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Zank um Zeitverträge: Die Befristung der wissenschaftlichen Ideen

Von Dorit Kristine Arndt / 19. März 2015
Dorit Kristine Arndt

Forschen braucht Zeit und Muße. Doch die ist vielen Nachwuchsforschern nicht gegönnt – ihre Verträge sind oft knapp befristet, ihre Zukunftsperspektive begrenzt.

Damit Dichter und Denker sich in Deutschland wieder wohl fühlen, muss noch einiges passieren. Denn die Exzellenz fristet oft ein Leben ohne gesicherte Existenz. Von festen Anstellungen können die meisten Wissenschaftler nur träumen. Die Regel sind Zeitverträge, oftmals befristet auf unter ein Jahr Laufzeit.

Frank Ursin promoviert in Alter Geschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Nebenbei engagiert er sich bei der Promovierenden-Initiative Halle. Er klagt: „Wir haben prekäre Beschäftigungsverhältnisse beim wissenschaftlichen Nachwuchs, unsichere Karriereperspektiven und von Familienfreundlichkeit kann man gar nicht sprechen.“

Schlechte Arbeitsbedingungen an den Universitäten

Ursin ist selbst Vater dreier Kinder. Seine Promotion ist nur dank eines Stipendiums möglich. Als Sprecher der Promovierenden in Halle engagiert er sich für bessere Arbeitsverhältnisse. „Wir haben mit unglaublichen Problemen zu kämpfen“, konstatiert er. „Selbst wenn jetzt Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bildungsministerin Johanna Wanka Deutschland als Bildungsrepublik ausrufen, schneidet man sich mit der gängigen Praxis selbst ins Bein.“

Die Bezahlung der Promovierenden sei schlecht, Planungssicherheit gebe es kaum. Seit Jahren klagen Wissenschaftler sowie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) über miserable Arbeitsbedingungen. Geändert hat sich bisher kaum etwas.

Als des Übels Wurzel wurde vor allem das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ausgemacht. Dieses Gesetz ermöglicht den Hochschulen, Wissenschaftler bis zu zwölf Jahre, in bestimmten Fällen bis zu 15 Jahre lang befristet zu beschäftigen.

Neunzig Prozent der Arbeitsverträge sind befristet

„Neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind befristet beschäftigt, über die Hälfte der Zeitverträge hat eine Laufzeit von weniger als einem Jahr“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der GEW, Andreas Keller, auf einer Pressekonferenz in Berlin. Das sei Gift für jede berufliche und private Lebensplanung. „Diese Verhältnisse gefährden nicht nur die Attraktivität des Arbeitsplatzes Hochschule und Forschung, sondern auch die Kontinuität und damit Qualität von Forschung und Lehre. Der Gesetzgeber muss endlich handeln und für die Stabilisierung der Beschäftigung in der Wissenschaft sorgen.“

Auch Promovent Ursin sieht den Staat in der Pflicht. „Überall im Land werden ordentliche Arbeitsbedingungen angemahnt – sogar der Mindestlohn wurde eingeführt. Nur wenn der Bund selbst als Arbeitgeber auftritt, wie in der Wissenschaft, sind prekäre Arbeitsverhältnisse der Normalfall.“

Besserung in Sicht

Doch Besserung ist in Sicht. Die schwarz-rote Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag unter der Überschrift „Planbare und verlässliche Karrierewege“ eine Novellierung des seit 2007 geltenden Wissenschaftszeitvertragsgesetzes angekündigt. Der Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisse habe „in den letzten Jahren ein Maß erreicht, das Handlungsbedarf entstehen lässt“, heißt es in der Vereinbarung von Union und SPD.

„Wer zur wissenschaftlichen Qualifizierung befristet beschäftigt wird, muss die Möglichkeit haben, sein Qualifizierungsziel auch tatsächlich zu erreichen“, sagt GEW-Hochschulexperte Andreas Keller. Befristet beschäftigte Doktorandinnen und Doktoranden müssten ausreichend Zeit für die Arbeit an ihrer Dissertation bekommen. Die Laufzeit ihres Zeitvertrages müsse so bemessen sein, dass sie ihre Promotion erfolgreich abschließen können. „Es muss Schluss damit sein, dass Promovierende mit halbfertigen Doktorarbeiten auf die Straße gesetzt werden.“

Ausreichend Zeit für die Arbeit an der Dissertation

Wenn eine Doktorarbeit drei Jahre dauert, dann müsse auch der Vertrag für eine Dauer von drei Jahren abgeschlossen werden. Bildungsministerin Johanna Wanka fordert entsprechend, dass sich die Vertragsdauer daran orientieren solle, wie viel Zeit etwa für eine Promotion durchschnittlich nötig sei. Insgesamt sollten Hochschulmitarbeiter mehr Planungssicherheit haben, Daueraufgaben dürften überhaupt nicht über Zeitverträge geregelt werden.

Frank Ursin freut sich über die Unterstützung der Ministerin. Trotzdem kämpft er weiter aktiv für eine Verbesserung der Situation. „Gerade erst hatten wie ein mitteldeutsches Vernetzungstreffen mit den Promovierenden-Initiativen aus Halle, Leipzig, Jena und Freiberg“, erzählt der Doktorand. „Wir haben uns über die Arbeitsbedingungen ausgetauscht und überlegt, was wir an der Situation verbessern können und was politisch passieren muss.“

Seine Promotion will Frank Ursin nächstes Jahr abschließen. Zieht man das Jahr Elternzeit ab, das er genommen hat, hat er dann drei Jahre daran geschrieben. Drei Jahre, die sein Stipendium ihm ermöglicht haben. Hätte er dieses Stipendium nicht gehabt, hätten Zeitverträge von wenigen Monaten und die Unsicherheit, ob ein weiterer Vertrag angeboten wird, das Arbeitsklima negativ beeinflusst, ist sich Ursin sicher.

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