Starke Frauen für eine starke Welt – 20 Jahre UN-Frauenkonferenz Peking
Frauen auf der ganzen Welt verbindet eine Gemeinsamkeit. Eine, die ihnen das Leben erschwert. Ein Rückblick auf die Tagung am 9. November 2015 in Erfurt
Diese Dokumentation hält die Ereignisse, Forderungen und Ergebnisse der Fachtagung in Erfurt fest, die sich mit den Entwicklungen in den letzten zwanzig Jahren seit der UN-Frauenkonferenz in Peking, mit Fokus auf Gewalt gegen Frauen und Frauen und Wissenschaft, auseinander setzte.
„Zu viele Frauen in zu vielen Ländern sprechen dieselbe Sprache. Die des Schweigens.“
Diese Worte aus dem Gedicht eines indischen Mädchens zitierte Hillary Clinton, die damalige First Lady der USA in ihrer Rede auf der vierten und bisher letzten Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen 1995 in Peking. An diese historisch bedeutende Konferenz als einen Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern erinnerte die Fachtagung „Starke Frauen für eine starke Welt – 20 Jahre UN-Frauenkonferenz Peking“ des Landesbüros Thüringen der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kooperation mit UN Women – Nationales Komitee Deutschland und der Landesarbeitsgemeinschaft der Thüringer Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt am 9. November 2015 in Erfurt.
Die Forderungen, die damals aufgestellt und in der sogenannten Aktionsplattform zusammengetragen wurden, sind bis heute aktuell. Dazu zählt, die Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen der Gesellschaft zu fördern, die Rechte der Frauen zu schützen, die Armut von Frauen zu bekämpfen, Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung zu verfolgen, und geschlechtsspezifische Unterschiede in der Gesundheitsversorgung und im Bildungssystem abzubauen. Dass sich die Delegationen aus 189 Staaten im Konsensverfahren auf die Ziele der Pekinger Erklärung und ihrer Aktionsplattformen geeinigt haben, darauf wies Eva Nagler, Referentin des Landesbüros Thüringen der Friedrich-Ebert-Stiftung in ihrer Eröffnungsrede hin. Auch die deutsche Bundesregierung hat die Erklärung unterschrieben und sich damit verpflichtetet, nicht nur in Deutschland, sondern auch international für die Rechte von Frauen einzutreten.
Zwar sei schon viel erreicht worden, jedoch habe bisher kein Land der Welt die völlige Gleichberechtigung verwirklicht, obwohl 143 Länder die Gleichstellung von Mann und Frau in ihren Verfassungen garantieren. So orientierte sich die Tagung vor allem an dem Ziel, in die Zukunft zu blicken und zu überlegen, wo Entwicklungspotentiale und bisher ungenutzte Räume verborgen sind. In einer abwechslungsreichen Mischung aus Erfahrungsberichten, Impuls-Vorträgen, Panel-Diskussionen, Video-Beiträgen und ausreichend Möglichkeiten zum individuellen Gedankenaustausch lieferte die Tagung nicht nur umfassende Informationen zur Wirkung der UN-Frauenkonferenz in Peking, sondern brachte spannende und produktive Fragestellungen und Diskussionen für den heutigen Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter hervor.
„Wer Frauen stärkt, stärkt die Welt.“
Unter diesem Motto stellte Bettina Metz-Rolshausen, Geschäftsführerin des Nationalen Kommitees Deutschland von UN Women die Kampagne „Peking + 20“ vor, um im Jahr 2015 sowohl die Pekinger Erklärung wieder verstärkt im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern, als auch Bilanz des bisher Erreichten zu ziehen und neue Anforderungen klar zu benennen. Zwar seien Fortschritte erkennbar, so konnte beispielsweise der Anteil von Frauen in den Parlamenten in den letzten zwanzig Jahren von elf Prozent auf 22 Prozent verdoppelt werden. „Aber 22 Prozent sind noch weit entfernt von dem, was wir uns erträumt haben“, räumte Metz-Rolshausen ein. Noch immer hätten Frauen weltweit mit Gewalt, Armut und tief verwurzelten Stereotypen zu kämpfen. Auch seien neue Handlungsfelder zusätzlich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten, wie z.B. die unbezahlte Pflege- und Familienarbeit, die viele Frauen leisten.
