegenseitig in unser Freundschaftsbuch. „Beste Freundinnen für immer“, davon waren wir überzeugt. In den folgenden Jahren wuchsen wir zusammen auf. Unsere ersten Partys, der erste Herzschmerz oder das erste Knutschen mit irgendwelchen Typen, die wir anschließend wochenlang kichernd vorm Laptop auf SchülerVZ analysierten. Auch mit 20, 23 oder 26 Jahren hätte ich meine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass diese Freundschaft nichts zerstören kann. Bis sich plötzlich etwas änderte.
Ein Mann trat in dein Leben, deine erste richtige, ernste Beziehung. Du hattest keine Zeit mehr für unsere Freundschaft. Und irgendwie trieb uns das auseinander.
Konfrontation, zahlreiche Gespräche, Diskussionen, sogar Streit änderten nichts. Dein Interesse an dem Kerl verdrängte alles andere. Auch deine Anteilnahme an meinem Leben war passé. Alles, was wir zur Rettung unserer Freundschaft unternahmen, fühlte sich verkrampft an, die Leichtigkeit, die unsere Freundschaft fast 20 Jahre lang auszeichnete: vorbei von heute auf morgen.
Trotzdem schmerzhaft!?
Und ich fühlte: Schmerz. Ich kannte Liebeskummer, hatte mich schon häufiger von Männern getrennt – nach einem Jahr, zwei Jahren, oder nach kürzeren Liaisons. Du bekamst es ja mit. Ich trauerte, weinte, war wütend, durchlebte die verschiedenen Phasen von Trennungen. Unsere Freundschaft trug mich jedes Mal durch diese Zeiten, weil ich mich auf dich verlassen konnte. Und du dich auf mich. Und der Schmerz, den ich wegen dir jetzt fühlte, war ähnlich, aber doch anders. Es war, als läge sich ein Schleier über die Welt, als könnte ich meine Gefühle nur noch gedämpft und alles um mich herum nur verschwommen wahrnehmen.
In der Wissenschaft geht man davon aus, dass Trennungsschmerz in Freundschaften ähnlich intensiv oder in manchen Fällen sogar intensiver sein kann als Schmerz in Liebesbeziehungen. Zwar fehlt in Freundschaften meistens die Intimität und Romantik einer Liebesbeziehung, sodass Liebeskummer punktuell als schmerzhafter wahrgenommen wird. Jedoch kann eine zerbrochene langjährige Freundschaft auch langfristig, vielleicht sogar langfristiger schmerzen als eine kürzere Liebesbeziehung. „Unterschätzten Herzschmerz“ nennt die indisch-kanadische Dichterin Rupi Kaur den Zustand nach freundschaftlichen Trennungen.
Zahlreiche Studien belegen, dass Freundschaft gesund ist. Der Mensch als Beziehungstier brauche Freundschaften, um sein Bedürfnis nach Gemeinschaft zu befriedigen. In der Philosophiegeschichte findet sich das Ideal einer für immerwährenden Freundschaft – eine Beziehung auf Lebenszeit. Aber was, wenn in einer Freundschaft nach ausgeschöpften Rettungsversuchen die Luft raus ist und man sich einfach auseinandergelebt hat?
Loslassen, wenn es nicht anders geht
Meiner Meinung und vor allem Erfahrung nach ist es in Freundschaften wie in Liebesbeziehungen: Wenn man merkt, dass es nicht mehr läuft, und man vergeblich versucht hat, daran zu arbeiten, gibt es keinen Grund mehr, diese Beziehung aufrechtzuerhalten. Egal, wie viele Jahre oder Erinnerungen zwei Menschen verbinden, es zählt das Hier und Jetzt. Wenn man sich nicht mehr wohlfühlt, nicht mehr gesehen wird oder es in eine verletzende oder toxische Richtung geht, ist es besser, einen Schlussstrich zu ziehen. Dass es vielleicht in einigen Jahren anders sein könnte – mag sein, aber ist wie in einer Liebesbeziehung: kein Grund, jetzt, wo es sich nicht richtig anfühlt, weiterzumachen…
Und wenn man sich nur noch ausgelaugt fühlt, weil man seine Energie vergeblich in eine einzige Freundschaft investiert, ist es vermutlich die bessere Lösung, die Energie einer anderen Freundschaft zu widmen.
In einem Beitrag des Content-Netzwerks Funk auf Instagram ging es auf dem Kanal „Mädelsabende“ kürzlich um das Schlussmachen in Freundschaften. Wie geht man vor?
