Vielfalt für die Redaktionen
Wir essen Döner, schauen französische Filme und tanzen Samba: Kulturelle Vielfalt ist Alltag in Deutschland – aber nicht in den Redaktionen deutscher Medien. Dort arbeiten verhältnismäßig wenig Menschen mit Migrationshintergrund.
Journalisten wollen – trotz immer schwierigerer Bedingungen – die Wirklichkeit abbilden. Die Redaktionen selbst sind kein Abbild der Wirklichkeit – also der Gesellschaft. Jeder fünfte Einwohner in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, in den Redaktionsräumen dagegen hat laut dem Verein Neue Deutsche Medienmacher (NdM) nur jeder fünfzigste Journalist ausländische Wurzeln.
Ein Verein für die Vielfalt
Hinter NdM verbirgt sich ein bundesweiter Zusammenschluss von mehreren hundert Medienschaffenden mit unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Hintergründen. Die Mitglieder aus Print, Online, TV und Hörfunk setzen sich dafür ein, dass sich die Vielfalt der deutschen Einwanderungsgesellschaft auch in den Medien widerspiegelt. „In der Berichterstattung fehlt es an Perspektiven von Migranten und an einer Darstellung gesellschaftlicher Vielfalt“, sagt Konstantina Vassiliou-Enz, Geschäftsführerin des Vereins, der sich als politisch unabhängig und nationalitäten- und konfessionsübergreifend bezeichnet. Vassiliou-Enz kam einst mit ihrer Familie aus Griechenland nach Deutschland.
Vielfalt in den Medien wünscht sich auch der Zuständige für Integration und Interkulturellen Dialog im Forum Berlin der Friedrich-Ebert-Stiftung, Dietmar Molthagen. „Medien sollen unsere Gesellschaft widerspiegeln. Deshalb befürworte ich heterogene Redaktionen, nicht nur was den Migrationshintergrund betrifft, sondern etwa auch das Verhältnis von Männern und Frauen sowie politischen Grundeinstellungen.“
„Wir sind nicht die besseren JournalistInnen. Aber auch nicht die schlechteren“ heißt es auf der Homepage der Neuen Deutschen Medienmacher. Das spielt auf die Wahrnehmung von Journalisten mit Migrationshintergrund an. Geht es nach den Vereinsmitgliedern, sollten Journalisten aus Zuwanderungsfamilien nicht auf die Rolle des „Integrationsbeauftragen“ reduziert werden. Vielmehr sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich jeder Journalist sein Themenfeld selbst aussucht.
Blickwinkel erweitern
„Es ist auf allen Gebieten der Berichterstattung sinnvoll, den Blickwinkel der gesamten Gesellschaft wahrzunehmen“, so Vassiliou-Enz. „Dass beispielsweise im anderthalbstündigen TV-Kanzlerduell am 1. September 2013 zur Bundestagswahl kein einziges Wort zum Thema Integration gefallen ist, war in der Nachberichterstattung deutscher Medien nicht präsent, in den Communitys dafür umso mehr.“ Molthagen ergänzt: „Im Sinne der wünschenswerten Vielfalt der Berichterstattung brauchen wir journalistische Vielfalt in allen thematischen Bereichen.“
Eine Studie der Bertelsmann Stiftung befürwortet, Journalisten mit Migrationshintergrund stärker zu fördern und einzubinden: „Deutschen Medienbetrieben müsste nicht zuletzt aus rein wirtschaftlichen Interessen daran gelegen sein, 19 Prozent ihres potenziellen Publikums besser zu erreichen, indem sie durch heterogeneres Personal in der Lage sind, auch Sichtweisen ethnischer Gruppen medial abzubilden.“
Ausländer als Kriminelle und als Experten
Durch besser „durchmischte“ Redaktionen sollen Stereotype aufgebrochen werden. Laut dem Verein NdM thematisierten Medien beispielsweise bei der Berichterstattung über Kriminalfälle allzu oft die Nationalität des Täters, obwohl diese keine Rolle spiele und wenn nur im Falle einer ausländischen Herkunft genannt werde. Dabei würde die weit überwiegende Anzahl der Straftaten in Deutschland von Deutschen begangen.
Werden in Medien Experten zu Rate gezogen, treten selten Menschen mit Migrationshintergrund auf. Die NdM wollen das mit ihrem kostenlosen Rechercheportal Vielfaltfinder ändern. In dem Portal sind hunderte nicht- und neudeutsche Fachleute aus vielen unterschiedlichen Wissensgebieten zu finden.