Von Lockdown-Langeweile zum preisgekrönten Printmagazin
Ein Printmagazin von jungen Menschen für junge Menschen – das trotz voranschreitender Digitalisierung. OLDSCHOOL schafft Identitätsräume, Austausch und Abwechslung. Ein Gespräch mit den Gründer*innen.
Junge Menschen digital abholen und in den analogen Raum mitnehmen – mit diesem Vorsatz gründeten die beiden 19-Jährigen Lena und Tim ihr eigenes Printmagazin bestehend aus 100 Seiten: OLDSCHOOL. Und das während einer globalen Pandemie, in welcher der digitale Informationsfluss besonders zunahm. „Es sind Leute im gleichen Alter wie du, wie ich, die darüber schreiben, was uns bewegt“, so Lena, „und ich glaube, das ist etwas Besonderes.“
Gerade mit dem Abitur fertig geworden und durch den Lockdown eingeschränkt, sitzt Lena in ihrem Frankfurter Kinderzimmer und bastelt digital an einem kleinen Heft, das sie ‚WIR‘ nennt. Ende November 2020 landete es in vielen Frankfurter Briefkästen, zunächst ohne Resonanz. Dann kam Tim ins Spiel: Das Kinderzimmer wurde zum Creative Space, an den Wänden hingen Post-Its mit Ideen, Skizzen, Terminen, erste Drucke und Bilder klebten daneben. Aus drei vollgekritzelten A4-Blättern wurde ein großes Ding. „Es hat sich wirklich einfach hochgeschaukelt“, so Tim, „auf einmal war da Energie im Raum, Sachen einfach mal rauszuhauen, um zu gucken, ob man damit etwas anfangen kann.“ Ein Jahr später entstand aus diesem Pilotprojekt ein Magazin mit Texten, Fotostrecken und diversen Kategorien mit einer Auflage von 2000 Heften und ganzen 180 Mitwirkenden.
Das OLDSCHOOL Magazin – von jungen Menschen für junge Menschen
Zu einem jungen Team gehört auch ein junges Magazin – von der Schule bis Ende 20 – hauptsächlich weiblich und urban und arbeitet ehrenamtlich. „Was wir immer versuchen, ist, dass wir möglichst divers aufgestellt sind“, stellt Tim klar, „das sind strukturelle Probleme, von denen auch wir betroffen sind und gegen welche wir arbeiten müssen.“
Trotz analogem Endprodukt sprechen sich die beiden für die virtuelle Zusammenarbeit aus – der Grund dafür scheint offensichtlich: „Über das Digitale können wir uns sogar über Landesgrenzen hinweg vernetzen. Das gibt dem ganzen nochmal ein anderes Potential.” Die Möglichkeit zur Partizipation und Repräsentation genüge dem Anspruch, ein Sprachrohr für die gesamte junge Generation zu sein.
Im November 2020 entwickelten Lena und Tim das OLDSCHOOl-Magazin.
Die Vision: Ein Heft mit Themen, die anderweitig zu wenig Raum erhalten, um mehr Platz für tiefgründige Auseinandersetzungen zu schaffen. „Wir haben ein Leitthema, das wir vorgeben und ein offenes Dokument, wo Mitwirkende ihre Ideen teilen.“
Durch individuelle Kategorien wie die ‚Postkarte‘ aus dem Ausland oder ‚Mein Hintergrund‘, worin diverse Lebensrealitäten abgebildet werden, hebt sich das Magazin auch thematisch ab. Die letzten Ausgaben beschäftigten sich mit Sexualität, den eigenen Privilegien, psychischen Störungen und politischem Mitspracherecht. Weibliche Perspektiven schreiben über Masturbation, Menschen gewähren den Leser*innen intime Einblicke in die Identitätsfindung und den Umgang mit Depressionen oder Betroffenen. Die Texte werden von Bildstrecken junger Fotograf*innen unterstützt und kreativ untermalt.
Analog in einer digitalen Welt – Herausforderungen im jungen Journalismus
Doch was steckt hinter der Erfolgsgeschichte? Welchen Hürden begegnen zwei junge Menschen mit Abitur, deren Lebensweg nicht mit den gesellschaftlichen Erwartungen übereinstimmt? „Es gab eine Zeit, da haben wir wirklich 60 bis 70 Stunden pro Woche gearbeitet, auch am Wochenende“, so Lena über die Arbeit am Magazin, welches kürzlich den Frankfurter Bürgerpreis erhalten hat. „Ihr werft eure Zukunft weg“, durfte sich Lena trotzdem von Erwachsenen anhören, die ihre Entscheidung für OLDSCHOOL und gegen das Studium nicht nachvollziehen wollten. „Wir fallen mit unserer Sache komplett aus dem System“, sagt der 19-jährige Gründer.
Statt schneller Information mit einem Klick liefert OLDSCHOOL Hintergründe und ein Gesamtwerk aus Text, Layout, Bildern. „Man bedient alle Sinne: es ist die Haptik, der Geruch und auch das Visuelle“, so Lena und Tim. „Du bist nicht irgendwo an der Haltestelle und gehst nochmal kurz auf Social Media, sondern du setzt dich am Wochenende hin, auf deine Couch, und liest dir das Heft durch.“ Trotzdem sei die Nutzung von Instagram nötig, um junge Menschen zu erreichen. Als Werbeplattform bilden digitale und analoge Sphäre somit eine Symbiose.
Das gilt auch für zukünftige Pläne: die Erweiterung um ein crossmediales Angebot, Release-Partys, bis hin zur Gründung einer UG. Obwohl die beiden viel Unterstützung erhalten, bringt vor allem Letzteres Herausforderungen mit sich. „Seien es jetzt Verhandlungen mit der Druckerei oder wo anders. Es wird von oben herab auf einen herunter geschaut“, stellt Tim mit Verweis auf sein Alter und den Bildungsweg fest.
Er wünscht sich, „dass Leute einfach loslegen können. Dass Leute viel mehr empowert werden und dies auch schon in der Schule beginnt.“ In der Zukunft planen die beiden Frankfurter*innen neben dem Printmagazin den Aufbau eines Kernteams und die Erweiterung des Angebots um einen Podcast, sowie die Möglichkeit zu lokalen Treffen und Vernetzung. „Wir begreifen uns mittlerweile auch mehr als Katalysator, der eigentlich alles zusammenbringt von jungen Menschen, die ganzen Potenziale und daraus wieder etwas machen kann.“
(Alle weiteren Artikel zur YouMeCon kannst Du auf dem politikorange-Blog und hier auf sagwas, dem Debattenportal der Friedrich-Ebert-Stiftung, finden.)