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Wie sein Stress ihr Stress wird

Von May Niederhausen / 5. Juni 2024
picture alliance / Ikon Images/Gary Waters | Gary Waters

Frauen kümmern sich zu häufig und zu intensiv auch um die Probleme ihres Partners und belasten sich dadurch unnötig selbst. Ein feministischer Kommentar über emotionale Arbeit.

Es ist ein abgegriffenes Klischee: Männer beschweren sich, dass Frauen die ganze Zeit nur über ihre Gefühle reden würden, während sich Frauen darüber echauffieren, dass Männer die emotionale Intelligenz eines kleinen Löffels hätten. Diesem Klischee liegt das Problem zugrunde, dass emotionale Arbeit in Beziehungen oft ungerecht verteilt ist: Frauen werden in der heteronormativen Gesellschaft besondere natürliche Fähigkeiten zugesprochen, wenn es um emotionale Regulation oder soziale Beziehungen geht. Das führt unmittelbar zu Mehrarbeit – und zu mehr Stress. Dieser Stress ist mehr als ein Klischee, er ist ein systembedingtes Problem. Fair verteilte und vor allem wertgeschätzte emotionale Arbeit kann viel mehr als nur Beziehungen retten.

Der Begriff ‘emotionale Arbeit’ wurde in den 1980ern von der US-amerikanischen Soziologin Arlie Hochschild erfunden, um die Regulation von Gefühlen in Berufen zu beschreiben, die sich um die Arbeit mit Menschen drehen. Mittlerweile wird der Begriff aber häufiger im sozialen statt im beruflichen Bereich verwendet.

Es ist der Aufwand, der aufgebracht werden muss, um die Menschen um einen herum glücklich und entspannt zu machen und um Harmonie zu bewahren. Dieser liegt allen Beziehungen zugrunde und eine mangelnde Wertschätzung oder unfaire Verteilung davon gibt es nicht exklusiv in heterosexuellen Beziehungen. In denen wird allerdings deutlich, warum es sich bei der ungleichen geschlechtlichen Arbeitsteilung um ein strukturelles Problem patriarchalen Ursprungs handelt. 

Emotionalität ist weiblich?

Zum Glück lösen sich langsam die veralteten sexistischen Ideen auf, nach welchen Frauen einfach von Natur aus besser darin seien, sich um andere zu kümmern, empathischer wären, Mutterinstinkte hätten. Trotzdem spielen viele Frauen immer wieder für ihre Boyfriends die Therapeutin. Wenn sie dann aber selbst mal gestresst sind, kommt vom Partner nur ein ebenso leidenschaftsloses wie wortkarges “Reg dich nicht auf, passt doch alles”.

Diese geschlechtliche Verteilung von emotionaler Arbeit wird oft von meist traditionell geprägten (erzogenen) Eltern vorgelebt und auch in den Medien gezeigt: Im Liebesfilm weint sie sich bei ihren Freundinnen aus, während er auf Wände einschlägt. Eine Abweichung von derartigen Geschlechterbildern stößt immer noch auf Kritik. Es sei unmännlich, zu viel über Gefühle zu reden. Frauen, die sich nicht automatisch um andere kümmern, seien selbstsüchtig oder zickig. Und emotionale Arbeit überhaupt als Arbeit zu bezeichnen, als potenzielle Stress-Quelle, wird als ihr eigenes Versagen gesehen: Sie sollten sich aus reiner Liebe aufopfern. Dagegen werden Männer für mangelnde emotionale Arbeit wenig kritisiert, da sie von ihnen seltener erwartet wird. Gleichzeitig wird es ihnen nicht im gleichen Maße beigebracht oder abverlangt. Auf der anderen Seite werten viele Männer zu viel Emotionalität auch klar ab.

Ein Grund für diese geschlechtliche Verteilung ist, dass dieses überholte, aber verbreitete Rollenverständnis einfach nicht genug hinterfragt wird. Warum sollen es selbstverständlich Frauen sein, die sich um alle kümmern, die gemeinsame Geburtstagsgeschenke planen, Dates und Spielverabredungen für die Kinder?

Geringe Wertschätzung für Zwischenmenschliches: Auch im Feminismus

An sich muss emotionale Arbeit aber nicht immer eine Last sein: Es macht durchaus Freude, sich um Menschen zu kümmern, die man liebt. Wer emotionale Arbeit verrichtet, wird gebraucht und hat einen spürbar positiven Einfluss auf andere Menschen. Also kann diese Rolle sich richtig gut anfühlen, vor allem wenn ein solches Engagement durch die Gesellschaft anerkannt wird.

Die Rufe nach öffentlicher Wertschätzung von Care-Arbeit sind auf feministischen Demos seit Jahren laut, aber dieser Fokus wird auch kritisiert. Mensch fürchtet sich vor einer Ökonomisierung von Liebe, als ob man jetzt Strichliste führen müsste, wer wen wie oft getröstet hat, damit auch ja alles fair bleibt. Gefährlich ist die Andeutung, dass es als Frau anti-feministisch sei, Care-Arbeit gerne zu machen.

Emotionale Arbeit oder Care-Arbeit sind zentrale und notwendige Bestandteile innerhalb einer Gesellschaft. Wenn sich alle bewusst und willentlich und sogar aus Liebe umeinander kümmern würden, würde das nicht nur zwischenmenschliche Beziehungen sondern kollektive Systeme stärken durch mehr Gerechtigkeit und weniger Stress. Aber es benötigt feministische Arbeit, um zu diesem Punkt zu kommen.

Wir müssen Stress fairer verteilen, aber auch abbauen

Aber wie? Die US-amerikanische Literaturwissenschaftlerin Bell Hooks sagt, dass Liebe sei, was Liebe tue. Und zwar wenn beide Seiten es täten. Natürlich, Kritisieren ist immer einfach, aber auch der erste Schritt: Fragt euch, wie emotionale Arbeit in eurer Beziehung verteilt ist. Jede Beziehung ist einzigartig, also gibt es nicht den einen richtigen Weg. Sich um jemanden zu kümmern, so schön es auch sein kann, ist und bleibt Arbeit. Und wer würde sich genauso um dich kümmern? Jede Form von Arbeit muss wertgeschätzt und fair verteilt werden, sonst wird Stress nicht ab-, sondern aufgebaut oder hin und her geschoben.

Nicht fair ist hingegen, emotionale und Care-Arbeit als selbstverständlich feminin zu betrachten. Es ist längst an der Zeit, dass alle Männer emotionale Arbeit lernen, und zwar nicht erst dann, wenn sie eine Partnerin haben, die es ihnen beibringt.

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