Wie man mitten im Flüchtlingslager ein erfolgreiches Business aufbaut
Was tust du als junger Mensch, um deinen Lebensunterhalt zu sichern? Verlässt du dich auf deine Eltern? Aber: Was, wenn deine Eltern nicht die Möglichkeit haben, dich zu unterstützen? Viele junge Geflüchtete in Dzaleka haben sich deshalb entschieden, selbst aktiv zu werden.
Geflüchtete in Dzaleka kämpfen Tag für Tag um ihr wirtschaftliches Überleben. Aber – Überraschung! – junge Menschen im Lager lassen sich von ihrem sozialen Status nicht davon abhalten, ihre Träume zu verfolgen. Mutig ergreifen sie die Initiative und gründen Unternehmen, mit denen sie sich und ihre Familien ernähren.
Devota Irankunda
Mein Name ist Devota Irankunda. Ich war vier Jahre alt, als ich aus Burundi in Malawi ankam. Jetzt bin ich 26. Im Jahr 2020 habe ich hier ein Bekleidungsgeschäft eröffnet, und in den letzten vier Jahren ist mein Unternehmen rasant gewachsen. Ich habe endlich meinen Traum in die Tat umgesetzt: Jungen Menschen hier in meinem Umfeld mit meinem eigenen Geschäft die Möglichkeit zu geben, Kleidung zu kaufen, die ihnen gefällt, ohne dafür weit fahren zu müssen.
Als Geschäftsfrau ist mir wichtig, Herausforderungen für mein kleines Unternehmen zu erkennen und zu analysieren, damit ich informierte Entscheidungen treffen kann. Eine der größten Herausforderungen für mein Geschäft bestand in fehlender finanzieller Unterstützung, um meinen Laden so zu entwickeln, wie ich es gern hätte. Ich möchte zuverlässig das ganze Land beliefern können, aber ohne finanzielle Mittel ist das nicht möglich. Diebstahl ist auch ein Problem. Normalerweise bestelle ich meine Ware im Internet. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich Pakete nicht erhalten habe, obwohl ich sie vollständig bezahlt hatte. Am schlimmsten ist aber, wie herablassend du als Frau behandelt wirst. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen einfach an Frauen und ihre Fähigkeiten glauben. Ich arbeite hart daran, dieses Stigma in meinem Umfeld zu bekämpfen. Frauen sind keine Bettlerinnen; Frauen können die Grenzen durchbrechen, die die Gesellschaft ihnen setzt. Ich selbst bin ein Beispiel dafür, dass eine Frau sich gut selbst versorgen kann.
Für meinen Erfolg bete ich. Ich weiß, dass ich als Geflüchtete in diesem Land nie einen Kredit aufnehmen darf, also kämpfe ich mich einfach durch. Als Frau möchte ich auch anderen Mädchen ein Beispiel geben. Ich möchte, dass sie eines Tages zu mir aufschauen und wissen, dass sie es auch schaffen können. Es ist nicht leicht, aber es wird besser werden. Und wenn du mal hinfällst: Steh auf! Du kannst das!
Neema Kanyinda
Die Kosmetikbranche ist eine starke Industrie, die weltweit Menschen steinreich macht. Mein Name ist Neema Kanyinda; ich bin 23 Jahre alt und komme aus der Demokratischen Republik Kongo. Ich bin Geflüchtete und lebe in Dzaleka. Ich bin Make-Up Artist, und meine Leidenschaft gilt der Schönheitsbranche. Was treibt mich an? Ich mag es, wenn ich Menschen dabei helfen kann, sich optisch zu verändern, gut auszusehen und damit auch verlorenes Selbstvertrauen wiederzugewinnen. Ich habe einen einjährigen Make-Up-Kurs absolviert und dann vor einem Jahr mein eigenes Schönheitsstudio eröffnet.