„Die Konferenz hat vielen Frauen in der Welt einen Impuls gegeben, sodass überall die Frauenbewegung erstarkte.“ (Brigitte Triems)
Einen authentischen Eindruck von der Stimmung und den Impulsen, die von Peking ausgingen, vermittelte Brigitte Triems, Vorsitzende des Demokratischen Frauenbunds und selbst Teilnehmerin an der Weltfrauenkonferenz 1995. Sie verwies auf die lange Vorgeschichte, die zur Pekinger Weltfrauenkonferenz geführt hatte. Erst 1975 riefen die Vereinten Nationen auf Druck von NGOs das internationale Jahr der Frau aus, in welchem auch die erste Weltfrauenkonferenz in Mexiko stattfand. Die darauffolgende Dekade der Frau, die 1976 begann, schuf, so Triems, erstmals „ein weltweites Bewusstsein dafür, dass es Probleme gibt, die mit der Ungleichbehandlung von Frauen und Männern zusammenhängen.“
Ein wegweisendes Ereignis stellte außerdem die Verabschiedung der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau im Jahre 1979 dar. Bis es zur Pekinger Aktionsplattform kam, bedurfte es jedoch noch zwei weiterer Weltfrauenkonferenzen – 1980 in Kopenhagen und 1985 in Nairobi – sowie zahlreicher Vorbereitungskonferenzen auf allen Kontinenten. Das Signal, das in Peking von den ca. 50.000 Teilnehmerinnen und offiziell 5.000 Delegierten aus 189 Ländern ausging, war enorm: Das Abschlussdokument wurde einstimmig angenommen. „Einen solchen Konsens hat es in den Folgejahren bei den Sitzungen der UN-Frauenrechtskommission nie mehr gegeben, weil religiös fundamentalistische Strömungen an Stärke gewonnen haben“, verdeutlichte Triems.
Aber auch inhaltlich enthielt das Dokument zahlreiche Forderungen, die bahnbrechend für die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit waren. Erstmals wurde in einem UN-Dokument das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung der Frau verankert oder der gleiche Zugang zum Erbrecht für Mädchen und Jungen gefordert. Triems schilderte, dass durch Peking eine enorme Bewegung in der gleichstellungspolitischen Debatte auch in Deutschland entfacht wurde, die Druck auf die Politik ausübte.
Resümierend unterstrich Triems den territorial- und ideologieübergreifenden Austausch auf der Pekinger Weltfrauenkonferenz und im Forum der Nichtregierungsorganisationen (NGO). „Diese haben gezeigt, welche Kraft die Frauen haben. Ich würde mir wünschen, dass wir diese Kraft heute auch wieder spüren und in Aktionen einsetzen“, appellierte sie in Erfurt an die Teilnehmer_innen der Tagung. Berichterstattung und Medienöffentlichkeit seien wesentliche Instrumente, Druck auszuüben. Sie forderte messbare Indikatoren für die Umsetzung der Nacaltigen Entwicklungsziele (SDG) der Vereinten Nationen, von denen viele einen gleichstellungspolitischen Anspruch implizieren, insbesondere aber für das explizite Gleichstellungsziel Nr. 5.
„Wir müssen realistischer Weise anerkennen, dass wir hier gegen Probleme kämpfen, die seit Tausenden von Jahren bestehen, und die wir nicht in zwei Jahrzehnten beseitigen werden. Ohne politischen Willen der Regierenden, umfassende rechtliche Regelungen und die Bereitstellung finanzieller Mittel für die Umsetzung der in der Pekinger Aktionsplattform beschlossenen Maßnahmen sowie die Umsetzung der Nacaltigen Entwicklungsziele wird der Kampf um die Gleichstellung von Männern und Frauen weiterhin ein Ritt auf der Schnecke bleiben.“
Die Pekinger Aktionsplattform beinhaltete zwölf Bereiche, in denen es Verbesserungen bedarf, um die Emanzipation der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen. Hierzu zählten neben der Rolle von Frauen in der Wirtschaft, in den Medien und der Bildung sowie in Macht- und Entscheidungsverfahren, auch Aspekte wie der spezifische Einfluss von Gewalt, Armut und bewaffneten Konflikten auf Frauen. Die Tagung fokussierte sich auf zwei dieser Aspekte und richtete zu jedem ein eigenes Panel mit Impulsvorträgen und anschließender Podiumsdiskussion aus.
Das erste Panel widmete sich dem Thema „Gewalt gegen Frauen“ und griff sowohl die Problembereiche des Frauen- und Menschenhandels als auch der häuslichen und sexualisierten Gewalt auf.
Das zweite Panel mit dem Titel „Frauen und Wissenschaft“ beschäftigte sich mit der ungleiche Repräsentation von Frauen und Männern in Spitzenfunktionen in der Wissenschaft, in Professuren und Universitätsleitungen und nahm hierbei speziell die Situation von Post-Docs in den Blick.
Diesen beiden Panelthemen sollte besondere Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit verschafft werden, nicht nur weil sie wesentliche Hürden auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter darstellen, sondern ebenfalls als zwei Beispiele dafür, dass auch in Deutschland und Thüringen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern noch längst nicht erreicht ist. In den Panels kamen Vertreter_innen sowohl der europäischen, der deutschen als auch der Thüringer Perspektive zu Wort. Sie informierten über ihre Arbeit, tauschten Erfahrungen aus und entwickelten im gemeinsamen Gespräch Forderungen, welche Potentiale noch stärker ausgenutzt werden müssen und an welchen Stellen Handlungsbedarf besteht.
