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Wer nicht fragt, bleibt dumm

Von Nadine Tannreuther / 28. Dezember 2022
picture alliance / Sergey Nivens/Shotshop | Sergey Nivens

Gründen? Ist doch ganz einfach: Definiere ein Problem, bilde ein Team und sucht gemeinsam nach Lösungen im Bereich Produkte oder Dienstleistung. Und nicht vergessen: schnell Investoren für eine nachhaltige Finanzierung finden. Sieht so die Realität aus?

„Das Unternehmen Brillen.de sucht nach derzeit 20 Millionen Euro.“

„Der umtriebige Venture Capital-Geber Picus Capital setzt auf Web3-Investments.“

So lauten Schlagzeilen von Anfang Dezember 2022 aus der deutschen Gründerszene. Sie verdeutlichen: Risiko, Mut und die Suche nach Investment gehören zum Tagesgeschäft von Startups. Gründungen in Deutschland fokussieren dabei auf Großstädte wie Frankfurt, Düsseldorf oder Berlin.

Alexander Grönig, einstiger Gründer aus Frankfurt – der Stadt mit den meisten Unternehmensgründungen in Deutschland, nämlich 57 pro 10.000 Erwerbsfähige – hat die Szene verlassen. Im Interview erklärt er, warum.

sagwas: Alexander, du hast von 2011 bis 2015 Kommunikationswissenschaften an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg studiert. Warst bei der Deutschen Bank im Bereich Marketing und von 2017 bis 2018 hast du dich für die gemeinnützige Organisation ProjectTogether als Berater für Geschäftsentwicklung engagiert. Dann hast du gemeinsam mit einem Partner dort n.easy gegründet. Worum ging es dabei?

Alexander Grönig: Bei n.easy war die Idee, alle Kontakte, egal auf welcher Plattform sie gespeichert sind, sinnvoll zu verwalten und das volle Potential des eigenen Netzwerks zugänglich zu machen. Indem wir diese Kontaktdaten miteinander verknüpft haben, konnten wir eine Art persönliches CRM-System (Customer-Relationship-Management, Anm. d. Red.) schaffen. Also eine Software, die Unternehmen mit ihren Kundenbeziehungen hilft.

Klingt nach einer guten Idee. Wie sollte die Software konkret helfen?

Unsere Philosophie und der Kerngedanke war, dass es zu allen Herausforderungen und zu allen schwer zu lösenden Aufgaben stets einen Experten im unmittelbaren Umfeld oder innerhalb einer Firma gibt, der eine Lösung für diese Herausforderung kennt. Mit unserer Geschäftsidee haben wir dieses unbekannte, aber vorhandene Wissen transparent gemacht – wie ein Google für deine Firma.

Alexander Grönig, 32, bereut nicht, seine eigene Firma gegründet zu haben. Auch wenn es sie heute nicht mehr gibt. (Foto: A. Grönig)

Bis 2021 haben dein Geschäftspartner und du gemeinsam mit einem Team aus drei Entwicklern daran gearbeitet. Inzwischen gibt es euer Unternehmen nicht mehr. Was ist passiert?

Im letzten Jahr unseres Startups haben wir ein Browser-Plugin entwickelt, welches deine tatsächlichen Suchmaschinenabfragen mit den Experten deines Netzwerkes abgleicht. Zu den Spitzenzeiten arbeiteten wir zu fünft im Social Impact Lab, eine Fördereinrichtung für Startups. Im zweiten Corona-Jahr haben wir es allerdings nicht geschafft, genügend Neukunden zu akquirieren, um unser Burnrate (Geschwindigkeit, mit der die finanziellen Unternehmensmittel aufgebraucht werden, Anm. d. Red.) zu verkleinern, sodass wir Ende 2021 das Startup liquidieren mussten.

Wie seid ihr damit umgegangen?

Unternehmer müssen Fragen stellen, unerwartete Wege gehen und flexibel sein. Es war wichtig, einfach loszulaufen. Auch wenn uns letztendlich das Geld ausgegangen ist. Als das absehbar wurde, bin ich zu meinen Eltern gezogen, um zu sparen – das gemeinsame Büro, das Team und die Idee waren mir wichtiger. Arbeiten stand ganz oben. Bei mir hat es sich leider geschäftlich nicht ausgezahlt, was vielleicht von Außenstehenden als Misserfolg gewertet wird. Doch die drei Jahre waren für jeden von uns eine unglaublich prägende Zeit. Das alles hat mich in meiner Persönlichkeit geformt. Die Erfahrung möchte ich nicht missen! Du investierst enorm viel Lebenszeit und Geld – manchmal ist das “Erschaffen“ nicht auf den ersten Blick erkennbar, sondern zeigt sich erst später oder auf eine andere Weise.

Du warst einige Zeit angestellt. Was hat dich überhaupt bewogen, dich selbstständig zu machen und die damit verbundenen Risiken einzugehen?

Mit 27 hatte ich diesen Drang, die Welt zu verändern. Schon im Studium war klar, dass ich mich selbstständig machen möchte und irgendwann Unternehmer werde. Jedoch hat mir immer die passende Idee und die richtigen Partner gefehlt. Für mich war der entscheidende Moment nach zwei Praktika gekommen. Eines in einem großen Konzern und eines beim Fernsehen. Beide Male war ich so bitterlich enttäuscht von der Arbeitswelt und dem Arbeitsumfeld. Daraufhin begann meine Startup-Reise. In Frankfurt gibt es glücklicherweise an jeder Ecke Events und Eintrittsmöglichkeiten in die Startup-Szene. Dafür bin ich heute super dankbar – für all diese helfenden Hände. Nach hunderten Gesprächen haben mein Geschäftspartner und ich uns sogar innerhalb unserer eigenen Netzwerke gefunden: Jonathan und ich sind seit der fünften Klasse gemeinsam zur Schule gegangen und haben uns fachlich sehr gut ergänzt. Zu zweit war es einfacher.

Hürden gibt es “nach“ Corona einige. Wie sieht deiner Meinung nach die Zukunft der Gründerszene in Deutschland aus?

Zwar bin ich derzeit raus aus der Szene, jedoch sind die Kontakte und das Netzwerk geblieben. So bekomme ich immer noch das eine oder andere Update. Ich glaube, dass unsere Geschäftsidee immer noch en vogue ist – vielleicht mehr denn je mit den aktuellen Herausforderungen. Wenn ich mir die junge Generation so anschaue, habe ich den Eindruck, dass dieses Brennen vermehrt vorhanden ist. Das brauchen wir und ich feiere es!

Heute bin ich eher am anderen Ende eines Unternehmerlebens tätig. Ich berate Menschen, die die eigene Firma abgeben oder verkaufen wollen. Ich glaube, das Thema Unternehmensnachfolge wird die kommenden Jahre relevanter. Es wird darum gehen, nicht neu zu gründen, sondern ein bestehendes Unternehmen weiterzuentwickeln und den Wandel zu prägen. Es kommt eine riesige Welle an Babyboomern und damit das Potential, sich durch junge Menschen neu zu definieren. Diesen Wandel möchte ich mitprägen.

Danke für das Gespräch!

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