Mein Unternehmen ist stark gewachsen: Zunächst habe ich nur Make-Up angeboten; mittlerweile gebe ich professionelle Make-Up-Kurse für Mädchen in Dzaleka. Am Anfang war es nicht leicht. Ich musste das Unternehmen ja ganz allein aufbauen. Meine Vision ist, ein größeres Schulungszentrum aufzubauen, in dem junge Frauen die Kunst des professionellen Make-Ups erlernen können. Die größte Herausforderung dabei ist, dass ich mich zwar sehr anstrenge, aber keine umfassende Ausbildung habe. Außerdem fehlt es mir an Material, weil ich es mir nicht leisten kann. Ich habe mein Unternehmen mit meinem eigenen Geld gegründet. Mein Rat an alle jungen Menschen da draußen ist: Folgt euren Träumen, arbeitet hart und konzentriert und bleibt entschlossen dran! Habt keine Angst, aber seid euch bewusst, dass es nichts umsonst gibt. Denkt immer daran: Je härter ihr arbeitet, umso mehr Geld habt ihr und umso unabhängiger werdet ihr.
François Bangwe
Mein Name ist François Bangwe. Ich bin 20 Jahre alt und lebe als Geflüchteter in Dzaleka. Ich male seit acht Jahren und bin heute ein professioneller Maler. Als ich klein war, bewunderte ich Gemälde immer sehr, aber ich hätte nie gedacht, dass ich selbst Maler werden könnte. Trotzdem wollte ich es gern versuchen. Irgendwann war ich dann so weit, es zu einfach zu machen, und nach fast zehn Jahren kann ich sagen, dass ich meine Kunst perfektioniert habe. Mittlerweile verkaufe ich über das Internet Bilder im ganzen Land und nehme auch an Wettbewerben teil. 2017 erhielt ich den Auftrag, ein Porträt zu malen. Dafür bekam ich 15.000 Malawi-Kwacha (MK). Ich habe mein Bestes gegeben. Der Auftraggeber war wirklich beeindruckt, und so wurde mir klar, dass ich tatsächlich aus der Malerei einen Beruf machen konnte.
Die größte Herausforderung ist, dass nur wenige Menschen im Lager Bilder kaufen können. Um meine Bilder auszustellen und zu verkaufen, muss ich 45 Kilometer weit fahren, entweder mit dem Auto oder mit dem Motorrad. Ich male für niedrigere Honorare, damit ich genug verkaufen kann, um meinen Lebensunterhalt zu decken. Zum Beispiel male ich ein individuelles Porträt für nur 30.000 MK.
Ich bin stark und habe ein gutes Durchhaltevermögen, und ich glaube an meine Fähigkeiten, die Menschen zu überzeugen, meine Bilder zu kaufen. Mein Rat an junge Künstler_innen da draußen ist: Je mehr ihr übt, desto besser werdet ihr. Und je besser ihr werdet, umso wahrscheinlicher ist es, dass jemand eure Bilder kaufen möchte und ihr davon leben könnt. Warum erinnern wir uns heute noch an Menschen wie Leonardo da Vinci? Ganz einfach: Maler wie er glaubten an die Kraft der Malerei, aber sie glaubten auch an sich selbst. Und das ist das Wichtigste. Arbeite hart und glaube an dich – dann ist alles möglich, egal, welchen sozialen Status du hast.
Simon Kashirangwa
Mein Name ist Simon Kashirangwa, und ich komme aus der DR Kongo. Ich habe mich entschieden, Kleidung und Schuhe zu verkaufen, denn ich sah, dass es in dem Bereich einen Nachfrage gab, von der ich glaubte, dass ich sie decken kann. Als Geflüchteter im Lager Dzaleka weiß ich, dass Geflüchtete nicht einfach so in die Stadt gehen dürfen, um einzukaufen. Das macht es schwierig, Dinge des täglichen Bedarfs zu erwerben. Für mich war das eine Motivation, mein Unternehmen zu gründen: Ich wollte, dass andere Geflüchtete Kleidung und Schuhe für Erwachsene, Jugendliche und Kinder kaufen können, ohne irgendwo hinfahren zu müssen. Der Gedanke, mein eigenes Unternehmen zu haben und den Menschen um mich herum eine praktische Lösung für ein Alltagsproblem anzubieten, war mein Antrieb. Ich finde es wunderbar, eine große Auswahl an Bekleidungsartikeln und Schuhen für alle Altersgruppen anbieten zu können, und ich glaube, dass mein Laden das Potenzial hat, zu wachsen und im Alltag der Geflüchteten im Lager etwas Positives zu bewirken. Ich habe mein Geschäft mit meinem eigenen Ersparten gegründet. Zusätzlich habe ich mich an Freund_innen und Verwandte gewendet, die an mein Vorhaben glaubten und bereit waren, mich mit Geld und guten Ratschlägen zu unterstützen.