„Die EU befindet sich erst auf dem halben Weg zur Erreichung der Gleichstellung von Frauen und Männern.“ (Serap Altınışık)
Die Debatte um Gewalt gegen Frauen erlangte 2014 mit der Veröffentlichung einer Studie im Auftrag der Europäischen Union eine neue Brisanz, da diese zu dem Ergebnis kam, dass jede dritte Frau in der EU mindestens ein Mal in ihrem Leben von sexueller und/oder häuslicher Gewalt betroffen ist. Zu diesem Thema kamen im ersten Panel jeweils mit einem kurzen Impulsreferat Serap Altınışık, Programmdirektorin der European Women’s Lobby, die einen Blick auf den europäischen Handlungsspielraum und dessen Grenzen warf, Naile Tanış, Geschäftsführerin des Bundesweiten Koordinierungskreises gegen Menschenhandel e.V., welche sich für die Rechte von Opfern des Menschenhandels stark machte, sowie Kathrin Nordhaus, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt Thüringen, die auf Probleme und dringenden Handlungsbedarf auf der Thüringer Ebene hinwies, zu Wort.
Serap Altınışık verwies in ihrem Impuls-Vortrag auf die zahlreichen rechtlichen Regelungen auf EU-Ebene, die dem Ziel der Gleichstellung dienen, an deren Umsetzung es jedoch hapere. Eine besondere Bedeutung kommt dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der sogenannten Istanbul-Konvention, zu, welche 2011 ausgearbeitet, bisher jedoch nur von 18 europäischen Staaten ratifiziert wurde. Auch in Deutschland steht dieser Schritt noch aus. Die Ratifikation der Istanbul-Konvention von allen europäischen Staaten würde auch auf europäischer Ebene den Handlungsdruck beträchtlich steigern. Auch kritisierte sie, dass trotz Auslaufen der EU-Gleichstellungsstrategie Ende 2015 noch keine Fortschreibung der Ziele für die Periode 2016-2020 absehbar sei. Hier bestehe dringender Handlungsbedarf. „Die EU befindet sich erst auf dem halben Weg zur Erreichung der Gleichstellung von Frauen und Männern“, attestierte Altınışık. „Und auf diesem Weg gibt es vor allem zwei Hindernisse, nämlich Macht und Zeit. Von beidem haben Männer mehr.“
Naile Tanış verwies darauf, dass ein elementarer Bestandteil der Pekinger Aktionsplattform das Ziel war, Frauenhandel zu beseitigen und Frauen, die auf Grund von Menschenhandel Opfer von Gewalt geworden sind, zu unterstützen. Neben der Verschärfung bestehender Rechtsvorschriften wie der stärkeren straf- und zivilrechtlichen Verfolgung der Täter_innen, sei es aber besonders wichtig, die Rechte von Frauen und Mädchen zu stärken: „Natürlich ist es notwendig, die Täter_innen zu bestrafen, aber ich sehe es tatsächlich als wesentliche Entwicklung der letzten Jahre, dass wir endlich einen Paradigmenwechsel einfordern – weg von dem alleinigen Fokus der Strafverfolgung hin zur Anerkennung der Rechte der Betroffenen von Menschenhandel.“ Eine besondere Aufgabe komme auch NGOs und Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel zu, da diese sowohl Aufklärungs- als auch Präventionsarbeit in Herkunfts- und Zielländern leisten, Kampagnen durchführen, sich vernetzen, in Schulen sensibilisieren und Schulungen für Polizei und weitere Behörden durchführen. Da es in Thüringen noch keine solche spezialisierte Fachberatungsstelle gebe, empfahl Tanış der Landesregierung dringend, sich diese als Ziel auf die Agenda zu schreiben.
Die Vertreterin der Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt Thüringen, Kathrin Nordhaus, brachte die Thüringer Perspektive ein. Nach einem Rückblick, was sich im Freistaat seit der Pekinger Aktionsplattform geändert hat und einer Analyse der aktuellen Situation blickte sie in die Zukunft und formulierte Anforderungen an ein flächendeckendes Netz an Beratungsstellen und Frauenhäusern in Thüringen. Insbesondere bedürfe es einer landesweiten Koordinierung der Einrichtungen sowie spezieller Beratungsangebote für von Gewalt betroffene Migrantinnen, mehr behindertengerechte Frauenhäuser, sowie eine Strategie zur pro-aktiven Beratung von Kindern und Jugendlichen, die häusliche Gewalt miterleben. Die Interventionsstellen hatten vor dem Veranstaltungssaal ihre Aktion „Mut schöpfen“ ausgestellt, bei der stellvertretend für alle Betroffenen von häuslicher Gewalt im letzten Jahr in Thüringen, die den Mut hatten, eine Beratungsstelle aufzusuchen, ein Gefäß aufgebaut wurde.
„Was muss noch passieren, damit endlich etwas passiert?“ (Andrea Wagner)
Da sich die drei Expertinnen in der Analyse der unzureichenden Unterstützungs- und Schutzangebote für von Gewalt betroffene Frauen einig waren, stand in der anschließenden Diskussion, moderiert von Andrea Wagner, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Weimar, insbesondere die Frage nach der stärkeren Sichtbarmachung des Problems und der Einflussnahme gegenüber der Politik im Mittelpunkt.
Die bemerkenswerte Diskussionsatmosphäre auf der Tagung war von großer Fachexpertise geprägt. Neben kommunalen Gleichstellungsbeauftragen und politischen Aktivist_innen waren viele Beschäftigte im Feld der Frauenschutzarbeit anwesend und brachten ihre Erfahrungen und Forderungen in die Debatte ein. Dabei kristallisierten sich insbesondere drei Problem- bzw. Handlungsfelder heraus.
