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Wir sind, sie sind

Von Hilistina Banze / 2. Februar 2016
picture alliance / Zoonar | benis arapovic

Mit Hilfe neuer Konzepte sollen nach Deutschland geflohene Menschen möglichst schnell in die Gesellschaft integriert werden. Doch die erdachten „Integrationsklassensysteme“ sind eher Ausgrenzungs- als Integrationswerkzeuge, meint Integrationsklassenlehrerin Hilistina Banze. Schülern werde die Möglichkeit genommen, sich jenseits der Kategorie „Ausländer“ im deutschen Alltag zu bewegen.

Deutschland ist ein Land, welches nicht erst seit der sogenannten „Flüchtlingswelle“ der vergangenen zwei Jahre mehr als helle Haut und blaue Augen zu bieten hat. Wenn es vor dieser Welle allerdings um Integration ging, hieß man diese oft „gescheitert“.

Lieblingsthema waren stets „die Türken“, welche sich angeblich in sogenannten Parallelgesellschaften von der deutschen Bevölkerung abzuschotten suchten. Dass nur wenige Menschen in Deutschland den Begriff Parallelgesellschaft positiv oder neutral betrachteten, kritisierte der Publizist Henryk M. Broder. Menschen aus nichtislamischen Ländern scheine die Integration in die deutsche Gesellschaft besser zu gelingen, wenngleich diese scheinbar auch Parallelgesellschaften pflegten, so Broder.

Integrationsklassen: eine Enklave

Im Jahre 2015 wurden laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 476.649 Anträge auf Asyl gestellt. „Integrationsklassen“ oder auch „Förderklassen für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund“ sollen nun die Integration erleichtern – dieses Mal will man es besser machen, so scheint es. Zunächst einmal lernen die Kinder in diesen Klassen Deutsch. Dies findet in einem schulischen Umfeld statt, damit die Kinder den deutschen Schulbetrieb kennenlernen können.

Tatsächlich sind derartige Klassen aber wie eine Enklave: Mit deutschsprachigen Kindern kommen die Schüler allenfalls auf dem Schulhof in Kontakt. Zwar versuchen die Kinder, sofern sie mit Klassenkameraden anderer Sprachgruppen kommunizieren möchten, Deutsch zu reden. In der Regel kommt es jedoch nicht zu ausführlichen Gesprächen: Die Sprachbarriere ist einfach viel zu hoch.

Die Kinder lernen aufgrund dieser Ausgangslage eher, ein Verständnis für kulturelle Diversität zu entwickeln, als sich in den normalen Schulbetrieb zu integrieren. Zudem entwickeln die Schüler gemeinsam mit der für die Integrationsklasse zuständigen Lehrkraft eigene Dynamiken. Das ist völlig normal, fehlt den Kindern doch die deutsche Sozialisation und den Lehrern sehr häufig die Erfahrung mit dieser kulturellen Heterogenität. Die Kinder kommen nicht nur aus völlig unterschiedlichen Kulturkreisen, sondern auch aus den verschiedensten Gründen nach Deutschland.

Alle unterliegen der Schulpflicht

Beschult werden in Integrationsklassen nicht nur jene Kinder, welche aus Syrien, dem Irak, Somalia oder Nigeria mit ihren Eltern vor dem Krieg fliehen mussten, sondern auch andere Kinder aus friedlichen Ländern. Alle Kinder unterliegen der Schulpflicht. Egal, was sie zuvor erlebt haben, sie müssen es hinter sich lassen. Sie müssen sich am besten sofort in die deutsche Gesellschaft einfügen und bekommen doch nicht die Möglichkeit, unauffällig ihren Platz zu suchen, da sie in eine Sonderklasse gehen müssen.

Problematisch ist diese Separation auch, weil dem sich immer mehr zur Selbstverständlichkeit entwickelnden Rassismus die Chance gegeben wird, sich auszubreiten – auf Grundlage des Nichtwissens.

Rassismus statt integrationsfördernder Begegnungen

Problematisch ist diese Separation auch, weil dem sich immer mehr zur Selbstverständlichkeit entwickelnden Rassismus die Chance gegeben wird, sich auszubreiten – auf Grundlage des Nichtwissens.

Ich bin selbst Klassenlehrerin einer Integrationsklasse. Meiner Klasse sagen Lehrerinnen aus dem Kollegium nach, sie bildete eine „Parallelgesellschaft“ in der Schule, in welcher „arabische“ oder „rumänische“ Gesetze gelten würden, Frauen nicht respektiert seien und nur „Ausländisch“ gesprochen würde. Den Kindern dieser „Ausländerklasse“, wie sie immer häufiger genannt wird, wird pauschal zugeschrieben, sie seien gewalttätig, desinteressiert und unterentwickelt. Kinder deutscher Nationalität wenden sich an mich als Klassenlehrerin, um sich über „die Ausländer“ zu beschweren.

Die Realität hat mit den Vorurteilen nichts gemein. Alle Kinder meiner Klasse behandeln mich respektvoll. Es ist normal, dass Sprachenlerner in ihrer Muttersprache miteinander reden, wenn sie gerade erst beginnen, sich eine andere Sprache anzueignen, ihnen also das Vokabular und Gefühl für die neue Sprache fehlen. Kein Deutscher spricht in Peking nach wenigen Wochen Mandarin, wenn er weiß, dass sein Gegenüber auch aus Deutschland kommt. Wieso also stören sich Lehrer und Schüler hier am „Ausländisch“?

Selbst integrieren lassen

„Integrationsklassen“ markieren Dazukommende als Fremde, welche man an den Rand stellt, indem sie vom Alltag ausgeschlossen werden. Kinder, die ein oder zwei Jahre in einer „Integrationsklasse“ zugebracht haben, bevor sie in den eigentlichen deutschen Schulbetrieb übergehen, werden in der wichtigsten Zeit – in jener des Ankommens und Orientierens – nicht ausreichend mit der deutschen Realität konfrontiert. Sie werden somit auf etwas vorbereitet, was dogmatisch passieren soll: Sie sollen integriert werden. Tatsächlich könnten sie sich jedoch selbst integrieren, gäbe man ihnen die Möglichkeit, gleich und nicht fremd zu sein.

Orientieren wir uns an der zu lernenden deutschen Sprache, welche Gleichheit bei gleichzeitiger Diversität zulässt. “Sein“ wird nämlich folgendermaßen konjugiert: Wir SIND gleich, sie SIND gleich.

Für weitere Infos: Vgl. hierzu /Zick, Andreas / Klein, Anna: ///Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014./// Mit Beiträgen von Eva Groß, Andreas Hövermann und Beate Küpper. Herausgegeben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Ralf Melzer; Verlag  J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2014./

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