Funk zufolge sind diese Schritte wichtig:
- Die richtige Art des Schlussmachens finden (Face to face-Gespräch? Ein Brief? Ein Telefonat?)
- Gewaltfreie Kommunikation (In Ich-Botschaften sprechen. Zum Beispiel „Ich brauche jemanden, auf den ich mich verlassen kann“, anstatt „Du nimmst immer nur, bist aber nie für mich da“.)
- Die eigene Trauer zulassen.
Der Schmerz, der daraufhin folgt, ist, egal wie intensiv, vollkommen normal. Freunden gegenüber fühlt man ja in gewisser Weise auch Liebe – nur halt anders. „Die Übergänge von Partnerschaft zu Freundschaft sind mehr oder weniger fließend“, sagt auch Psychologin Ulrike Scheuermann in einem Artikel im Stern zu diesem Thema.
Auch nach einer Freundschaftstrennung sollte deshalb die oberste Priorität sein, sich um sich selbst zu kümmern, fürsorglich zu sich selbst sein und darauf zu hören, was man braucht, um zu heilen. Wenn man auf längere Sicht nicht mit dem Freundschaftsende klarkommt, ist es auch in diesem Fall völlig in Ordnung, sich Hilfe zu suchen – wenn es einem schlecht geht, ist man in einer Therapie niemals falsch.
Kommunikation als erster Schritt
Die Beendigung einer Freundschaft ist jedoch nicht zwangsläufig und in allen Fällen die optimale Lösung; Unzufriedenheit in einer Freundschaft kommt vor. Dann ist Kommunikation das A und O: Wer fühlt sich gerade warum schlecht? Wie sieht die andere Seite das? Wie könnten Kompromisse aussehen? Und wird es durch verschiedene Lösungsansätze besser? All diesen Fragen kann man sich in einem ruhigen Gespräch ohne Vorwürfe stellen.
Dir und mir hat das aktuell noch nicht geholfen. Noch immer schwimmen wir in der Zwischenphase des Sich-Fragens, ob es mit dieser Freundschaft nun zu Ende ist oder ob wir schlicht Zeit zum Verarbeiten brauchen. Oder für Vergebung. Aber ist diese Vergebung überhaupt möglich? Ich frage mich auch: Habe ich vielleicht mein Leben lang Freundschaften mehr romantisiert, als gesund ist? So, wie die Gesellschaft eben oft Liebesbeziehungen romantisiert und in den Fokus rückt? Auch dies will ich nicht ganz ausschließen…
Bei all diesen Fragen ist Zeit ein wichtiger Faktor. Sich so viel Zeit zu nehmen, wie man eben braucht. Manchmal heilt Zeit die Wunden, manchmal nicht. Und dann gilt: Ob das Ende einer Liebe oder der Lebensfreundin: Es bedeutet nicht das Ende der Welt.
Uff.. trauriges, und doch wichtiges Thema. Hoffe, das mit der Freundin geht nochmal gut. 🥲 Aber wirklich interessant, wie selten man darüber in der Öffentlichkeit spricht – wobei Trennungen (Liebe) andauernd thematisiert werden. X.X
Zeit nehmen ist ein guter Stichpunkt spätestens nach dem Studium ist da die Frage oft woher – Arbeit, Beziehung, Familie, Hobby, Freunde – bei 40 Stundenwochen leiden da leider oft die Freundschaften. Spannender Artikel!
Ich finde mich zu 100 Prozent in dem Artikel wieder. Die Probleme und Herausforderungen im Alltag nicht nur in sich reinfressen, sondern auch teilen oder seine Laune und Situation mit Freunden kommunizieren. Kommunikation und Zeit nehmen ist das A und O.
Schöner Artikel, ich habe eine ähnliche Situation erst kürzlich gehabt und die ist genau so abgelaufen, wie sie es nicht sollte, also quasi in einem Streit wo beide Seiten nicht im guten auseinander gegangen sind. Es ist schade und mit Sicherheit haben beide Seiten Schuld, aber ich fokussiere mich jetzt definitiv auf mich selbst und schaue, dass ich jetzt das beste aus der Situation für mich persönlich mache.
Schöner Artikel über ein wichtiges Thema.
Nehmt euch immer Zeit für eure wichtigen Menschen und vergesst dabei den wichtigsten – euch selbst – nicht.