Kooperation stärken – Aufmerksamkeit schaffen
„Menschenhandel ist als Problem in der Öffentlichkeit angekommen, aber es fehlt vor allem auf politischer Ebene an Verknüpfung, an einer Strategie der Vernetzung, an Kooperation, kurz: an einer Stelle, die die politischen Strategien, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten im Blick hat und koordiniert,“ konstatierte Naile Tanış und rückte damit einen Hauptproblempunkt in den Fokus der Diskussion: das Bedürfnis nach stärkerer Zusammenarbeit. Diese Problemanalyse teilte auch Kathrin Nordhaus für die Thüringer Perspektive. Sie unterstric dass die Vernetzung der einzelnen Akteur_innen gerade mit Blick auf die verschiedenen Bedarfe unterschiedlicher Frauen wichtig sei. Sie beklagte: „Viele Frauen sind dabei von Mehrfachdiskriminierung betroffen. Die einzelnen Fachbereiche treffen aber leider nur punktuell aufeinander.“
Eine funktionierende Kooperation sei aber auch wichtig, um Aufmerksamkeitsressourcen zu bündeln und mit einer starken Stimme in der Öffentlichkeit sprechen zu können. Kathrin Nordhaus brachte die Problematik auf den Punkt, indem sie beschrieb, wie jede Struktur nur für ihren beschränkten Aktionsradios versucht Aufmerksamkeit zu generieren, statt auf die enorme Dimension der Problematik hinzuweisen: „In jeder vierten Familie gibt es Fälle von häuslicher Gewalt. Und da folgt kein Aufschrei? Wie kann das sein?“ Es dürfe nicht passieren, da waren sich Expertinnen und Teilnehmer_innen einig, dass Aktivist_innen gegeneinander arbeiten. Vielmehr müsse man zusammenhalten und mit innovativen Kampagnen noch weitere Akteur_innen dazu gewinnen, die man bisher nicht erreichen konnte.
Verbindlichkeit schaffen – Rechenschaft einfordern
„Konsultationen? Haben wir jahrelang gemacht. Aber passiert ist wenig“, umriss Serap Altınışık den zweiten Problemkomplex „Es mangelt nicht an Vorschlägen, Maßnahmen und Strategien. Aber es fehlt an Verbindlichkeit und Rechenschaft.“ Dass gerade von Seiten der Politik immer wieder in gut gemeinten Reden die Wichtigkeit gleichstellungspolitischer Arbeit im Allgemeinen und der Frauenschutzarbeit im Besonderen hervorgehoben, aber nur wenig konkret umgesetzt werde, darin waren sich die Diskutant_innen schnell einig.
Insbesondere aus dem Publikum wurden daher Forderungen nach Sanktionen laut, wie z.B. Brigitte Triems deutlich machte: „Es funktioniert nur mit Sanktionen. Dokumente sind nicht verbindlic Auch das Allgemeine Gleichstellungsgesetz kam nur zustande, weil die EU Deutschland mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht hat.“ Auch aus dem Podium wurde dieser Position Nachdruck verliehen. „Die Zeit, um zu handeln, ist jetzt. Wir müssen schneller und verbindlicher agieren, um Frauenrechte zu stärken“, appellierte Altınışık besonders an die Teilnehmer_innen aus Politik und Entscheidungspositionen.
Macht sichtbar machen – mehr Geld einfordern
„Es gibt Frauen und Männer auf dieser Welt, aber ein Teil davon wird immer vernachlässigt!“ Dieser Aussage von Kathrin Nordhaus schlossen sich die Diskutant_innen nicht nur in Bezug auf das attestierte Aufmerksamkeitsdefizit weiblicher Belange an, sondern auch mit Blick auf die eingeschränkten finanziellen Mittel in der Frauenschutzarbeit. Gerade in Zeiten des Dogmas der Austeritäts- und Sparpolitik gerät diese zunehmend unter Druck.
So verwies Serap Altınışık darauf, dass bei finanziellen Kürzungen Leistungen speziell für Frauen häufig die ersten seien, die gekürzt werden. Das deutliche Signal, das von der Tagung ausging: Mit diesem Umstand wollen und werden sich die Teilnehmer_innen nicht weiter abfinden. „Wir sind immer sehr verständnisvoll, wenn es um Sparzwänge geht“, stellte Kathrin Nordhaus fest, „aber wir müssen unser Ziel deutlicher benennen und mehr daran festhalten, um es zu erreichen.“ Dieser Forderung stimmte auch Naile Tanış zu: „Finanzierungsfragen werden immer abgewatscht. Aber das ist doch das A und O! Wie sollen wir denn sonst arbeiten? Von Gewalt betroffene Frauen haben Anspruch auf Schutz und Unterbringung. Das ist auch rechtlich verankert. Ich kann nicht verstehen, wieso nicht klar ist, dass da was getan werden muss.“
Bescheidenheit, ein hohes Maß an ehrenamtlichem Engagement und der Wille zur Verbesserung der Situation der betroffenen Frauen auch bei unzureichenden Ressourcen präge die gleichstellungspolitische Arbeit maßgeblic Die benötigten Mittel, da waren sich die Expertinnen einig, seien aber vorhanden, wie Serap Altınışık verbildlichte: „Das jährliche Budget der weltweiten Waffenproduktion würde ausreichen, um 45 Jahre lang die Arbeit der Vereinten Nationen zu finanzieren.“ In der Diskussion entstand eine rege Suche nach Überzeugungsstrategien für eine Erhöhung der finanziellen Mittel für die Frauenschutzarbeit, damit die guten Vorschläge, die bereits existieren, auch umgesetzt werden können.