Da mir klar war, dass ein Geflüchteter kaum Zugang zu traditionellen Finanzquellen hat, habe ich mich auch mit alternativen Finanzierungemodellen beschäftigt – zum Beispiel Mikrokredite und spezifische Förderprogramme für Unternehmer_innen wie mich. Durch eine Kombination von persönlichem Ersparten, Unterstützung aus meinem Netzwerk und strategischer Finanzplanung konnte ich die Ressourcen aufbringen, die ich für eine erfolgreiche Unternehmensgründung brauchte. Die Warenbeschaffung ist eine meiner größten Herausforderungen. Zuverlässige Zulieferer für gute Kleidung und Schuhe zu günstigen Preisen zu finden ist gar nicht so einfach – besonders, wenn man sein Geschäft in einem Lager für Geflüchtete betreibt. Marktzugang ist auch ein Problem. Für Menschen im Lager ist der Laden praktisch, aber die Einschränkung meiner Bewegungsfreiheit und meiner Möglichkeit, zu werben, macht es schwer, neue Kundschaft zu erreichen und meinen Markt über die Grenzen des Lagers hinaus zu erweitern. Dann die finanziellen Zwänge: Ich habe nur begrenzt Zugang zu Kapital, um mein Unternehmen zu erweitern und Inventar aufzustocken. Das macht es schwierig, zu wachsen und eine steigende Nachfrage zu decken. Wettbewerb: Mein Unternehmen bietet zwar wertvollen Service, aber Wettbewerb innerhalb des Lagers, auch durch informelle Geschäftstätigkeit, wirkt sich auf Umsatz und Rentabilität aus. Wenn man als Unternehmen wachsen will, muss man netzwerken. Das tue ich aktiv. Beziehungen zu anderen Unternehmer_innen aufzubauen und mein Netzwerk zu erweitern ist gerade für mich als Geflüchteten wesentlich, wenn ich neue Chancen für Kooperationen und Wachstum ergreifen will. Ich kenne meine Stärken und Schwächen und arbeite hart daran, mich als Unternehmer stetig weiterzuentwickeln. Ich will meine Stärken ausbauen und dort besser werden, wo ich mich noch weiterentwickeln kann. So will ich mein Unternehmen zum Erfolg führen. Als junger Mensch ein Unternehmen zu gründen, erfordert Mut, ist aber auch erfüllend. Es gibt so viel Gelegenheit, zu wachsen, innovativ zu sein und Erfolg zu haben. Als jemand, der sowohl Herausforderungen als auch Erfolge erlebt hat, würde ich jungen Unternehmer_innen den folgenden Rat geben, wenn sie in der gleichen Branche aktiv werden wollen wie ich: Wie gesagt ist es nicht einfach, als junger Mensch ein Unternehmen aufzubauen, aber es ist eine erfüllende Erfahrung. Mit Resilienz, Kreativität, Kundenorientierung, Flexibilität, Führungsqualitäten, Risikobereitschaft, gutem Finanzmanagement, einer funktionierenden Work-Life-Balance, Netzwerken und ständiger Weiterbildung können junge Menschen selbst aktiv darauf hinarbeiten, ein erfolgreiches und erfüllendes Unternehmen zu gründen. Mit Leidenschaft, Ausdauer und der richtigen Einstellung hast du als Unternehmer_in jede Menge Chancen auf Erfolg.
(Übersetzung: Bianca Walther. Die englische Version des Artikels gibt es hier./ The English version of this artlicle can be found here.)