Wo der Fehler liegt, attestierte dabei Altınışık: „Wer sitzt denn hauptsächlich an den Entscheidungstischen? Männer! Und wer ist hauptsächlich von Gewalt betroffen? Frauen! Wir müssen dafür sorgen, dass wir mit am Tisch sitzen, wenn über unsere Probleme verhandelt wird. Nur so können wir dafür sorgen, eine friedvolle Welt zu erreichen.“ Aus dem Publikum meldete sich Dr. Agnes Allroggen-Bedel, stellvertretende Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, zu Wort, die diese Einschätzung veranschaulichte: „Wir in Rheinland-Pfalz haben nun seit kurzem eine Ministerpräsidentin, die aus der Frauenbewegung kommt und vorher in der Mädchenarbeit gearbeitet hat. Das Geld ist dadurch nicht sofort mehr geworden, aber es ist eine ganz andere Offenheit der Thematik gegenüber zu spüren.“
Eine Idee, woher zusätzliche Finanzen für die Frauenschutzarbeit bezogen werden könnten, wurde ursprünglich von Andrea Wagner eingebracht, entwickelte sich in der Diskussion weiter und wurde während der Tagung mehrfach aufgegriffen: Für das fehlende oder verspätete Umsetzen internationaler oder europäischer Übereinkommen könnten seitens der EU Sanktionen erhoben werden, die zweckgebunden für die Arbeit von NGOs, Beratungsstellen und Frauenhäuser zur Verfügung zu stellen sind.
Müsste man die Diskussion um die ungleiche Verteilung von finanziellen Mitteln in einer Kurznachricht zusammenfassen, dann lautet der Tweet hierzu, den Serap Altınışık vorschlug: „Die Gleichstellung von Frauen und Männern vergrößert den Kuchen für alle.“ Dieser könnte dann unter den Hashtags #zusammen und #trauteuchzusanktionieren von Frauenrechtsaktivist*innen genutzt werden, um der Thematik mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, wie die Diskutantinnen vorschlugen.
„Gleichstellung hat mir anfangs weniger Kopfzerbrechen bereitet als so mancher mathematische Beweis. Doch irgendwann verändert sich der Blick.“ (Prof. Dr. Dorothee Haroske)
„Auf den ersten Blick sieht es vor allem in Deutschland bei der Gleichberechtigung im Bereich der Bildung gut aus“, konstatierte Eva Nagler in Bezug auf das Thema des zweiten Panels „Frauen und Wissenschaft“. Insgesamt erreichen mehr Frauen als Männer das Abitur und auch mehr von ihnen studieren. Auch fast die Hälfte aller Promotionen wird von Frauen abgelegt. Trotzdem sind in Deutschland nur 22 Prozent aller Professor_innen weiblic in Thüringen nur ca. siebzehn Prozent. Das Panel beschäftigte sich mit der Frage, worin der geringe Anteil von Frauen in der Wissenschaft begründet liegt und welche offenen sowie welche versteckten Strukturen ungleiche Chancen auf eine wissenschaftliche Karriere bedingen.
Prof. Dr. Dorothee Haroske, Mathematikprofessorin und Gleichstellungsbeauftragte der Fridrich-Schiller-Universität Jena, stellte in ihrem Impulsvortrag die gleichstellungspolitischen Ziele und Maßnahmen der FSU vor. Vor allem forderte sie mehr Engagement von Hochschulleitungen und –gremien ein. Es könne nicht sein, dass ein so umfassendes Ziel wie das der Gleichstellung immer nur als Angelegenheit der Gleichstellungsbeauftragten angesehen werde. Auch stört sich Haroske daran, dass gleichstellungspolitischen Maßnahmen häufig zu wenig Zeit und Unterstützung gewährt wird: „Dann heißt es ganz schnell: ‚Wir haben das jetzt schon so lange gemacht, irgendwann muss auch mal gut sein.‘ Als Naturwissenschaftlerin glaube ich aber, dass es nicht nur auf die Anzahl der Durchführungen eines Experiments ankommt, sondern auf das Ergebnis. Wenn es nicht klappt, muss man etwas am Versuchsaufbau ändern.“
Markus Hoppe, Staatsekretär für Wissenschaft und Hochschule im Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, machte sich in seinem Eingangsreferat insbesondere für eine gendersensible Berufungspolitik stark und berichtete von positiven Beispielen aus seiner Zeit an der Georg-August-Universität Göttingen, wo er bis 2014 als Vizepräsident tätig war. Er verwies aber auch darauf, dass beim hauptberuflichen wissenschaftlichen Personal jenseits von Professor_innen, ein Ungleichgewicht zu Ungunsten von Frauen bestehe: „Es geht nicht nur um Professorinnen, auch wenn diese die Sichtbarkeit von Frauen in der Wissenschaft erhöhen, sondern auch darum, wer die Lehre prägt.“
Einen Blick über den deutschen Tellerrand hinaus warf Dr. Sabine Lorenz-Schmidt, promovierte Historikerin, die über ihr Forschungsprojekt zur Situation von Post-Docs mit Fokus auf geschlechterspezifische Problematiken an der Universität Lund in Schweden berichtete. Zwar gelte Schweden immer als Vorbild in puncto Geschlechtergerechtigkeit und auch in der Realität lassen sich Strukturen finden, die es Frauen leichter machen, in der Wissenschaft Fuß zu fassen, wie z.B. auf vier bis sechs Jahre befristete Verträge für Post-Docs. Jedoch gelte auch in Schweden: Je höher es auf der Hierarchieleiter geht, desto geringer ist der Frauenanteil.
Dr. Nicola Oswald, Post-Doc an der Universität Wuppertal im Fachbereich Mathematik und Informatik, zeigte sich zu Beginn ihres Input-Referats überrascht: „Ich war noch nie ein personifiziertes Fallbeispiel!“ Sie zeichnete den Zuhörer_innen ihren akademischen Werdegang sowie die mit ihrer aktuellen Situation als Post-Doc verbundenen universitären und privaten Problemlagen nac Ausgehend von persönlich erlebten Formen offener und subtiler Diskriminierung als Frau in der (Natur-)Wissenschaft unterschied sie zwischen „harten“, strukturellen und „weichen“, subtilen Unterschieden hinsichtlich der Bedingungen, mit denen sich Frauen und Männer in der „Cooling-Out“-Phase nach der Promotion konfrontiert sehen. An beidem müsse gearbeitet werden, um das „akademische Frauensterben“ zu beenden.
„Sobald es mit den Ressourcen und Stellen knapp wird, sehen viele zuerst die Bedrohung als die Chance.“ (Prof. Dr. Dorothee Haroske)
In der anschließenden Diskussion mit Expert_innen und Publikum, moderiert vom freien Journalisten Dr. Sebastian Haak, stellte sich zügig der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit heraus, wie auch Markus Hoppe mit den Worten zusammenfasste: „Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Welche Hürden der tatsächlichen Umsetzung im Wege stehen, wurde während der Diskussion analysiert.
Das Netzwerk der weißen Männer und ihr Machtanspruch
Wenn man nach Gründen für den geringen Frauenanteil in Spitzenpositionen sucht, spielen informelle Netzwerke und Seilschaften zwischen Männern, an denen Frauen nicht teilhaben können, eine dominante Rolle. „Es scheint sie zu geben, sie sind inoffiziell und wirken subtil. Aber ich spüre sie im Alltag, ich wäre nur sehr vorsichtig, sie als solche zu benennen“, äußerte Dr. Nicola Oswald zurückhaltend und veranschaulichte dies an eigenen Beobachtungen von männlichen Kommilitonen, die wesentlich schneller als Redner eingeladen würden.
Aber auch Prof. Dr. Dorothee Haroske unterstütze Oswalds Wahrnehmung: „Weiße Männer fördern weiße Männer! Und wenn man als Frau versucht, es ähnlic wenn auch transparenter zu machen und einen Professorinnenstammtisch ins Leben ruft, dann ist das den Männern auf einmal unheimlic Ich habe nicht selten erlebt, dass junge Kolleginnen mir erzählt haben, auf Tagungen hätten alle Männer von den Absprachen des letzten Abends gesprochen, ohne auch nur zu merken, dass dazu die weiblichen Teilnehmerinnen gar nicht eingeladen waren.“ Dass dieses Phänomen auch außerhalb Deutschlands existiert, konnte Dr. Sabine Lorenz-Schmidt bestätigen, die auf die enorme Wirkung subtiler Ausschlussmechanismen hinwies: „Das Gefühl, nicht gehört und nicht gesehen zu werden, kann universitäre Karrieren von Frauen beenden.“
Warum viele männliche Kollegen an den Universitäten nicht als Verbündete fungieren, stieß bei den Diskutant_innen auf Unverständnis. „Da gibt es wirklich irreale Bedrohungsszenarien. Manche Männer haben das Gefühl, alle Stellen und alle Fördermittel gingen an Frauen, obwohl die Fakten das Gegenteil beweisen. Dabei sind sie Wissenschaftler und müssten sich eigentlich von Daten überzeugen lassen“, zeigte sich Haroske irritiert. Frauenförderprogramme stießen bei vielen Wissenschaftlern auf Abwehrreaktionen, weil sie hierin eine ungerechtfertigte Bevorteilung vermuteten. Lorenz-Schmidt wies dabei auf die Schwierigkeit hin, sie vom Gegenteil zu überzeugen: „Das Privileg der Privilegierten ist, dass sie ihr Privileg nicht als solches erkennen können.“ Das Schlagwort der „Männersolidarität“ fiel mehr als einmal während der Diskussion, was Bettina Metz-Rolshausen aus dem Publikum zu einer Richtigstellung veranlasste: „Das, worüber wir hier reden, ist keine Männersolidarität. Es ist das mangelnde Vorstellungsvermögen, dass jemand, der nicht so ist wie sie, die Position genauso gut ausfüllen kann.“
In der Zwickmühle der eigenen Lebensphase
Alle Expert_innen auf dem Podium konnten entweder aus ihrer Forschung, ihrer eigenen Erfahrung oder ihrem beruflichen Alltag bestätigen, dass gesellschaftliche Erwartungen, die an Frauen zwischen 30 und 35 herangetragen werden, auch an den Universitätstoren nicht Halt machen. Die Fragen, ob man Kinder wolle und wenn ja, wie man diese mit der wissenschaftlichen Tätigkeit vereinbaren könne, ob der Partner bereit ist, den eigenen Lebensmittelpunkt aufzugeben, um die wissenschaftliche Karriere der Partnerin zu unterstützen, und ob man sich eine Auszeit zugunsten der Familienplanung erlauben könne, spielen immer eine Rolle. „Wie will man all diese Anforderungen, die auf einen einwirken, unter einen Hut bringen?“, brachte es Oswald auf den Punkt.
Dass es eines gesamtgesellschaftlichen Umdenkens in puncto Aufteilung der Reproduktionsarbeit und der Akzeptanz von Unterbrechungen in der Erwerbsbiographie braucht, um auch an den Universitäten die Arbeitskultur zu ändern, war bei den Beteiligten Konsens. Aber auch kleine Schritte, wie eine Abkehr der extrem kurzzeitig befristeten Arbeitsverhältnisse z.B. für Post-Docs wären bereits ein enormer Fortschritt. „Wenn man aber wirklich was verändern will, dann muss man etwas gegen den Anspruch von lebenslanger, ununterbrochener Vollzeitarbeit tun“, unterstrich Lorenz-Schmidt.
Strukturen und Förderkriterien gerechter gestalten
Dass Kriterien z.B. für die Berufung neuer Professor_innen häufig männliche Bewerber bevorteile und so Frauen auf den hinteren Plätzen landeten, schätzte auch Markus Hoppe ein. „Man kann die Liste aber auch umdrehen“, war er sich sicher, z.B. indem man bei Drittmittelprojekten differenziert, ob diese aus einer Einzelleistung oder Verbundprojekten stammen oder indem man genauer analysiert, über welchem Zeitraum die angegebenen Publikationen entstanden sind, da hier Frauen mit Kindern gegenüber ihren männlichen Konkurrenten häufig Nachteile haben.
Auch in dieser Diskussion wurde die Forderung nach Sanktionen laut. So wurde der Vorschlag vorgetragen, DFG-Großanträge nur noch dann entgegenzunehmen, wenn mindestens eine Frau beteiligt ist. Auch die Quotenregelungen und die Forderung nach obligatorischen Workshops für alle Lehrenden zur Sensibilisierung für Geschlechterstereotype und Diskriminierung fanden Unterstützung. Die vorgeschlagenen Maßnahmen wurden dabei auch aus dem Publikum heraus begrüßt, obwohl sie nur ein erster Schritt sein könnten. Ilona Helena Eisner, Vorsitzende des Landesfrauenrats Thüringen, resümierte daher mit einem Publikumsbeitrag: „Wir Frauen versuchen immer, uns an gegebene Strukturen anzupassen. Aber das wird nicht klappen. Wir müssen die Strukturen ändern!“
„Das F in Feminismus steht für Freiheit.“
Mit diesem Zitat der Netzfeministin und Initiatorin des Hashtags #aufschrei, Anne Wizorek, leitete Eva Nagler die Abschlussdiskussion unter dem Titel „20 Jahre nach der UN-Frauenkonferenz in Peking – Wo packen wir an?“ ein. Auch wenn Frauen in Deutschland im internationalen Vergleich bessere Ausgangsbedingungen hätten als in anderen Regionen der Welt, so sei das Eintreten für feministische Forderungen kein „Jammern auf hohem Niveau“. „Solange Frauen in den gleichen Jobs schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen, Frauen mit Alltagssexismus zu kämpfen haben, die Medien junge Menschen in geschlechtsspezifische Formen pressen wollen und unser Familien- und Arbeitsbild nicht flexibel für moderne Lebensformen ist, sind wir in Deutschland noch weit weg von wirklicher Gleichberechtigung.“
In einem Grußwort zu Beginn der Abschlussdiskussion verwies die neue Gleichstellungsbeauftragten des Freistaats Thüringen, Katrin Christ-Eisenwinder auf bisherige Erfolge, zeigte sich aber auch des Umstands bewusst, dass es eine Kluft zwischen Anspruch und Alltagswirklichkeit gebe. Gleichzeitig wären die Voraussetzungen mit der ersten rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen so gut wie nie zuvor, sich effektiv für Frauenrechte stark zu machen.
Die Frage, wie man den eigenen Zielen stärkeres Gewicht in der Politik verschaffen könne und wo man zuerst anpacken müsse, beschäftigte auch das Abschlusspodium, moderiert von Bettina Metz-Rolshausen, dem Dr. Agnes Allroggen-Bedel, stellvertretende Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Serap Altınışık, Brigitte Triems sowie Ilona Helena Eisner, Vorsitzende des Landesfrauenrats Thüringen angehörten. Die Diskutantinnen griffen dabei gemeinsam mit dem Publikum Angelpunkte der vorangegangenen Panels auf und entwickelten konkrete Forderungen.
„Wir brauchen starke Frauen. Mit diesen starken Frauen werden wir es schaffen, Sanktionen durchzusetzen.“ (Agnes Allroggen-Bedel)
„Wir haben erwartet, dass es nach dem Schwung von Peking eine nationale Aktionsplattform gibt. Und wir haben gewartet. Und gewartet. Und gewartet. Aber nichts ist passiert. Man hat versäumt, den Schwung von damals auszunutzen. Nichtsdestotrotz haben wir jetzt wieder die Chance, an diesen anzuknüpfen“, zeigte sich dabei Agnes Allroggen-Bedel kämpferisc Man brauche für eine erfolgreiche Umsetzung gleichstellungspolitischer Ziele jedoch eine bessere Repräsentation, stärkere Überprüfbarkeit und mehr Sanktionen.
Serap Altınışık wies darauf hin, dass es „erwiesen ist, dass sobald mind. dreißig Prozent Frauen an den Entscheidungstischen sitzen, auch Themen auf den Tisch kommen, die Frauen betreffen.“ Diese Ansicht unterstützte auch Allroggen-Bedel: „Im Kabinett in Rheinland-Pfalz haben wir keine Parität. Nein, da sitzen mehr Frauen als Männer. Das hat der Politik nicht geschadet. Im Gegenteil, Regierungen mit einem höheren Frauenanteil treffen andere Entscheidungen, selbst wenn es nicht die allerwildesten Feministinnen sind. Aber es kommen frauenfreundlichere Entscheidungen dabei raus.“ Als konkreten ersten Schritt entwickelten die Diskutantinnen die Forderung, dass für jeden Posten, der besetzt werden müsse, sei es auf EU-Ebene oder auch in Thüringen, je ein Mann und eine Frau vorgeschlagen werden müsse, damit eine wirkliche Wahl besteht.
„Das ist ja das tolle am Feminismus, dass er inklusiv und für alle da ist!“ (Serap Altınışık)
Beim Thema Feminismus geht es nicht nur um Frauen, sondern es betrifft Fragen der gesellschaftlichen Benachteiligung und ist somit ein umfassendes Phänomen, das alle Geschlechter angeht. Daher lag die Frage nahe, wie man Männer zu Verbündeten machen und sie mobilisieren könne, gemeinsam mit und für Frauen zu kämpfen. Eisner war überzeugt, dass man nicht nur jungen Frauen Rückhalt geben müsse. „Ich hätte gerne auch junge Männer dabei. Es gibt viele von ihnen, die begriffen haben, dass Feminismus auch ihnen was bringt.“ Aber nicht nur die Vernetzung mit Männern, die immer noch häufiger in den Entscheidungspositionen sitzen, sei wichtig. „Wir brauchen auch mehr Verbindung zwischen den Generationen, um uns auszutauschen, lauter zu werden und mehr Druck auszuüben“, appellierte Brigitte Triems. Verbündete schaffen, aufstehen, feministische Frauen in Entscheidungspositionen stärken – das waren zentrale Forderungen, die von der Tagung ausgingen.
„Lassen Sie uns das doch einfach mal ausprobieren und schauen, ob wir dann eine bessere Welt haben. Und lassen sie uns am besten gleich morgen damit anfangen!“ (Serap Altınışık)
Um konkrete Verbesserungen für Frauen zu erreichen, bedarf es einer ausreichenden und dauerhaften Finanzierung. Dennoch geraten Fraueninitiativen immer wieder unter Rechtfertigungsdruck, wenn sie Mittelerhöhungen fordern oder sich mit Kürzungsplänen konfrontiert sehen. Vielfach entsteht dann die Tendenz, die Kosten aufzurechnen, die entstehen würden, wenn die betreffende Struktur wegfällt. Auf diese Tendenz, die bereits im ersten Panel diskutiert wurde, bezogen sich die Diskutant_innen auch in der Abschlussrunde und entwickelten zunehmend Kritik hieran.
„Ich bin dagegen, alles zu ökonomisieren“, äußerte Allroggen-Bedel entschlossen, „dass es gut ist, wenn die Müttersterblichkeit zurückgeht oder mehr Frauen und Mädchen lesen können, muss ich doch nicht mit ausbleibenden Kosten begründen. Das liegt doch auf der Hand!“ Zustimmung hierzu signalisierte auch Serap Altınışık: „Wir brauchen uns nicht dafür zu schämen, dass wir für unsere Arbeit Finanzierung brauchen. Das ist doch kein Luxus! Das ist die Bedingung dafür, dass es nicht gefährlicher wird in der Welt!“ Bettina Metz-Rolshausen brachte die Diskussion in ihrem Schlusswort zu einer Konklusion: „Wir können uns gar nicht leisten, keine Gleichstellung umzusetzen!“